RUBY SPARKS – MEINE FABELHAFTE
FREUNDIN
(Ruby Sparks)
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 29.11.2012
Regie: Jonathan Dayton & Valerie Faris
Machen wir uns nichts vor: die meisten Filme, die unter das
Label „romantische Komödie“ fallen, sind dramaturgisches Junk Food. Wir wissen
so gut wie immer, wie es ausgeht, der unbedingte Wille, auf der sicheren Seite
zu bleiben und das Publikum ja nicht zu fordern, ist deprimierend. Nun kann man
einwenden, dass auch Ruby Sparks im
Endeffekt die Statuten der romantischen Komödie bekräftigt: es muss immer gut
ausgehen. Aber der Weg, der bis zum Lichtstreif am Horizont genommen wird, ist
steinig, unvorhersehbar und manchmal regelrecht bösartig. Ruby Sparks ist die Erwachsenen-Version der gängigen romantic comedy.
Calvin Weir-Fields ist ein gefeierter Autor – zumindest war
er es mal. Sein Erstlingswerk, noch als Teenager vor zehn Jahren veröffentlicht,
war eine literarische Sensation, seitdem warten seine Fans und Agenten geduldig
auf den nächsten großen Wurf. Doch Calvin hat eine Schreibblockade und sitzt
neurotisch mit seinem nicht minder neurotischen Hund daheim. Sein einziger
Sozialkontakt ist sein Bruder Harry (Chris Messina), sein Liebesleben ist nach
der Trennung von seiner Freundin auf Eis gelegt. Doch dann hat er einen Traum,
in dem er eine ungewöhnliche Frau triff, die ihn fordert. Kaum erwacht, setzt
sich Calvin an seine herrlich antiquierte Schreibmaschine und beginnt zu
tippen. Seine Traumfrau, Ruby Sparks genannt, gewinnt immer mehr an Kontur und
Calvin fängt an, sich in sein eigenes Phantasieprodukt zu verlieben. Und dann
steht Ruby (Zoe Kazan) eines Tages plötzlich in seiner Küche – als Person aus
Fleisch und Blut…
Calvin hat Kontrolle über Ruby, die sich so manifestiert,
wie er es will. Schreibt er ihr zu, dass sie französisch sprechen kann, kann
sie es, möchte er, dass sie ihn begehrt, tut sie es. Hier beginnt etwas Unheilvolles
im Hintergrund zu schwelen, was der Film auch klugerweise nicht ignoriert.
Jeder wollte schon einmal Eigenschaften an anderen Menschen ändern, auch in
Liebesbeziehungen. Es müssen keine großen Sachen sein, aber Ruby Sparks zeigt sehr deutlich, dass
selbst kleine Veränderungen große Auswirkungen haben können. Als Ruby beginnt,
ein Eigenleben zu entwickeln, dass Calvin nicht gefällt, haut er wütend „Ruby
fühlte sich miserabel ohne Calvin“ in die Tasten. Dies führt dazu, dass sie
sich an ihn klammert, ihn nicht mal mehr zur Toilette gehen lassen will und in
Tränen ausbricht, weil sie ihn vermisst – obwohl er direkt neben ihr sitzt. Ruby Sparks ist eine pointierte
Beobachtung von Paarbeziehungsdynamik, die durch die Prämisse natürlich
überspitzt wird, aber dennoch wahr ist. Interessanterweise inszeniert der Film
Calvin auch nur anfangs als Sympathen. Seien neurotischen Neigungen treten im
Lauf des Films immer mehr zutage, bei einem Besuch bei seiner Mutter spürt man,
dass er auch sie gern umschreiben würde, weil er ihre Beziehung nach dem Tod
des Vaters zu einem neuen Mann missbilligt. Calvin will die Welt so gestalten,
wie sie ihm gefällt und dass er Macht über Ruby hat, führt schließlich zu einer
Sequenz, die sich keine 08/15-Rom-Com der Welt leisten würde. Zuviel sollte
nicht verraten werden, nur so viel: sie hat das Potenzial, ob ihrer Grausamkeit
Tränen in die Augen des Publikums zu treiben. Ruby Sparks hat das Charisma, auch die dunklen Aspekte seiner
Grundidee zu erkunden und nicht alles der Komödie anheimfallen zu lassen.
Neben dem zwischenmenschlichen Aspekt, der natürlich viel
von Pygmalion hat, ist der Film auch
ein augenzwinkernder Kommentar zur Macht der Medien. J.K. Rowling weinte,
nachdem sie eine beliebte Figur in Harry
Potter hat sterben lassen und das Internet ist voll mit Fans von fiktiven
Charakteren, für die die subjektive Realität dieser Kreationen nicht zur
Debatte steht. Spider-Man ist demnach genauso real wie Angela Merkel und dass
sich ein Schöpfer in seine Schöpfung verliebt ist wahrscheinlich ein gängigeres
Phänomen als gemeinhin angenommen. So ist Calvin auch als Stand-In für all die
wütenden Fans zu lesen, die protestieren, wenn ihre Lieblingsfigur einen Weg
einschlägt, den sie persönlich missbilligen. Doch manche Entwicklungen lassen
sich nicht stoppen und es gehört auch dazu, sie zu akzeptieren. Nicht umsonst
ist Calvin gefeiert für einen Roman, den er als Teenager zur Papier brachte –
die Entwicklung hin zu einem auch mental und beziehungstechnisch erwachseneren
Menschen dauert mitunter lang.
Ruby Sparks ist
ein gelungener, effektiver Film, der auf mehreren Ebenen funktioniert. Hat auch
er seinen wohldosierten Anteil an Schmalz? Ja. Wird der Film dadurch schlecht?
Nein. Liegt es an dem intelligenten Drehbuch und der frischen Inszenierung? Auf
jeden Fall. Ruby ist nicht nur eine fabelhafte Freundin, der nach ihr benannte
Film ist auch ein fabelhaftes Erlebnis.
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