Dienstag, 3. Dezember 2013

The Call - Leg nicht auf! (2013)




THE CALL – LEG NICHT AUF!
(The Call)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 11.07.2013
Regie: Brad Anderson

Regisseur Brad Anderson hat vor The Call, lässt man den hierzulande nur auf DVD erschienenen Die Herrschaft der Schatten außen vor, einen wilden Genremix namens Transsiberian fürs Kino inszeniert. Dieser changierte zwischen Thriller, Drama und Horror hin und her und The Call steht ihm da kaum nach. Eine Stunde lang präsentiert er sich als so passabler Thriller, dass man die massenhaft schlechten Kritiken, die ihm in den USA ereilten, durchaus in Frage stellen könnte. Doch dann demontiert sich der Film in der letzten halben Stunde auf so spektakuläre Weise selbst, dass eine Empfehlung für The Call einen schalen Beigeschmack hätte. Es stellt sich die Frage: warum hat sich Anderson keinen Thriller der alten Schule zugetraut? Die Zutaten waren da.

Jordan Turner (Halle Berry) ist eine Veteranin in der Notrufzentrale von Los Angeles. Nach einem besonders traumatischen Anruf, bei dem Jordan einen Fehler beging und sich so für den Tod eines jungen Mädchens verantwortlich macht, wechselt sie vom aktiven in den Ausbildungsdienst. Als eines Tages die ebenso junge Casey (Abigail Breslin) den Notruf wählt, weil sie entführt wurde und sich im Kofferraum eines Wagens wiederfindet, übernimmt Jordan für eine überforderte Kollegin. Bald stellt sich heraus, dass Jordan mit diesem Fall sich nicht nur ihren Dämonen entgegenstellt, sondern womöglich auch auf der Spur des Mörders von damals geraten ist…

Beinahe unweigerlich fragt man sich, was wohl Alfred Hitchcock aus der Prämisse des Films gemacht hätte. Wäre er ganz bei Jordan geblieben? Wie hätte er die beiden Handlungsebenen zusammengebracht? Sicherlich hätte er sich nicht in die Trash-Horror-Niederungen begeben, in denen sich Anderson am Ende verstrickt, aber das ist, wie alles an dieser Überlegung, relativ müßig. Was man bekommt ist ein handwerklich hervorragender, in allen anderen Belangen aber schwächelnder Film, dessen ersten 60 Minuten wie bereits erwähnt als durchaus spannender B-Thriller noch in Ordnung gehen. Die Darbietungen von Halle Berry und Abigail Breslin sind solide, auch wenn sie kaum mehr als Stichworte haben, mit denen sie arbeiten können. Doch wenn Jordan Casey über das Telefon ein Versprechen macht (auch wenn sie das laut Handbuch nicht tun soll), spiegelt sich eine Erkenntnis auf den Gesichtern beider Darstellerinnen: Sie wissen, dass es eine zur Beruhigung gedachte Lüge ist, unprofessionell und zu involviert, aber sie lassen es geschehen. In diesem Moment wird man daran erinnert, dass man zwei hervorragenden Darstellerinnen zusieht, die sich nur in einen wenig fordernden Film verirrt haben. Ähnliches kann man über Michael Eklund (Watchmen – Die Wächter) nicht sagen: Sein Antagonist Michael Foster ist ein Konglomerat aus den üblichen Serienkillern und den Idioten, die in viel zu großer Anzahl Horrorfilme bevölkern. Wie er es mit seiner mangelnden Impulskontrolle geschafft hat, so lange unerkannt zu bleiben, ist das wahrscheinlich größte Rätsel in The Call.

Ebenfalls rätselhaft ist, warum der Film in den letzten 30 Minuten seiner Laufzeit so entschieden daran arbeitet, sich selbst zu diskreditieren. Jordan schafft das, was die schockierend inkompetenten Polizeikollegen nicht geschafft haben und begibt sich in die Reste des Texas Chainsaw Massacre-Sets. Dann dreht sie dem am Boden liegenden Killer den Rücken zu, Abigail Breslin wird unnötigerweise sexualisiert und das Ende schielt stark auf das Hostel-Kernpublikum. Für Charaktere, die zunächst nachvollziehbare Fehler begehen und dann ein gewisses Maß an Cleverness an den Tag legen ist das Finale mit frustrierend vielen dummen Handlungen gespickt und dann auch noch moralisch fragwürdig. Es bleibt offen, ob die Situation so endet, wie man sie in den finalen Einstellungen vorfindet, aber sie impliziert zu viel Sadismus, als dass Jordan und Casey sauber aus der Situation herauskommen. Es bleibt auch hier schleierhaft, warum Anderson und sein Drehbuchautor Richard D’Ovidio einem vermeintlichen Selbstjustiz-Reflex des Publikums hier nachgeben.

So lange The Call ganz bei Jordan und Casey bleibt, ist es ein ansehnlicher Film, nichts weltbewegendes, aber spannende Unterhaltung. Durch fortgesetzte Unterhöhlung durch zunehmend dümmer agierende Figuren und einem Finale aus einem gänzlich anderen Film demontiert sich The Call aber zusehends, bis er am Ende nur noch ein Schatten dessen ist, was der Beginn erhoffen ließ. Aus gutem Trash ist wahrlich schlechter Trash geworden und das ist eine ganz eigene Art von Desaster.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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