17 MÄDCHEN
(17filles)
Frankreich 2011
Dt. Erstaufführung: 14.06.2012
Regie: Delphine Coulin & Muriel Coulin
17 Mädchen basiert
auf einem „Schwangerschaftspakt“ an einer US-amerikanischen High School – eine Meldung
für die Kategorie Buntes aus aller Welt,
schnell gelesen und ebenso schnell vergessen. Das Regie-Duo Coulin ließ die
Geschichte aber offensichtlich nicht so einfach los und mit ihrem Film, der die
Geschichte nach Frankreich verlegt, versuchen sie, die Beweggründe für solch
ein Verhalten zu dechiffrieren. Dies gelingt als Parabel, hinterlässt aber mit
den Verweisen auf die Realität einen schalen Beigeschmack.
Lorient, eine triste Stadt in der Bretagne: Camille (Louise
Grinberg) ist sechszehn Jahre alt und schwanger. Nach kurzer Überlegung
entschließt sie sich dazu, das Kind zu behalten. Dies löst eine Kettenreaktion
aus. Zunächst beschließen Camilles engere Freundinnen, ebenfalls schwanger zu
werden, dann zieht die Idee immer weitere Kreise, bis schließlich siebzehn Schwangerschaften
an der Schule zu verzeichnen sind. Die Mädchen schmieden Pläne von einer
gesellschaftlichen Utopie, wollen die Kinder in einer Art Kommune aufziehen,
errechnen anhand des Kindergeldsatzes ihre Chancen auf eine große, schöne
Wohnung. Doch jugendlicher Idealismus wird irgendwann mit der Realität
konfrontiert…
…aber das interessiert den Film nur peripher. 17 Mädchen ist eine unkonventionelle
Coming-of-Age-Geschichte mit all den wichtigen Elementen. Die Kinder wollen
nicht werden wie ihre Eltern und Erwachsene im Allgemeinen treten hauptsächlich
als überforderte, am Leben verzweifelnde Figuren auf. Dies führt zu einigen
humorvollen Glanzleistungen: Bei einem Dutzend Schwangerschaften ist die
Schulleitung so alarmiert, dass pädagogisch vorgegangen wird – man zeigt ein
Dokumentation über den Geburtsvorgang. Die „abschreckende“ Wirkung bleibt
natürlich aus, das hilflose Tun der Erwachsenen im Kontrast zum Opportunismus
der Mädchen ist ein gelungener, augenzwinkernder Gegensatz.
Es gibt viele Kontrastpaare in 17 Mädchen. Immer wiederkehrend ist nach einer leidenschaftlichen
Diskussion zwischen den Freundinnen die Zukunft der Babys betreffend der
Gegenschnitt zu einsam auf ihren Zimmern grübelnden Mädchen. Dass die Welt „dort
draußen“ nicht so funktioniert, wie sie sich alle es erträumen, dämmert allen,
allein aussprechen kann und will es niemand. Auch sorgen sich die angehenden
Mütter natürlich um ihren Nachwuchs, verhalten sich aber andererseits meistens
Teenager-üblich egoistisch und traktieren die ungeborenen Babys weiterhin mit
Alkohol und Zigaretten. Genau an diesen Stellen beginnt der Film im Subtext ein
unheilvolles Zweitleben, wenn die Schwangerschaft und die Verantwortung für ein
neues Leben zum reinen Selbstzweck werden.
Auf oberflächliche Wertungen verzichten die Regisseurinnen
Coulin zwar, vielmehr interessiert sie die Gruppendynamik und das
sich-unbesiegbar-fühlen des Lebensabschnitts Jugend, aber wenn am Ende gefühlte
fünfzehn Minuten an Extra-Footage fehlen, der Film einfach endet und plakativ etwas
wie „Girl-Power“ beschwört, dann ist das im Hinblick auf die (reelle) Zukunft
der Babys und ihrer Mütter doch etwas kurz gegriffen. Als Parabel auf eine
Gesellschaft, in der junge Frauen nur durch eine Schwangerschaft der Tristesse
des Alltags entgehen und gegen die Welt der Erwachsenen aufbegehren können,
funktioniert 17 Mädchen, die Mischung
aus Drama und leiser Komödie ist wirkungsvoll und die schauspielerischen
Leistungen sind durchweg glaubhaft. Problematisch wird es dadurch, dass der
Film das teilweise katastrophale Verhalten der Mädchen zeigt, es aber ihm
letztlich keine Konsequenzen folgen lässt: wie gesagt, der Film hört einfach
auf. Man erfährt, dass die Kinder geboren werden, dass Utopien zerplatzen, aber
all dies im Schnelldurchlauf. Die finale Aussage „Niemand kann ein 17-jähriges
Mädchen aufhalten, dass träumt“ kann zwar auch bitter-süß gelesen werden, aber
gerade an dieser entscheidenden Stelle macht es sich der ansonsten
empfehlenswerte Film zu leicht. Teenagerschwangerschaften sind nicht das
leichteste aller Themen und sie rein als teenage
empowerment zu begreifen hinterlässt ein fades Gefühl.
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