THE CALL – LEG NICHT AUF!
(The Call)
(The Call)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 11.07.2013
Regie: Brad Anderson
Dt. Erstaufführung: 11.07.2013
Regie: Brad Anderson
Regisseur Brad Anderson hat vor The Call, lässt man den hierzulande nur
auf DVD erschienenen Die Herrschaft der
Schatten außen vor, einen wilden Genremix namens Transsiberian fürs Kino inszeniert. Dieser changierte zwischen
Thriller, Drama und Horror hin und her und The
Call steht ihm da kaum nach. Eine Stunde lang präsentiert er sich als so
passabler Thriller, dass man die massenhaft schlechten Kritiken, die ihm in den
USA ereilten, durchaus in Frage stellen könnte. Doch dann demontiert sich der
Film in der letzten halben Stunde auf so spektakuläre Weise selbst, dass eine
Empfehlung für The Call einen schalen
Beigeschmack hätte. Es stellt sich die Frage: warum hat sich Anderson keinen
Thriller der alten Schule zugetraut? Die Zutaten waren da.
Jordan Turner (Halle Berry) ist eine Veteranin in der Notrufzentrale
von Los Angeles. Nach einem besonders traumatischen Anruf, bei dem Jordan einen
Fehler beging und sich so für den Tod eines jungen Mädchens verantwortlich
macht, wechselt sie vom aktiven in den Ausbildungsdienst. Als eines Tages die
ebenso junge Casey (Abigail Breslin) den Notruf wählt, weil sie entführt wurde
und sich im Kofferraum eines Wagens wiederfindet, übernimmt Jordan für eine
überforderte Kollegin. Bald stellt sich heraus, dass Jordan mit diesem Fall
sich nicht nur ihren Dämonen entgegenstellt, sondern womöglich auch auf der
Spur des Mörders von damals geraten ist…
Beinahe unweigerlich fragt man sich, was wohl Alfred
Hitchcock aus der Prämisse des Films gemacht hätte. Wäre er ganz bei Jordan
geblieben? Wie hätte er die beiden Handlungsebenen zusammengebracht? Sicherlich
hätte er sich nicht in die Trash-Horror-Niederungen begeben, in denen sich
Anderson am Ende verstrickt, aber das ist, wie alles an dieser Überlegung, relativ
müßig. Was man bekommt ist ein handwerklich hervorragender, in allen anderen
Belangen aber schwächelnder Film, dessen ersten 60 Minuten wie bereits erwähnt
als durchaus spannender B-Thriller noch in Ordnung gehen. Die Darbietungen von
Halle Berry und Abigail Breslin sind solide, auch wenn sie kaum mehr als
Stichworte haben, mit denen sie arbeiten können. Doch wenn Jordan Casey über
das Telefon ein Versprechen macht (auch wenn sie das laut Handbuch nicht tun
soll), spiegelt sich eine Erkenntnis auf den Gesichtern beider Darstellerinnen:
Sie wissen, dass es eine zur Beruhigung gedachte Lüge ist, unprofessionell und
zu involviert, aber sie lassen es geschehen. In diesem Moment wird man daran
erinnert, dass man zwei hervorragenden Darstellerinnen zusieht, die sich nur in
einen wenig fordernden Film verirrt haben. Ähnliches kann man über Michael
Eklund (Watchmen – Die Wächter) nicht sagen: Sein Antagonist Michael Foster ist
ein Konglomerat aus den üblichen Serienkillern und den Idioten, die in viel zu
großer Anzahl Horrorfilme bevölkern. Wie er es mit seiner mangelnden
Impulskontrolle geschafft hat, so lange unerkannt zu bleiben, ist das
wahrscheinlich größte Rätsel in The Call.
Ebenfalls rätselhaft ist, warum der Film in den letzten 30
Minuten seiner Laufzeit so entschieden daran arbeitet, sich selbst zu diskreditieren.
Jordan schafft das, was die schockierend inkompetenten Polizeikollegen nicht
geschafft haben und begibt sich in die Reste des Texas Chainsaw Massacre-Sets. Dann dreht sie dem am Boden liegenden
Killer den Rücken zu, Abigail Breslin wird unnötigerweise sexualisiert und das
Ende schielt stark auf das Hostel-Kernpublikum.
Für Charaktere, die zunächst nachvollziehbare Fehler begehen und dann ein
gewisses Maß an Cleverness an den Tag legen ist das Finale mit frustrierend vielen
dummen Handlungen gespickt und dann auch noch moralisch fragwürdig. Es bleibt
offen, ob die Situation so endet, wie man sie in den finalen Einstellungen
vorfindet, aber sie impliziert zu viel Sadismus, als dass Jordan und Casey
sauber aus der Situation herauskommen. Es bleibt auch hier schleierhaft, warum
Anderson und sein Drehbuchautor Richard D’Ovidio einem vermeintlichen
Selbstjustiz-Reflex des Publikums hier nachgeben.
So lange The Call
ganz bei Jordan und Casey bleibt, ist es ein ansehnlicher Film, nichts
weltbewegendes, aber spannende Unterhaltung. Durch fortgesetzte Unterhöhlung
durch zunehmend dümmer agierende Figuren und einem Finale aus einem gänzlich
anderen Film demontiert sich The Call
aber zusehends, bis er am Ende nur noch ein Schatten dessen ist, was der Beginn
erhoffen ließ. Aus gutem Trash ist wahrlich schlechter Trash geworden und das
ist eine ganz eigene Art von Desaster.
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