Montag, 29. April 2013

Barbara (2012)





BARBARA
Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 08.03.2012
Regie: Christian Petzold

DDR, 1980er-Jahre: Nach gescheitertem Ausreiseantrag wird die Ärztin Barbara Wolf (Nina Hoss) von Berlin in ein Provinzkrankenhaus an der Ostseeküste versetzt. Die Republikflucht scheint gescheitert, doch Barbara plant mit ihrem West-Geliebten Jörg (Mark Waschke) das weitere Vorgehen. Die DDR soll für das Paar bald in weite Ferne rücken. Dementsprechend wenig interessiert sich die Ärztin zunächst für ihre Kollegen und Nachbarn. Doch die Einlieferung der jungen Patientin Stella (Jasna Fritzi Bauer) ändert alles: Barbara wird emotional involviert, ihr Kollege André (Ronald Zehrfeld), eigentlich von der Stasi auf sie angesetzt, deckt ihr Verhalten, da Stella eigentlich in die Obhut des Staates gehört. Dennoch rückt der Tag der geplanten Flucht über die See immer näher. Barbara muss sich entscheiden zwischen einem Leben im Westen oder im Osten des geteilten Deutschlands…

Christian Petzolds (Yella) gefeierter Film ist kein Film der großen Worte, mal ganz davon abgesehen dass viele Worte auch in der teils grauenhaften Soundmischung untergehen. Barbara ist ein präziser Film, der vom Zuschauer das Füllen einiger Leerstellen verlangt und ihn dafür mit einer involvierenden, oft geradezu traumwandlerisch sicheren Inszenierung belohnt. Alles in Petzolds Erzählung hat Sinn und Berechtigung, seine Schauspieler sind allesamt großartig und die Bilder von seinem Hauskameramann Hans Fromm sind schlicht phänomenal. Barbara ist ein ungemein pittoresker Film und man kann sich an der wunderschönen Fotografie, die so gar nicht zum gängigen filmischen Bild von Ostdeutschland passen will, kaum sattsehen.

Die Beziehung zwischen Barbara und André ist interessant. Beide Figuren sind vom DDR-Regime bestraft worden, beide werden zur Mitarbeit gezwungen. André soll Barbara überwachen, sie muss die immer wiederkehrenden, erniedrigenden Untersuchungen der Staatssicherheit über sich ergehen lassen. Im jeweils anderen finden sie einen Verbündeten, jemand, mit dem sie in sehr bescheidenen Rahmen die Verhältnisse etwas zum Besseren verändern könnten. Ist es Liebe? Beide finden unzweifelhaft Gefallen aneinander, jedoch eher nicht auf romantische Art. Petzold lässt es offen, wie sich ihre Beziehung weiterentwickelt, klugerweise verzichtet er auf große Liebesgesten, die dem Film sicherlich nicht gut getan hätten. Der Kuss zwischen ihnen ist denn auch eher Verwirrung und Unsicherheit als Zuneigung geschuldet. 

Barbara ist ein großer kleiner Film. Er macht nicht viel Auflebens um seine Geschichte und erreicht so ein Kleinod, einzelne Szenen werden dem geneigten Zuschauer sicherlich noch länger im Gedächtnis bleiben. Nicht, weil sie dem Überwältigungskino zuzuordnen sind, sondern weil Petzold seine Story beneidenswert stilsicher und ruhig in Szene setzt. Und natürlich wegen Nina Hoss, die eine einzigartige Präsenz besitzt und Barbara zu einer geschundenen und gleichsam entschlossenen wie zweifelnden Persönlichkeit macht. Dank solcher Darbietungen verzeiht man ihr auch post-kolonialen Müll wie Die weiße Massai
Ein hervorragender Film, in dem man sich schnell verlieren mag.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen