Donnerstag, 23. Mai 2013

Star Trek - Der Film (1979)




STAR TREK – DER FILM
(Star Trek: The Motion Picture)
USA 1979
Dt. Erstaufführung: 27.03.1980
Regie: Robert Wise

Notiz: Als Grundlage dieses Reviews dient der Director’s Cut des Films, die bevorzugte Version gegenüber der unfertigen Kinofassung von 1979.

1966 hätte man sich wahrscheinlich nicht erträumen können, was aus einer kleinen, günstig produzierten Science-fiction-Serie werden würde, die Go West!-Mentalität mit einem für den Kalten Krieg ungewöhnlichen, allumfassenden Humanismus verband. In jenem Jahr lief zum ersten Mal Star Trek über die US-Bildschirme, 1972 unter dem Titel Raumschiff Enterprise dann auch in Deutschland – gekürzt, durch die Synchronisation verändert und entstellt, nur die Hälfte der Folgen und als Kinderserie deklariert.
In den Staaten brachte es die Serie auf 79 Folgen in drei Staffeln, dann war Schluss. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Serie bereits eine kleine Fanbasis aufgebaut, die durch ständige Wiederholungen stetig und mächtig wuchs, bis die Verantwortlichen das Potenzial erkannten und Star Trek neues Leben einhauchten, diesmal als Kinofilm. Der Hype war riesig, die Medienlandschaft war noch gefangen vom Erfolg von Krieg der Sterne, dessen Fortsetzung Das Imperium schlägt zurück bereits in den Startlöchern stand. Science-Fiction war en vogue und die Fans fieberten dem landesweiten Starttermin entgegen. Man kann nur erahnen, was es für sie für ein Gefühl gewesen sein muss, die Enterprise dann im Film majestätisch im Raumdock liegen zu sehen, während Jerry Goldsmith die Emotionen in Musik umsetzt: Endlich neue Abenteuer mit Captain Kirk, Spock, Pille, Scotty & Co.

Leider generierte der Film diverse wenig schmeichelhafte Spitznamen unter dem Publikum, beispielsweise Star Trek: The Motionless Picture. Es mag an der schnellen Inszenierung von Krieg der Sterne gelegen haben oder an dem schlechten Timing der Kinoversion (der Director’s Cut ist nach zuverlässiger Quelle hier besser aufgestellt), auf jeden Fall sollte der Film zwar ein finanzieller, aber kein Fan-Erfolg werden. In Retrospektive hat der Film aber einige Qualitäten, die zwar manchmal etwas unter der behäbigen Inszenierung verloren zu gehen drohen, aber nichtsdestotrotz näher am Grundgedanken von Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry sind als jüngste Ausfälle wie Star Trek – Into Darkness.

Eine alles auf ihrem Weg vernichtende, nicht definierbare „Wolke“ bewegt sich durchs All auf die Erde zu. Die einzige Hoffnung ist die runderneuerte Enterprise, deren Warp-Antrieb aber noch ebenso wenig erprobt ist wie Admiral Kirk (William Shatner) nach zweijähriger Abstinenz auf der Brücke eines Raumschiffes. Trotzdem enthebt der den bisherigen Kapitän, Decker (Stephen Collins) seines Amtes und übernimmt die Führung auf dieser Mission, für die auch noch alle anderen ehemaligen Crewmitglieder wieder an Bord geholt werden, inlusive Dr. McCoy alias Pille (DeForest Kelly). Als dann auch noch Spock (Leonard Nimoy) bei seiner Sinnsuche zwischen Mensch und Vulkanier dazu stößt, ist die Mannschaft wieder vollständig und kann an einem Plan arbeiten, das Gebilde davon abzuhalten, die Erde zu erreichen.

Star Trek – Der Film ist näher an 2001 – Odyssee im Weltraum als an Star Wars. Mit überragenden Spezialeffekten vom Guru auf diesem Gebiet, Douglas Trumbull (Lautlos im Weltraum, Blade Runner, Unheimliche Begegnung der dritten Art) ausgestattet ist der Film oftmals elegisch, mit Bildern von teils beeindruckender Schönheit. Einzig der Spaß kommt zu kurz, die Chemie zwischen Kirk, Spock und Pille muss sich wieder aufbauen. Erst am Schluss hat man das Gefühl, dass die Schauspieler wieder in ihren angestammten Schuhen stecken. Auch die liebevolle Holz- und Plastikkulisse der Enterprise musste einem „modernen“, eleganten, aber auch sehr kaltem Neu-Design weichen. Heimisch fühlt man sich hier nicht, aber immerhin bietet der Blick nach draußen Spektakuläres. Außerdem vergisst der Film seine Ideen nicht: die Bedrohung namens V’ger wird clever aufgelöst, auch wenn die Prämisse bereits in der TV-Folge Ich heiße Nomad behandelt wurde. Zudem ist der ganze Film als Diskurs über die Natur des Menschlichen zu lesen. Spock lernt, seine menschliche Seite zu akzeptieren, Lt. Ilias (Persis Khambatta) Gefühle für Decker lassen sich auch durch eine Programmierung von V’ger nicht auslöschen und dieser muss erkennen, dass er auf rein technisch-rationaler Ebene einen toten Punkt in seiner Evolution erreicht hat, der nur durch „das menschliche Element“ überwunden werden kann. Star Trek – Der Film ist kein dummer Film, nur einer, der unter seinem Duktus leidet. Star Trek ist eben in seiner ganzen Ausrichtung und Intention nicht 2001. So schön die Effekte und der bewundernde Blick auf die technischen Möglichkeiten dieser Zukunft auch sind, sie bremsen die Geschichte aus, wo sich Star Trek sonst flott und sinnig bewegte.

Star Trek – Der Film ist ein eher durchschnittlicher Auftakt für eine Filmreihe, die das gesamte Spektrum – von sehr gut bis sehr schlecht – abdeckt. Nicht aktiv dümmlich, aber auch nicht so involvierend, wie er sein könnte, muss man dem Film immerhin zugutehalten, dass er genug einspielte, um weitere Teile zu rechtfertigen. Und wer hätte ahnen können, dass ein Meilenstein im Trek-Universum am Ende dieses Films nur 2 ½ Jahre in der Zukunft liegen würde?!



Aliens - Die Rückkehr (1986)




ALIENS – DIE RÜCKKEHR
(Aliens)
Großbritannien/USA 1986
Dt. Erstaufführung: 13.11.1986
Regie: James Cameron

Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt als tour-de-force zu beschreiben, ist zutreffend. Das gleiche mit Aliens – Die Rückkehr zu tun, ebenso, wenn auch unter anderen Vorzeichen. War Ridley Scotts Film eher ein Kammerspiel, ein klaustrophobischer Horror/Science-fiction-Hybrid, so tauscht James Cameron für die Fortsetzung die Enge der Nostromo gegen die Weitläufigkeit eines Außenposten auf just jenem Planeten ein, auf dem das außerirdische Raumschiff in Teil Eins gestrandet war und macht aus der Prämisse, Lt. Ripley erneut gegen die Monster antreten zu lassen, einen furiosen Actionfilm.

Nach 57 Jahren im Kälteschlaf wird Ripley (Sigourney Weaver) eher zufällig von einer Raumpatrouille aufgegriffen und zur Erde gebracht. Dort muss sie nicht nur erfahren, dass ihre Tochter inzwischen verstorben ist, auch ihrer Geschichte vom feindlichen außerirdischen Organismus will niemand so recht glauben schenken, zumal der Versicherungsschaden durch die Zerstörung der Nostromo beträchtlich ist. Auf LV-426, jenem Planetoiden, auf dem Ripley und ihre Crew dereinst das Alien unfreiwillig an Bord nahmen, befindet sich inzwischen eine menschliche Kolonie, die Terraforming betreibt. Als der Kontakt abbricht beginnt man, Ripleys Geschichte wieder mehr Bedeutung zuzumessen und zusammen mit einem Trupp bis an die Zähne bewaffneter Marines macht sie sich auf den Weg, sich ihren Dämonen zu stellen. Auf LV-426 findet die Mannschaft eine von Menschen verlassene Station wieder – was nicht heißt, dass hier nichts Lebendiges zu finden ist…

Wer über die Erwähnung von Ripleys Tochter in der Inhaltsbeschreibung stolperte, der ist wohl nur mit der Kinoversion von 1986 vertraut. Dank Home Entertainment existiert inzwischen auch eine etwa 25 Minuten längere, gehaltvollere Special Edition, die den Film nicht nur eine Laufzeit von 2 ½ Stunden beschwert, sondern vor allem tiefer in Ripleys Motivationen eingeht. Das man erfährt, wie die Aliens in die Station gelangt sind und den Kontrast zwischen wuseligen Geschäftigkeit und den ausgestorbenen Korridoren zu Gesicht bekommt, ist eine Sache, aber dass es Cameron gelingt, Ripleys Charakter mit wenigen Szenen so effektiv auszubauen, ist hervorragend. So erscheint auch ihr Bemühen um das kleine Mädchen Newt (Carrie Henn, die nach Aliens nie wieder in einem Film erscheinen sollte und laut IMDB heute als Lehrerin arbeitet) in ganz neuem, noch nachvollziehbarerem Licht. In der Kinoversion hat es einen Touch á la „Ripley als Frau und Zivilistin kümmert sich halt um das verlorene Mädchen“, in der Special Edition erhält die aufopferungsvolle Beziehung durch die Tragik im Hintergrund eine andere Konnotation. Zudem wird ihre Motivation, sich überhaupt noch einmal mit den Aliens auseinanderzusetzen durch einen Cocktail aus Rachegelüsten, Konfrontationstherapie und schnöden wirtschaftlichen Absichten (Ripley bekommt ihren alten Job nur zurück, wenn sie die Mission als Beraterin begleitet) nachvollziehbar erklärt. Weitere kleine Charaktermomente vervollständigen auch das Bild der anderen Figuren und es wird auf eine sich entwickelnde Beziehung zwischen Ripley und dem Marine Hicks (Michael Biehn) hingearbeitet, ohne dass zu sehr mit dem Holzhammer geschwungen wird.

Überhaupt hat Cameron glücklicherweise das Stärkste Element des ersten Teils übernommen: die Charakterzeichnung. Alien funktionierte so kongenial, weil uns als Zuschauern die Personen nicht egal waren. Aliens gelingt nicht nur dies, er schafft es auch, einem Heer von Marines Persönlichkeiten zu geben. Oft sind Mitglieder des Militärs nur als austauschbares Kanonenfutter gezeichnet, hier sehen wir jeden Mensch in Uniform vor seinem oder ihrem Tod mehrfach und erfahren auch noch das ein oder andere über sie oder ihn. Wieder gilt: charakterisiere deine Figuren mit zwar archetypischen, aber eleganten Zügen, baue ihre Beziehungen aus und die für Filme dieser Art so wichtige, aber zu oft vernachlässigte emotionale Anteilnahme stellt sich von selbst ein.

Nachdem er die Bühne mit sympathischen, ebenso raubeinigen Genossen wie in Alien bevölkert hat, kann Cameron alles daran setzen, eben jene Bühne dem Erdboden gleich zu machen. Selten war die Analogie „Achterbahnfahrt“ so zutreffend wie in diesem Fall, inszeniert Cameron Aliens doch als ruhelose, furiose Jagd. Es gibt genug Momente zum kurzen Durchatmen, die clever für Charaktermomente genutzt werden, aber im Großen und Ganzen ist der Film nach der Ankunft auf LV-426 eine einzige souverän gehandhabte Actionsequenz, die bis zum Schluss ihre Spannung halten kann. Unterstützt von grandiosen Spezialeffekten ist der Film zudem ein Fest für die Augen, auch wenn der Einfluss von H.R. Gigers Design deutlich zurückgefahren wurde. Dafür leidet das Gespür für Atmosphäre durch die unterschiedliche Herangehensweise nicht. Beide Filme machen guten Gebrauch von ihren verwinkelten Sets.

Auch auf anderen Ebenen baut Cameron die Welt von Alien konsequent und vor allem sinnvoll aus. Wir erfahren sehr viel mehr über das Leben und die Sozialstruktur der Aliens, ohne dass diese dadurch weniger bedrohlich werden. Im Gegenteil, dadurch, dass Cameron ihnen ein gewisses Maß an Intelligenz zugesteht wird die Bedrohung eher noch größer. Auch wird die Frage beantwortet, woher die Eier kommen, aus denen die Facehugger schlüpfen (das Bild eines Facehuggers, der über den Boden eines Labors auf Ripley zuläuft ist eins der gruseligsten Bilder, die der Film zu bieten hat) und das Ende mit seiner Konfrontation zweier Mütter ist für eine Vielzahl von Deutungen offen. Darüber hinaus gibt es weitere Beweise für die Menschenverachtung der Weyland-Yutani-Gruppe, Ripleys Arbeitgeber. Und auch ein Android namens Bishop (Lance Henriksen) tritt auf den Plan, was bei Ripley und dem Zuschauer nach den Erfahrungen aus Alien kein gutes Gefühl hinterlässt. Henriksen portraitiert Bishop als undurchschaubaren Charakter, der sich so ins Gedächtnis einprägt. Ist dieser Android vertrauenswürdig?

Aliens ist ein atemloser Trip ins „Herz der Finsternis“ (inklusiver einer entsprechenden visuellen Inszenierung, vor allem zum Finale), einer der besten Actionfilme aller Zeiten. Cameron sollte sein Gespür für diese Art Filme auch später noch unter Beweis stellen (The Abyss – Abgrund des Todes, Terminator 2 – Tag der Abrechnung und True Lies – Wahre Lügen). Hiermit inszenierte er auf jeden Fall einen ähnlich zeitlosen Film wie Scotts Vorlage, wenn auch unter anderen Vorsätzen. Dass das Unterfangen trotz des Schwenks kein Desaster wurde ist an sich bereits bemerkenswert. Dass es so gut wurde wie Aliens – Die Rückkehr ist es umso mehr.



Dienstag, 14. Mai 2013

Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (1979)




ALIEN – DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT
(Alien)
Großbritannien/USA 1979
Dt. Erstaufführung: 25.10.1979
Regie: Ridley Scott

Anno 2013 ein Review zu einem der großen Klassiker der Filmgeschichte zu schreiben ist schon allein deshalb schwierig, weil die gängigen Beschreibungsattribute bereits hinlänglich bekannt sind. Es liegt wenig Neues darin, Alien (den monströsen deutschen Untertitel lasse ich aus Platzgründen mal weg) zum x-ten Mal als „Geisterschloss im Weltall“ (haunted house in space) zu beschreiben. Das Problem ist sicherlich, dass der Film so immens populär ist, dass man zwangsläufig andere Rezensenten wiederholt, wenn auch unbewusst und ohne böse Absicht. Was tun? Vielleicht als erstes die Frage beantworten, ob der Film aus der Sicht eines Mitte der 1980er Jahre geborenen Menschen, der diesen Film zum ersten Mal im Alter von 15 sah, hält, was er verspricht: eine tour-de-force von einem Science-Fiction/Horror-Hybriden zu sein. Die Antwort ist einfach und klar: Ja. Alien ist und bleibt ein verdienter Klassiker, ein nie langweilig werdendes Filmjuwel, das jeden – wirklich jeden – seiner zahllosen Nachahmer in die Schranken weist.

Der Raumfrachter Nostromo ist auf dem Rückweg zur Erde, als die Crew vom Schiffscomputer aus ihrem Kälteschlaf geholt wird. Ein unbekanntes Signal hat das Raumschiff erreicht und der Kurs wurde automatisch in Richtung der Quelle korrigiert. Schließlich muss jedem potenziell außerirdischen Signal nachgegangen werden, so wollen es die Vorschriften. So landet die Crew auf einem kleinen, einsamen, lebensfeindlichen Planetoiden, auf dem Kapitän Dallas (Tom Skerritt), Kane (John Hurt) und Lambert (Veronica Cartwright) ein gestrandetes Raumschiff nicht-menschlichen Ursprungs entdecken, in dessen Innern hunderte ledriger Eier lagern. Bei der Untersuchung des sensationellen Funds wird Kane von einer fremden Lebensform angefallen, die sich um sein Gesicht schlingt. Zurück auf dem Schiff findet sich keine Möglichkeit, den Organismus zu entfernen, ohne Kane zu gefährden, zumal der „Gast“ statt Blut Säure durch seine Adern pumpt. Nach einiger Zeit fällt das Wesen allerdings tot von Kanes Gesicht ab, dem es danach wieder gutzugehen scheint. Bei einem letzten Essen vor der Rückkehr in den Kälteschlaf bricht allerdings ein Alien aus Kanes Brust hervor, dass sich danach sofort in den Eingeweiden des riesigen Schiffes versteckt. Die Besatzung macht sich daran, es aufzuspüren und zu beseitigen, doch das Monster wächst nicht nur schnell, seine Bösartigkeit ist zudem kaum zu beschreiben. Für den zweiten Offizier Ripley (Sigourney Weaver) und die anderen beginnt ein Überlebenskampf.

Die Grundidee von Alien ist alles andere als neu. Periodisch kommen auch Vorwürfe auf, der Film sei im Grunde nichts Weiteres als ein Remake des 1950er-Jahre-Trashfilms It! The Terror From Beyond Space. Dies mag auf die grundsätzliche Prämisse (Raumfahrer werden von einem außerirdischen Wesen auf ihrem Schiff nach und nach dezimiert) sogar zutreffen, aber Ridley Scott holt mit der Hilfe des schweizerischen Designers H.R. Giger erstaunlich viel aus ihr heraus und überholt It! locker. Denn Alien ist ein Musterbeispiel für Atmosphäre, stimmige Charaktere und Effekte, die es in jedem Frame mit den computergenerierten Bildern des neueren Kinos aufnehmen können. Wenn die Nostromo vorbeischwebt ist es nicht zuletzt dem überragenden Modellbau zu verdanken, dass man die Präsenz förmlich spürt (wer anlässlich des Director’s Cut von 2003 die Möglichkeit hatte, den Film im Kino zu erleben, wird dies noch besser verstehen). Ebenso hervorragend ist das Innendesign des Raumschiffes, auf dem schmutzige Zweckmäßigkeit regiert. Scott bewegt sich stets tastend durch die Gänge, als wüsste er selbst nicht, wann und wo die Kreatur zuschlagen könnte. Selbst zu Beginn, als vom Alien noch meilenweit nichts zu sehen ist, generiert er so eine unheilvolle, ungemein dichte Atmosphäre und hält sie auch noch über die gesamte Spielzeit. Selbst in Sequenzen, die nicht primär dem Spannungsaufbau dienen, schwebt über allem das Gefühl einer diffusen (später natürlich auch konkreten) Bedrohung. Scott liebt seine Sets und er hat jedes Recht dazu, spielt das Design in Alien doch eine ebenso wichtige Rolle wie die Schauspieler. Die Nostromo ist im Grunde ein eigenständiger Charakter, denn ohne ihre verschlungenen, klaustrophobischen Gänge könnte der Film nicht seine volle Wirkung entfalten.

Besonders interessant, gerade im Hinblick auf so viele moderne Horrorfilme, ist Scotts Mut zur Exposition. Alien beginnt nicht mit einem opening kill, de facto wird er viele ungeduldige, nur auf blutige Effekte erpichte Zuschauer bis zum Tode Kanes wohl verlieren, es sei denn, sie sind willig, eine Horrorgeschichte anzunehmen, die sich Zeit nimmt, das Wie und Warum eben jenes Horrors zu erklären und die Charaktere nicht als billiges Kanonenfutter zu verheizen. Es ist gerade diese Elemente, die Alien, auch im Vergleich zum jüngsten Prequel, Prometheus – Dunkle Zeichen, so stark machen: Nichts ist Scott egal und somit auch uns als Zuschauer. Wir wollen nicht, dass all die hemdsärmeligen, schroffen Trucker im Weltall, die doch nur ihre Arbeit machen, umkommen und dennoch müssen wir hilflos ihrem Kampf zusehen. Scott versteht es, mit wenigen Gesten und Sätzen präzise zu sein, zumindest für einen Horrorfilm. Das menschliche Element ist nicht austauschbar.

Alien ist ein Triumph sowohl des Science-fiction als auch des Horrorkinos. Die Genres werden kongenial gemischt, das SF-Element hat einen gewissen Realismus an sich und unterscheidet sich deutlich von den eher an Fantasy erinnernden Welten eines George Lucas. Raumfahrt ist hier ein Geschäft wie jedes andere und der Film schafft es überzeugend, diesen Umstand zu illustrieren. Und die Horrorelemente sind äußerst effektiv, wobei nicht nur der Ausbruch des Aliens aus John Hurts Brustkasten gemeint ist. Dabei geht es gar nicht um die Inszenierung von Blutrünstigkeiten, im Gegenteil: im Vergleich mit anderen Produktionen des Genres und auch mit seinen eigenen Fortsetzungen ist Alien geradezu zahm. Es ist das, was wir nicht sehen, die Überraschungen, die plötzlich ertönenden Geräusche, die uns ängstigen.

Oft nagt der Zahn der Zeit gerade an SF- und Horrorfilmen doch gewaltig. Bei ersteren, weil die Gegenwart die dargestellte Zukunft überholt, bei letzteren, weil das, was gruselig gemeint war, auf ein neues Publikum nicht mehr so wirkt. Beides trifft auf Alien nicht zu. Mit Ausnahme von Sigourney Weavers Haaren wirkt nichts im Bild aus der Zeit gefallen, die Zukunft der Weltraum-Malocher wirkt heute noch genauso plausibel wie 1979. Und die Schockeffekte haben sich auch als zeitlos erwiesen, weil die Ängste des Publikums sich nicht grundlegend ändern.
So bleibt Alien einer der besten Filme aller Zeiten, auch wenn dieses Statement vielleicht zu inflationär gebraucht wird. Ausgestattet mit viel Talent vor und hinter der Kamera, einem reichen Subtext (über die Deutung des Films als Allegorie auf die dunkle Seite der Sexualität will ich gar nicht erst anfangen – eine Rahmensprengung wäre vorprogrammiert) und einer zeitlosen Inszenierung ist Ridley Scotts zweite Spielfilmarbeit sein magnum opus - bis heute.



Montag, 13. Mai 2013

Der Gott des Gemetzels (2011)




DER GOTT DES GEMETZELS
(Carnage)
Frankreich/Deutschland/Polen/Spanien 2011
Dt. Erstaufführung: 24.11.2011
Regie: Roman Polanski

Zachary hat Ethan mit einem Stock ins Gesicht geschlagen. Dieser Umstand kann von den Eltern natürlich nicht toleriert werden, schließlich zeugt es doch von einem geradezu unzivilisierten Zustand. Ethans Eltern Penelope (Jodie Foster) und Michael (John C. Reilly) wollen die Sache dementsprechend kultiviert behandeln und laden Zacharys Eltern Nancy (Kate Winslet) und Alan (Christoph Waltz) zu sich nach Hause ein. Im Laufe der Diskussion, die zunächst den vor allem von Penelope erhofften zivilisierten Gang nimmt, tun sich allerdings immer größere Gräben auf und aus den höflichen Diskutanten werden ausfallende, eifersüchtige, missgünstige und alkoholisierte Monster.

Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza inszenierte Roman Polanski einen Film, der seine Herkunft in keiner Sekunde verleugnet. Der Gott des Gemetzels ist auch abgefilmt Theater und macht die Unterschiede zwischen den beiden Kunstformen deutlich. Polanski hat kein Interesse daran, die Inszenierung den Gegebenheiten abzupassen, was dazu führt, dass dieser eigentlich in der Realität verankerte Film dem Zuschauer sehr viel suspension of disbelief abverlangt, ihn also dazu anhält, Dinge so hinzunehmen, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Nancy und Alan sind mehr als einmal fast aus der Wohnung verschwunden, nur um argumentativ wieder in Penelopes und Michaels Apartment kommandiert zu werden. Es ist interessant, dass man im filmischen Kontext Raumschiffe und ähnliches mitunter besser akzeptieren kann als das die vier Protagonisten wirklich 75 Minuten miteinander verbringen würden. Das Artifizielle, das der Geschichte innewohnt, tritt im Film überdeutlich zu Tage. In letzter Konsequenz ist Der Gott des Gemetzels im Theater besser aufgehoben als im Kino.

Die Prämisse steht und fällt mit ihren Schauspielern und hier kann man auch dem Film vier Pluspunkte anrechnen. Foster, Reilly, Waltz und Winslet – sie alle haben ganz offensichtlich viel Spaß an ihren Rollen, auch wenn Foster und Reilly ihren Dialogen insgesamt mehr Leben einhauchen können als Winslet und Waltz. Interessant sind auch die fast im Minutentakt wechselnden Allianzen, die sich unter den Figuren entwickeln und auflösen. Mal verbrüdern sich Michael und Alan, mal Penelope und Nancy, mal die Ehepartner untereinander, mal diametral entgegengesetzt.  Der Gott des Gemetzels ist dann am besten, wenn er den Zuschauer im Unklaren lässt, was als nächstes passiert. Gegen Ende verliert dies trotz der geringen Lauflänge deutlich Dampf, insgesamt kann der Film aber ein gewisses Interesse wachhalten.  

Der Gott des Gemetzels ist weit davon entfernt, ein guter Film zu sein – zu konstruiert, manchmal zu forciert ist er in seinen Grotesken, zu wenig nutzt der sein Medium aus. Was bleibt sind die gut aufgelegten Darstellern, die oftmals geschliffenen Dialoge und die Erkenntnis, nach Rezas Stück im Theater die Augen offen halten zu sollen.