CHARLES DICKENS –
EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE
(Scrooge)
Großbritannien 1951
Dt. Erstaufführung: 24.12.1966 (TV-Premiere)
Regie: Brian Desmond Hurst
Dt. Erstaufführung: 24.12.1966 (TV-Premiere)
Regie: Brian Desmond Hurst
Geschäftsmann Ebenezer Scrooge (Alastair Sim) lebt im London
des ausgehenden 19. Jahrhunderts und ist für seine Hartherzigkeit bekannt. Im
Laufe seines Lebens hat er so ziemlich jeden Menschen verprellt, nur zu seinem
Geschäftspartner Jacob Marley (Michael Hordern) verband ihn eine Freundschaft.
Nun, sieben Jahre nach seinem Tod, an einem kalten Heiligen Abend, steht Marley
wieder vor Scrooge – in Ketten gelegt und etwas durchsichtig. Als Geist
zurückgekommen warnt er seinen Partner davor, sein Leben weiterhin dem bloßen
Anhäufen von Geld bei gleichzeitiger Missachtung aller emotionalen Bindungen zu
den Menschen um sich herum zu widmen. Zur Unterstreichung dieses Anliegen soll
Scrooge Besuch von drei Geistern bekommen, die ihn läutern sollen. Als die Uhr
eins schlägt, steht schließlich der Geist der vergangenen Weihnacht (Michael
Dolan) vor ihm und nimmt ihn mit auf eine emotionale Tour-de-Force durch
Scrooges Vergangenheit. Werden er und die anderen Geistern ihre Mission
erfüllen und aus dem Grantler einen Gutmenschen machen können?
Die Frage ist natürlich nur hypothetisch, denn jeder dürfte
Charles Dickens, seine Weihnachtsgeschichte
und ihre Dramaturgie kennen. Im Laufe der Jahre hat es viele Varianten des
Stoffs gegeben, Onkel Dagobert versuchte sich ebenso als Scrooge wie Michael
Caine, umringt von Muppets. Patrick Stewart, Albert Finney, George C. Scott,
Bill Murray – sie alle waren bereits Ebenezer Scrooge, aber alle müssen sich,
zumindest was die englischsprachige Welt betrifft, mit Alastair Sim messen, der
vielen als die definitive Verkörperung der Figur gilt. In Deutschland kam der
Film erst 15 Jahre nach seiner Premiere im Vereinigten Königreich an – als
TV-Premiere am Heiligen Abend. Sicherlich eine passende Programmierung, aber
ein wenig respektvoller Umgang mit einem Film, der selbst als beste
Verteidigung ins Feld gehen kann gegen jedwede Einwände á la „Ist er wirklich
so gut?“ Die Antwort ist einfach: Charles
Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte ist so gut und er hat es ohne Frage
nicht verdient, heute auf obskuren Sendern zu verrotten (die letzte
Ausstrahlung bei der Entstehung dieser Besprechung liegt fast ein Jahr zurück,
Weihnachten 2012 auf Das Vierte –
unterbrochen von diversen Teleshopping-Werbeblöcken).
Charles Dickens – Eine
Weihnachtsgeschichte ist in schwarz/weiß gedreht, was einige heutige
Zuschauer abschrecken mag. Doch dadurch beraubt man sich nur eines
hervorragenden Filmgenusses. Im Kern ein Märchen ist der Film ähnlich elegant
wie die von Jean Cocteau in Kriegstrümmern 1946 inszenierte Version von Die Schöne und das Biest – eine
gleichsam unheimliche wie anrührende Atmosphäre, deren Ästhetik etwas zutiefst
zeitloses hat. Man kann heute Scrooges Reise durch die Zeit sicherlich
spektakulärer in Szene setzen, aber das Stundenglas, dass Regisseur Brian
Desmond Hurst hier einsetzt hat einen unvergleichlichen Charme. Der Film findet
für jedes technisch bedingtes Darstellungsproblem seiner Zeit eine Lösung, die
auch heute noch Bestand hat. Einiges hat mit der schier unzerstörbaren Kraft
der Vorlage zu tun, anderes mit der sorgfältigen Inszenierung Hursts. Man
spürt, wie viel Akribie von allen Beteiligten in das Projekt investiert wurde
und dies zahlt sich im fertigen Film aus. Mit nur knapp über 80 Minuten
Laufzeit ist der Film schnell vorbei, man hat aber das Gefühl, länger ein Teil
von Scrooges Welt gewesen zu sein, so hervorragend ist die Dramaturgie, so
genau abgestimmt kommt der Film daher. Keine Szene ist verschwendet, keine
Einstellung überflüssig.
Man kann verstehen, warum Alastair Sim in Cineastenkreisen
so beliebt ist: sein Scrooge ist eine bestechende Leistung. Das Entscheidende
an jeder Interpretation der Charakters ist immer seine Dualität: man muss dem
Darsteller sowohl den Misanthropen wie den Humanisten abnehmen und Sim gelingt
diese Gratwanderung bemerkenswert gut. Er ist als arroganter Mann, dessen
Gesicht seine Abscheu kaum verbergen kann, am Anfang ebenso effektiv wie in der
Konklusion, wenn seine Reue und seine Wandlung genuin daherkommen. Sim nimmt
die Dualität in sich auf und verschafft ihr eine ungemeine Präsenz. Da sich der
Film auch hauptsächlich mit der Vergangenheit des Charakters beschäftigt
(dramaturgisch sinnvoll, die Gegenwart und die hypothetische Zukunft sind
ohnehin nur Möglichkeiten, die sich aus der Vergangenheit ergeben) bringt uns
Sim auch Scrooges Evolution kongenial nahe. Man kann sein Verhalten in der
filmischen Gegenwart nicht gutheißen, aber man kann sehr wohl nachvollziehen,
warum er so geworden ist, wie er ist. Wieder findet der Film einen adäquaten
Ausdruck für die Stärke der Dickens’chen Gedanken.
Charles Dickens – Eine
Weihnachtsgeschichte erinnert den Zuschauer daran, dass wundersame Dinge
passieren können. Die Inszenierung, die das märchenhafte nicht versucht zu
verstecken sondern mit offenen Armen begrüßt, und ihr hervorragender
Hauptdarsteller verhelfen dem Film zum Erfolg. Und es ist weniger der
Nostalgiefaktor, der bei einem Film von 1951 auch immer eine Rolle spielt, der
Hursts Version so großartig macht, sondern eine wirkliche filmische Qualität. Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte ist
sorgsam erstellt, clever in seinen Kompositionen und unverfälscht in seinem
Herzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen