Montag, 29. April 2013

Die Hüter des Lichts (2012)




DIE HÜTER DES LICHTS
(Rise of the Guardians)
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 29.11.2012
Regie: Peter Ramsey

Animation, jene Kunstform, die im Grunde wirklich alles auf die Leinwand bringen kann, was sich Menschen zu erträumen im Stande sind, hat einen schweren Stand. Nicht, dass die so produzierten Filme kein Geld einspielen, im Gegenteil. Es geht vielmehr um künstlerische Anerkennung über die Fanbase hinaus. Ähnlich wie Comics im Literaturbetrieb werden Animationsfilme im Kino immer noch fast immer mit dem Zusatz „für Kinder“ verknüpft, egal wie reich an Themen, Interpretationen oder schlichtem Unterhaltungswert sie auch sein mögen. Und das ein sich explizit an Erwachsene richtender Film wie #9 mit gerade mal drei Kopien in ganz Deutschland startet, trägt nur weiter zum oftmals deprimierenden Bild bei. Die Hüter des Lichts startete mit mehr Kopien und trotz der teilweise furchtbaren Vorschauen ist dies eine der angenehmen Überraschungen, für die Animationsfilme jenseits von Disney in der letzten Zeit zunehmend gut sind.

Die Welt und mit ihr die Unschuld der Kinder aller Kontinente ist in Gefahr: Pitch Black, der „schwarze Mann“ (Boogeyman) fordert sein Recht ein, von allen gefürchtet und als Entität ernst genommen zu werden – wie einst im Mittelalter. Dies wollen die Hüter des Lichts verhindern, denn schließlich sind sie dazu da, die Kinder der Erde zu beschützen. Zu dem illustren Team gehören ein mit Schwertern hantierender, tätowierter, russischer Weihnachtsmann, ein australischer Osterhase, eine hyperaktive Zahnfee und ein stummer Sandmann. Aber die Bedrohung durch Pitch ist so groß, dass der Mann im Mond einen neuen Hüter auswählt: den jungen Jack Frost, dessen Vergangenheit ein großes Rätsel ist und der zunächst gar keine Ambitionen verspürt, dem Team der Mythengestalten beizutreten…

Die Hüter des Lichts gelingt eine stimmige Neuinterpretation der bekannten Gestalten, die gleichermaßen wild, frisch und altmodisch daherkommt. Und letzteres auch nur, weil der Film sich einen kindlich-naiven, aber nicht uneffektiven Sinn für Emotionalität bewahrt. Regisseur Peter Ramsey sieht keinen Sinn darin, den Film mit popkulturellen Verweisen zu pflastern und wenn er an einfachste Glücksgefühle appellieren will, dann tut er das ohne Rücksicht auf möglicherweise zynische Kommentare. Wie seine Figuren will der Film eine Aura der Unschuld bewahren, die vielleicht erst wirklich durch den retrospektiven Blick des Erwachsenen entsteht, aber dadurch ja nicht weniger wert ist. Gerade in einer Welt der (gefühlten) Bedrohungen ist Die Hüter des Lichts eine willkommene Sehnsuchtsfantasie.

So behandelt der Film seine Charaktere auch nicht wie austauschbare Actionhelden sondern gibt ihnen nachvollziehbare Gefühle mit auf den Weg. Jack Frost bekommt eine gewisse tragische Bandbreite, ebenso wie – erstaunlich – Pitch, der nicht grundlos böse ist und durchaus kluge Frage zum Gleichgewicht der Kräfte aufwirft. Würde der Film nicht auch auf ein Publikum ab sechs Jahren schielen (auch wenn zehn sicherlich die bessere Altersuntergrenze für den stellenweise düsteren Film wäre), hätte man auch auf das Drag Me To Hell-Ende verzichten können, dass durch die Personalisierung der Angst zwar auf der einen Seite nötig ist, auf der anderen Seite aber vorher durch die Relativierung der Furcht bereits obsolet gemacht wurde. Pitch hätte auch weiter existieren können, seiner Macht wurde er bereits beraubt.

Die anderen Protagonisten sind gleichberechtigt und der Schmerz, der sich auf dem Gesicht des Osterhasen abzeichnet, als die Kinder nicht mehr an ihn glauben, ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie wohltuend ernst der Film seinen emotionalen Kern nimmt. Ansonsten bewegt sich das Werk mit teils halsbrecherischen Tempo fort und hält den Takt auch über den ganzen Film. Es gibt keinen Moment, der den Film ausbremst und die ruhigen Sequenzen dienen der Charakterentwicklung und nicht als Ruhe-vor-dem-Sturm-Kunstgriff.

Der bereits mehrfach aufgekommene Vergleich von Die Hüter des Lichts und Marvel’s The Avengers ist nicht ganz zutreffend: Die Hüter des Lichts hält das Interesse über die ganze Lauflänge und ist weit weniger selbstverliebt. Weihnachtsmann gegen Captain America 1:0, sozusagen. Vielmehr ist diese DreamWorks-Produktion ein weiterer Beweis dafür, dass das Studio seine rebellisch-anstrengende Shrek-Zeit überwunden hat und auch Filme ohne Disney-Bashing inszenieren kann, die – und das ist wohl ihr größter Verdienst – emotionale Disney-Formeln aufgreifen und sie so frisch darbieten, dass sie nicht altbacken wirken. So war es bei Drachenzähmen leicht gemacht und Megamind und nun auch hier. Die Hüter des Lichts ist massiv unterhaltsam, liebevoll und rasant. Und den interessanten Subtext gibt es als Dreingabe.






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