Donnerstag, 2. Mai 2013

Die vierte Art (2009)




DIE VIERTE ART
(The Fourth Kind)
USA/Großbritannien 2009
Dt. Erstaufführung: 15.04.2010 (DVD-Premiere)
Regie: Olatunde Osunsanmi

Entführungen durch Außerirdische. Egal, wie man zu diesem Konzept steht, ob man es wissenschaftlich-nüchtern als moderne Variante des Glaubens an Kobolde und Feen interpretiert und seinen Ursprung in den Tiefen der menschlichen Psyche sucht oder ob man wirklich daran glaubt, dass Millionen von Menschen des Nachts von einer außerirdischen Intelligenz aus ihren Betten gezerrt werden, eins muss man zugeben: Es ist eine verdammt potente Horrorgeschichte. Das hat auch Regisseur Olatunde Osunsanmi erkennt und macht aus der Prämisse einen teils erstaunlich effektiven Mysterythriller, dessen Verliebtheit in sein eigenes gestalterisches Konzept allerdings etwas weit geht.

Nome in Alaska: Die Psychiaterin Dr. Abigail Tyler (Milla Jovovich) übernimmt nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes dessen Patienten und erkennt diverse Übereinstimmungen: Sie werden gegen drei Uhr in der Nacht wach und eine Eule starrt sie an. Unter Hypnose wird aus der Eule etwas ganz anderes, etwas derartig bedrohliches, dass manche der Patienten nicht mit dem Druck umgehen können. Langsam aber sicher kommt Dr. Tyler zu dem Schluss, dass eine nicht-menschliche Intelligenz die Bürger von Nome des Nachts entführt und unaussprechliche Dinge mit ihnen anstellt.

Die vierte Art beruht auf reellen Ereignissen – zumindest möchte der Film dies dem Zuschauer mit allen Mitteln verkaufen. Es gibt angeblich echte Aufnahmen von psychiatrischen Sitzungen, Polizeiüberwachungen und Interviews, die von Jovovich und Co. „nachgestellt“ werden. Gezeigt wird dies meistens durch Split Screens, mitunter sechs an der Zahl. Zu Beginn stellt sich Jovovich vor und beteuert die Realität des gezeigten „echten“ Filmmaterials und am Ende wird man dazu aufgefordert, sich sein eigenes Urteil zu bilden. Dies dürfte deshalb schwierig werden, mal ganz abgesehen vom Fake-Charakter des ganzen Unterfangens, weil der Film die Interpretation dem Publikum diktiert. Das es Abigail und die Anderen mit Aliens zu tun haben, daran lässt Osunsanmi kaum Zweifel, ebenso wenig wie man nach Paranormal Activity Zweifel an der Existenz des Dämons haben konnte. An sich nicht verwerflich, aber der semi-dokumentarische Stil wird auf Dauer doch sehr penetrant und bremst Elemente wie eine involvierende Figurenentwicklung aus. Die vierte Art interessiert sich viel mehr für die Verpackung als für den Inhalt.

Dabei ist die Verpackung vom forcierten Realitätsanspruch abgesehen durchaus ansprechend. In den „Spielszenen“ weiß der Film den sonst oft störenden Monochrom-Filter á la Underworld gekonnt einzusetzen, Nome erscheint wirklich wie ein abgelegenes, einsames Dorf, das für unheimliche Vorkommnisse wie geschaffen ist, egal wie sehr sich das Film-Nome auch von seinem reellen Gegenstück unterscheiden mag. Außerdem macht der Film einen gelungenen Draußen/Drinne-Gegensatz auf. Während die Außenwelt kalt und düster wirkt, sind innerhäusliche Szenen warm gezeichnet, was das einfallende Grauen durchaus stimmig in Szene setzt. So kommt man auch schnell zum größten Pluspunkt des Films: die Weise, wie er die Aliens inszeniert. Man bekommt sie nie zu Gesicht, nicht einmal. Außer einigen Schatten, die mehr als Platzhalter dienen, bleiben die Wesen unsichtbar, nur ihre Stimmen sind auf Band zu vernehmen. Die vierte Art hätte es sich sehr leicht machen und aus den Außerirdischen eine physische Präsenz machen können. Wahrscheinlich wären wir dann unweigerlich bei einem Neuaufguss von Feuer am Himmel gelandet. Oder bei Die Besucher, jenen unfreiwillig komischen Christopher-Walken-Vehikel. Hier kann man dem Film aber eine stilsichere Hand attestieren, vor allem weil das Nicht-gezeigte bekanntermaßen immer erschreckender als ein konkretes Bild ist. So bietet Die vierte Art denn auch diverse Schockmomente und eine insgesamt recht unheimliche Atmosphäre.

Dank des von Osunsanmi gewählten Stils bleiben uns die Figuren verhältnismäßig fern und die mannigfaltigen Split Screens sind manchmal eher irritierend als involvierend, aber Die vierte Art bietet genug Spannung und Flair, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Nur an die Existenz von sogenannten alien abductions wird man auch nach dem Ende des Films nicht glauben. Und wenn Osunsanmi uns nicht so penetrant davon überzeugen wollte, hätte er also einen gradlinigen Horrorthriller gedreht anstatt einer Pseudo-Doku mit Spielszenen, Die vierte Art hätte noch stärker sein können.



 

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