Freitag, 3. Mai 2013

Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin (2012)




RUBY SPARKS – MEINE FABELHAFTE FREUNDIN
(Ruby Sparks)
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 29.11.2012
Regie: Jonathan Dayton & Valerie Faris

Machen wir uns nichts vor: die meisten Filme, die unter das Label „romantische Komödie“ fallen, sind dramaturgisches Junk Food. Wir wissen so gut wie immer, wie es ausgeht, der unbedingte Wille, auf der sicheren Seite zu bleiben und das Publikum ja nicht zu fordern, ist deprimierend. Nun kann man einwenden, dass auch Ruby Sparks im Endeffekt die Statuten der romantischen Komödie bekräftigt: es muss immer gut ausgehen. Aber der Weg, der bis zum Lichtstreif am Horizont genommen wird, ist steinig, unvorhersehbar und manchmal regelrecht bösartig. Ruby Sparks ist die Erwachsenen-Version der gängigen romantic comedy.

Calvin Weir-Fields ist ein gefeierter Autor – zumindest war er es mal. Sein Erstlingswerk, noch als Teenager vor zehn Jahren veröffentlicht, war eine literarische Sensation, seitdem warten seine Fans und Agenten geduldig auf den nächsten großen Wurf. Doch Calvin hat eine Schreibblockade und sitzt neurotisch mit seinem nicht minder neurotischen Hund daheim. Sein einziger Sozialkontakt ist sein Bruder Harry (Chris Messina), sein Liebesleben ist nach der Trennung von seiner Freundin auf Eis gelegt. Doch dann hat er einen Traum, in dem er eine ungewöhnliche Frau triff, die ihn fordert. Kaum erwacht, setzt sich Calvin an seine herrlich antiquierte Schreibmaschine und beginnt zu tippen. Seine Traumfrau, Ruby Sparks genannt, gewinnt immer mehr an Kontur und Calvin fängt an, sich in sein eigenes Phantasieprodukt zu verlieben. Und dann steht Ruby (Zoe Kazan) eines Tages plötzlich in seiner Küche – als Person aus Fleisch und Blut…

Calvin hat Kontrolle über Ruby, die sich so manifestiert, wie er es will. Schreibt er ihr zu, dass sie französisch sprechen kann, kann sie es, möchte er, dass sie ihn begehrt, tut sie es. Hier beginnt etwas Unheilvolles im Hintergrund zu schwelen, was der Film auch klugerweise nicht ignoriert. Jeder wollte schon einmal Eigenschaften an anderen Menschen ändern, auch in Liebesbeziehungen. Es müssen keine großen Sachen sein, aber Ruby Sparks zeigt sehr deutlich, dass selbst kleine Veränderungen große Auswirkungen haben können. Als Ruby beginnt, ein Eigenleben zu entwickeln, dass Calvin nicht gefällt, haut er wütend „Ruby fühlte sich miserabel ohne Calvin“ in die Tasten. Dies führt dazu, dass sie sich an ihn klammert, ihn nicht mal mehr zur Toilette gehen lassen will und in Tränen ausbricht, weil sie ihn vermisst – obwohl er direkt neben ihr sitzt. Ruby Sparks ist eine pointierte Beobachtung von Paarbeziehungsdynamik, die durch die Prämisse natürlich überspitzt wird, aber dennoch wahr ist. Interessanterweise inszeniert der Film Calvin auch nur anfangs als Sympathen. Seien neurotischen Neigungen treten im Lauf des Films immer mehr zutage, bei einem Besuch bei seiner Mutter spürt man, dass er auch sie gern umschreiben würde, weil er ihre Beziehung nach dem Tod des Vaters zu einem neuen Mann missbilligt. Calvin will die Welt so gestalten, wie sie ihm gefällt und dass er Macht über Ruby hat, führt schließlich zu einer Sequenz, die sich keine 08/15-Rom-Com der Welt leisten würde. Zuviel sollte nicht verraten werden, nur so viel: sie hat das Potenzial, ob ihrer Grausamkeit Tränen in die Augen des Publikums zu treiben. Ruby Sparks hat das Charisma, auch die dunklen Aspekte seiner Grundidee zu erkunden und nicht alles der Komödie anheimfallen zu lassen.

Neben dem zwischenmenschlichen Aspekt, der natürlich viel von Pygmalion hat, ist der Film auch ein augenzwinkernder Kommentar zur Macht der Medien. J.K. Rowling weinte, nachdem sie eine beliebte Figur in Harry Potter hat sterben lassen und das Internet ist voll mit Fans von fiktiven Charakteren, für die die subjektive Realität dieser Kreationen nicht zur Debatte steht. Spider-Man ist demnach genauso real wie Angela Merkel und dass sich ein Schöpfer in seine Schöpfung verliebt ist wahrscheinlich ein gängigeres Phänomen als gemeinhin angenommen. So ist Calvin auch als Stand-In für all die wütenden Fans zu lesen, die protestieren, wenn ihre Lieblingsfigur einen Weg einschlägt, den sie persönlich missbilligen. Doch manche Entwicklungen lassen sich nicht stoppen und es gehört auch dazu, sie zu akzeptieren. Nicht umsonst ist Calvin gefeiert für einen Roman, den er als Teenager zur Papier brachte – die Entwicklung hin zu einem auch mental und beziehungstechnisch erwachseneren Menschen dauert mitunter lang.

Ruby Sparks ist ein gelungener, effektiver Film, der auf mehreren Ebenen funktioniert. Hat auch er seinen wohldosierten Anteil an Schmalz? Ja. Wird der Film dadurch schlecht? Nein. Liegt es an dem intelligenten Drehbuch und der frischen Inszenierung? Auf jeden Fall. Ruby ist nicht nur eine fabelhafte Freundin, der nach ihr benannte Film ist auch ein fabelhaftes Erlebnis.




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