Donnerstag, 11. April 2013

So finster die Nacht (2008)



SO FINSTER DIE NACHT
(Låt den rätte komma in)
Schweden 2008
Dt. Erstaufführung: 23.12.2008
Regie: Tomas Alfredson

Muss man betonen, dass Buch und Film zwei doch sehr unterschiedliche Medien sind? Wohl kaum. Auch dass die Adaption eines Romans zu einem Drehbuch keine leichte Aufgabe ist, sollte hinlänglich bekannt sein. Doch wenn man den Autor der Vorlage mit der Adaption beauftragt, sollte man sich im Grunde auf der sicheren Seite wähnen. John Ajvide Lindqvist, der Autor des Romans So finster die Nacht, zeichnet sich nämlich auch für das Drehbuch der gleichnamigen schwedischen Verfilmung aus. Und ein kleines negatives Wunder ist passiert: Lindqvist beraubt seine eigene Geschichte ihrer stärksten Elemente und lässt Tomas Alfredson einen Film inszenieren, der sich wie ein hohles Echo der starken zugrunde liegenden Geschichte anfühlt.

Blackeberg, ein trister Teil von Stockholm, 1982: der 12jährige Oskar (Kåre Hedebrant) leidet unter der Scheidung seiner Eltern, sammelt mit morbider Faszination Zeitungsausschnitte über Morde und andere Gewalttaten in Schweden und wird in der Schule gemobbt. Eines Tages zieht ein gleichaltriges Mädchen mit einem schweigsamen Erwachsenen im Schlepptau in die Wohnung neben Oskar. Das Mädchen (Lina Leandersson) hört auf den Namen Eli und sie und Oskar entwickeln schnell eine fragile Freundschaft. Währenddessen ermordet Elis Kompanion (Per Ragnar) einen Menschen und führt einen Mordversuch durch, um an das Blut der Opfer zu gelangen. Denn Eli ist nicht das 12jährige Mädchen, für das man es halten könnte. Eigentlich ist sie nicht einmal ein Mensch…

Lindqvists Roman lebt von seinen beiden Hauptfiguren, deren innerer Zerrissenheit und der zarten Liebesgeschichte, die sich zwischen ihnen entwickelt. Das Drehbuch nun lässt genau diese Stärken weg, Lindqvist kastriert (kleiner Gag) seine eigene Geschichte. Vor allem Oskar trifft es besonders hart, auch weil man sich mit dem Casting von Kåre Hedebrant keinen Gefallen getan hat. Der Jungschauspieler vermag es nicht, eine emotional glaubwürdige Figur zu verkörpern, Oskar bleibt stets ein distanziertes Wesen und von der brodelnden Wut, die ihn ob der Schikane in der Schule umtreibt, ist nichts geblieben. Zwei Messerhiebe in einen Baum, mehr wird dem Film-Oskar nicht zugestanden, der sich im Buch seine Rache jugendtypisch in allen blutigen Details ausmalt. Hätte man diese Phantasien auf die Leinwand bringen sollen? Nein. Hätte man Oskar mehr von seinem gequälten, zerrissenen Charakter lassen sollen? Ja. Denn so bleibt die Figur auf oftmals geradezu schmerzhafte Art passiv, blass und wenig sympathisch.

Lina Leandersson ist immerhin eine bessere Besetzung als Eli, schafft sie doch eine mysteriöse Aura um sich und auch der Spagat zwischen kindlicher Verletzlichkeit und tödlichen Angriffen gelingt der Schauspielerin. Die Chemie zwischen Hedebrandt und Leandersson ist dagegen weniger erfolgreich, entwickelt sich ihre Freundschaft/Liebe doch nicht sukzessiv, sondern wird irgendwann schlicht vorausgesetzt. Ein paar mehr Szenen des gegenseitigen Kennenlernens hätten dem Ganzen gut getan.

Völlig außer Acht gelassen wird auch die Beziehung zwischen Eli und ihrem erwachsenen Begleiter, Håkan. Im Buch eindeutig sexuell aufgeladen, entledigt sich der Film jeglicher Implikation in diese Richtung und erzeugt auch hier ein emotionales Vakuum. Es ist erstaunlich, wie aus einer Geschichte, die so von ihren vielschichtigen Figurenbeziehungen lebte, ein solcher Film werden konnte. Umso erstaunlicher, dass manchmal dennoch emotionale Glanzleistungen zu bewundern sind. Die Beziehung zwischen Oskar und seinen geschiedenen Eltern ist durchaus treffend geschildert, vor allem eine fast ohne Worte auskommende Sequenz, in der Oskar und ein gerade begonnenes Brettspiel von seinem Vater zugunsten des Alkohols aufgeben werden, ist für sich genommen brillant. Oder ein kleiner Moment der stummen Verständigung und Geborgenheit zwischen Oskar und seiner Mutter beim gemeinsamen Zähneputzen. Hätte So finster die Nacht mehr von diesen effektiven Momenten gehabt, der Film hätte stärker werden können.

Also Versagen auf ganzer Linie? Nicht ganz. Handwerklich ist der Film beachtlich, die Bilder grandios und meistens sehr nah an der von Lindqvist erdachten Welt aus Schnee und aller Lebensfreude entledigten Farben. Auch dass sich der Film traut, Eli als Raubtier zu inszenieren, ein Kind also bösartigste Dinge tun zu lassen, verdient Respekt. In diesem Punkt ist der Film sehr konsequent. Zu konsequent, könnte man ob des blutigen Abschlussgemetzels einwerfen, aber alles andere hätte Elis Charakter zu sehr unterwandert. Und auch hier greift die ästhetische Inszenierung, die es schafft, Blut als einzigen Ausweg aus der Tristesse des Alltags darzustellen.

So finster die Nacht funktioniert durchaus auf einer intellektuellen Ebene, eher schlecht auf einer emotionalen, was Gift für die Geschichte ist. Die Elemente von Comig-of-Age-Drama und Vampirfilm zu verbinden ist an sich gesehen großartig und in der ernsthaften Intention löblich, aber die distanzierte Inszenierung von Alfredson verwechselt Ruhe und Langeweile und das Drehbuch kürzt an den falschen Stellen. Ein Film der verschenkten Möglichkeiten.



2 Kommentare:

  1. Komisch, dass der Film für dich gerade auf emotionaler Ebene nicht funktioniert. Mir fällt kein zweiter Film zu dem Thema ein, der in meinen Augen gerade das so gut hinbekommt. Ich finde im Übrigen auch, dass der Film gerade verglichen mit dem Buch die richtigen Kürzungen vornimmt. Komisch, komisch ;-)

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    1. Ist Subjektivität nicht was schönes? :-) Ich kann es mir selbst ja nicht restlos erklären, warum ich in das Buch so hineingezogen wurde und der Film mich relativ kalt gelassen hat. Mysterien, Mysterien.

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