Dienstag, 24. Dezember 2013

Charles Dickens - Eine Weihnachtsgeschichte (1951)



CHARLES DICKENS – EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE
(Scrooge)
Großbritannien 1951
Dt. Erstaufführung: 24.12.1966 (TV-Premiere)
Regie: Brian Desmond Hurst

Geschäftsmann Ebenezer Scrooge (Alastair Sim) lebt im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts und ist für seine Hartherzigkeit bekannt. Im Laufe seines Lebens hat er so ziemlich jeden Menschen verprellt, nur zu seinem Geschäftspartner Jacob Marley (Michael Hordern) verband ihn eine Freundschaft. Nun, sieben Jahre nach seinem Tod, an einem kalten Heiligen Abend, steht Marley wieder vor Scrooge – in Ketten gelegt und etwas durchsichtig. Als Geist zurückgekommen warnt er seinen Partner davor, sein Leben weiterhin dem bloßen Anhäufen von Geld bei gleichzeitiger Missachtung aller emotionalen Bindungen zu den Menschen um sich herum zu widmen. Zur Unterstreichung dieses Anliegen soll Scrooge Besuch von drei Geistern bekommen, die ihn läutern sollen. Als die Uhr eins schlägt, steht schließlich der Geist der vergangenen Weihnacht (Michael Dolan) vor ihm und nimmt ihn mit auf eine emotionale Tour-de-Force durch Scrooges Vergangenheit. Werden er und die anderen Geistern ihre Mission erfüllen und aus dem Grantler einen Gutmenschen machen können?

Die Frage ist natürlich nur hypothetisch, denn jeder dürfte Charles Dickens, seine Weihnachtsgeschichte und ihre Dramaturgie kennen. Im Laufe der Jahre hat es viele Varianten des Stoffs gegeben, Onkel Dagobert versuchte sich ebenso als Scrooge wie Michael Caine, umringt von Muppets. Patrick Stewart, Albert Finney, George C. Scott, Bill Murray – sie alle waren bereits Ebenezer Scrooge, aber alle müssen sich, zumindest was die englischsprachige Welt betrifft, mit Alastair Sim messen, der vielen als die definitive Verkörperung der Figur gilt. In Deutschland kam der Film erst 15 Jahre nach seiner Premiere im Vereinigten Königreich an – als TV-Premiere am Heiligen Abend. Sicherlich eine passende Programmierung, aber ein wenig respektvoller Umgang mit einem Film, der selbst als beste Verteidigung ins Feld gehen kann gegen jedwede Einwände á la „Ist er wirklich so gut?“ Die Antwort ist einfach: Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte ist so gut und er hat es ohne Frage nicht verdient, heute auf obskuren Sendern zu verrotten (die letzte Ausstrahlung bei der Entstehung dieser Besprechung liegt fast ein Jahr zurück, Weihnachten 2012 auf Das Vierte – unterbrochen von diversen Teleshopping-Werbeblöcken).

Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte ist in schwarz/weiß gedreht, was einige heutige Zuschauer abschrecken mag. Doch dadurch beraubt man sich nur eines hervorragenden Filmgenusses. Im Kern ein Märchen ist der Film ähnlich elegant wie die von Jean Cocteau in Kriegstrümmern 1946 inszenierte Version von Die Schöne und das Biest – eine gleichsam unheimliche wie anrührende Atmosphäre, deren Ästhetik etwas zutiefst zeitloses hat. Man kann heute Scrooges Reise durch die Zeit sicherlich spektakulärer in Szene setzen, aber das Stundenglas, dass Regisseur Brian Desmond Hurst hier einsetzt hat einen unvergleichlichen Charme. Der Film findet für jedes technisch bedingtes Darstellungsproblem seiner Zeit eine Lösung, die auch heute noch Bestand hat. Einiges hat mit der schier unzerstörbaren Kraft der Vorlage zu tun, anderes mit der sorgfältigen Inszenierung Hursts. Man spürt, wie viel Akribie von allen Beteiligten in das Projekt investiert wurde und dies zahlt sich im fertigen Film aus. Mit nur knapp über 80 Minuten Laufzeit ist der Film schnell vorbei, man hat aber das Gefühl, länger ein Teil von Scrooges Welt gewesen zu sein, so hervorragend ist die Dramaturgie, so genau abgestimmt kommt der Film daher. Keine Szene ist verschwendet, keine Einstellung überflüssig.

Man kann verstehen, warum Alastair Sim in Cineastenkreisen so beliebt ist: sein Scrooge ist eine bestechende Leistung. Das Entscheidende an jeder Interpretation der Charakters ist immer seine Dualität: man muss dem Darsteller sowohl den Misanthropen wie den Humanisten abnehmen und Sim gelingt diese Gratwanderung bemerkenswert gut. Er ist als arroganter Mann, dessen Gesicht seine Abscheu kaum verbergen kann, am Anfang ebenso effektiv wie in der Konklusion, wenn seine Reue und seine Wandlung genuin daherkommen. Sim nimmt die Dualität in sich auf und verschafft ihr eine ungemeine Präsenz. Da sich der Film auch hauptsächlich mit der Vergangenheit des Charakters beschäftigt (dramaturgisch sinnvoll, die Gegenwart und die hypothetische Zukunft sind ohnehin nur Möglichkeiten, die sich aus der Vergangenheit ergeben) bringt uns Sim auch Scrooges Evolution kongenial nahe. Man kann sein Verhalten in der filmischen Gegenwart nicht gutheißen, aber man kann sehr wohl nachvollziehen, warum er so geworden ist, wie er ist. Wieder findet der Film einen adäquaten Ausdruck für die Stärke der Dickens’chen Gedanken.

Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte erinnert den Zuschauer daran, dass wundersame Dinge passieren können. Die Inszenierung, die das märchenhafte nicht versucht zu verstecken sondern mit offenen Armen begrüßt, und ihr hervorragender Hauptdarsteller verhelfen dem Film zum Erfolg. Und es ist weniger der Nostalgiefaktor, der bei einem Film von 1951 auch immer eine Rolle spielt, der Hursts Version so großartig macht, sondern eine wirkliche filmische Qualität. Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte ist sorgsam erstellt, clever in seinen Kompositionen und unverfälscht in seinem Herzen.




http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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