Montag, 31. März 2014

Der große Muppet Krimi (1981)




DER GROßE MUPPET KRIMI
(The Great Muppet Caper)
USA 1981
Dt. Erstaufführung: 21.05.1994 (TV-Premiere)
Regie: Jim Henson

Der zweite Kinofilm mit den beliebten Puppen aus der Kreativschmiede des Jim Henson hat eine etwas kuriose Geschichte hinter sich. Nach allen Informationen, die verfügbar sind, wurde der Film irgendwann in den 1980er Jahren in Deutschland synchronisiert, kam aber nie ins Kino. Dem hiesigen Publikum wurde der Film augenscheinlich erstmals am 21.05.1994 bei einer TV-Ausstrahlung auf Pro 7 gezeigt (es ist durchaus möglich, dass der Autor dieser Zeilen damals auch vor der Mattscheibe saß). Warum diese sinnlose Verzögerung, waren (und sind) die Muppets doch auch in Deutschland populär, darüber kann man nur spekulieren, zumal man so in Deutschland die Filme asynchron vorgesetzt bekam, erfuhren doch sowohl Muppet Movie als auch der dritte Film, Die Muppets erobern Manhattan, eine Kinoauswertung in der BRD (die DDR verweigerte den anarchischen Puppen sozusagen die Einreise in die Kinos). Doch was auch immer die Beweggründe hinter dieser Entscheidung gewesen sein mochten, auf diese Weise kam man hierzulande 14 Jahre nicht in den Genuss eines der besten Beiträge zum Erbe Hensons. Nicht nur, dass es der einzige Muppet-Film bleiben sollte, bei dem Jim Henson selbst Regie führte, er ist auch eine Weiterentwicklung in Bezug auf Muppet Movie. Der große Muppet Krimi hat mehr Handlung und mehr Witz, dafür weniger Cameos. Aber wen stört das schon, wenn das Ergebnis so unterhaltsam ausfällt wie in diesem Fall? Zumal die Gaststars, die auftreten, wieder einmal ihr Bestes geben, um neben der bunten Puppenschar überhaupt eine Chance zu haben.

In dieser Geschichte sind Kermit und Fozzie nicht nur Zwillinge, sondern auch rasende Reporter im Dienste einer Zeitung, mit Gonzo als ihrem Fotograf im Schlepptau. Als sie ihre erste große Story gleich vermasseln, setzt sie ihr Herausgeber sofort wieder an die Luft. Doch das hindert die drei Freunde nicht, nach England zu reisen und dort auf eigene Faust die Hintergründe der verpassten Geschichte zu recherchieren: die Juwelen der Lady Holiday (Diana Rigg) wurden bei einem USA-Besuch ihrerseits gestohlen und Kermit und Co. wollen sie interviewen und vielleicht, so der ehrgeizige Plan, auch noch die Hintermänner des Raubs ausfindig machen und verhaften lassen. Die Schlagzeile auf Seite Eins wäre ihnen sicher. Als Unterkunft dient ihnen in London ein abgehalftertes Hotel mit allerlei anderen verqueren Bewohnern, die allesamt ganz Ohr sind, als Kermit sich in die Sekretärin von Lady Holiday, Miss Piggy, verliebt. Und damit nicht genug, denn der Bruder der Bestohlenen, Nicky Holiday (Charles Grodin), scheint ein falsches Spiel zu spielen, dass natürlich nur von den Muppets gestoppt werden kann…

Der große Muppet Krimi, der auch unter den Titeln Die große Muppet-Sause und Die große Muppet-Party bekannt ist, wurde von der US-Kritik vergleichsweise verhalten aufgenommen, unter den drei Muppet-Filmen aus der Ära Jim Hensons rangiert er auf dem letzten Platz was den Zensus angeht. Eine Erklärung hierfür zu finden ist genauso umständlich wie nach dem Grund für die Pro 7-Premiere zu fragen. Denn der zweite Muppet-Film ist ein Feuerwerk an Einfällen, Gags (die größtenteils auch nicht durch die Synchronisation unkenntlich gemacht wurden) und mit Happiness Hotel auch mit einem hervorragenden Song gesegnet. Einzig in einer langatmigen Tanznummer und einem überflüssigen Wasserballet geht ihm die Puste aus, ansonsten ist die Geschichte, eine Muppet-Version des gängigen Heist-Motivs, temporeich erzählt.

Selbst die übliche Sequel-Krankheit, den Vorgänger an Raffinessen, vor allem technischer Natur, überbieten zu wollen, wird hier zum Vorteil des Films umgemünzt. Natürlich kann man fragen, ob eine längere, verbesserte, mit noch mehr Protagonisten in Szene gesetzte Variante von Kermits Fahrradfahrt aus dem ersten Teil dramaturgisch absolut notwendig war, aber spätestens, wenn die Bande ein Abflussrohr hinaufklettert ist dies nicht nur ein technischer, sondern auch ein humoristischer Erfolg. Das gleiche gilt für den Showdown, der in aus der TV-Show bekannten Irrsinn endet. Es sind sehr viel mehr Puppen unterwegs als in Muppet Movie, aber nicht um die Machbarkeit zu demonstrieren, sondern um einen maximalen Effekt zu generieren. So erscheint auch die Metaebene, in der Kermit und die anderen dem Zuschauer immer wieder direkt anreden und die vierte Wand durchbrechen, in ihrer Weiterentwicklung nur konsequent. In Muppet Movie führte man das Drehbuch zur eigenen Geschichte mit sich, was natürlich auch ein interner Verweis auf den Plot war, hier sind die Muppets vollends angekommen in einer Welt des „make believe“. Immerhin schauen wir ständig sprechenden Tieren bei ihren Eskapaden zu.

Sogar die Beziehung zwischen Kermit und Miss Piggy funktioniert diesmal. Miss Piggy ist zwar immer noch der Emporkömmling, der nicht so recht zu den anderen Charakteren passen will, aber dies wirkt diesmal weniger aufgesetzt, zumal Kermit nun ehrlich involviert ist und Miss Piggys Annäherungsversuche nicht auf so plumpe Art ins Leere laufen. Die unglaublich expressiven Möglichkeiten der Puppen erlauben es Kermit sogar, Eifersucht im Angesicht des Piggy-Verehrers Nicky Holiday zu vermitteln. Man sorgt sich um dieses, wenn auch nur angedeutete, Liebesdreieck zwischen Frosch, Schwein und Mensch und fragt sich wieder einmal, in was für einem Universum Hensons Film eigentlich spielt, in dem man solche Gedanken überhaupt hegen kann, ohne in der Zwangsjacke zu landen. Erneut ist die Ausstrahlung der Figuren, die sich von ihrer Existenz als Puppen emanzipieren, bemerkenswert.

Der große Muppet Krimi ist ein äußerst humorvoller, äußerst unterhaltsamer Film, der sich mehr auf seine Geschichte konzentriert als dem Charakter einer Revuenummer zu verfallen. So hält man sich, wie erwähnt, bei den Cameos zurück und von denen, die auftauchen ist John Cleese sicherlich das Highlight, weil er es tatsächlich schafft, als steifer englischer Gentleman, der sich nichts daraus macht, dass ein Schwein die Regenrinne hinaufklettert, Kermit und Piggy die Schau zu stehlen. Die Muppets arbeiten sich so weniger an im Minutentakt auftauchenden Prominenten ab, sondern können sich mehr auf ihre eigentliche Stärke konzentrieren: dem Verbreiten von gepflegten Chaos. Der große Muppet Krimi ist ein Highlight des fusseligen Kinos.



Dienstag, 25. März 2014

König von Deutschland (2013)




KÖNIG VON DEUTSCHLAND
Deutschland 2013
Dt. Erstaufführung: 05.09.2013
Regie: David Dietl

Ein Schelm, wer bei dem Titel von David Dietls Film gleich an Rio Reiser denkt und seine satirische Allmachtsfantasie, die er musikalisch höchst unterhaltsam in die Welt hinaus sang. Satirisch ist auch Dietls Film und das zu einem so konsequenten Maße, dass man nicht umhin kann, als ein Kalkül dahinter zu wittern, wenn dem Film selbst inszenatorische Mittelmäßigkeit vorgeworfen wird. Bei genauerem Hinsehen wirkt vieles, was als Drehbuchschwäche ausgelegt werden könnte, wie ein wohlgefeilter Schachzug. Und selbst wenn man diesem Theoriegebäude nicht zustimmt, so ist König von Deutschland doch ein recht ansehnlicher Film geworden, der Vorwürfe zur behaupteten eigenen Durchschnittlichkeit subtil abprallen lässt. Es steckt mehr in Dietls Film, als es auf den ersten Blick scheint.

Thomas Müller (Olli Dittrich) ist der fleischgewordene deutsche Durchschnitt: er ist 1,78 m groß, wohnt mit Frau (Veronica Ferres) und Sohn (Jonas Nay) zur Miete, das kleine Häuschen auf der grünen Wiese ist aber schon in Planung. Er ist Fan des FC Bayern München, seine Lieblingsfarbe ist blau, er kann sich ein bisschen für Naturschutz und ein bisschen für die Verbesserung des Unterrichts an den Schulen erwärmen. Er träumt sowohl von Bierflaschen mit Schraubverschluss als auch der unerreichbar scheinenden Kollegin (Katrin Bauerfeind). Rein gar nichts an Thomas Müller ist bemerkenswert und genau das macht ihn für ein dubioses Marktforschungszentrum interessant: Nachdem er seinen Job verloren hat, wird er vom undurchsichtigen Stefan Schmidt (Wanja Mues) angeworben und dient fortan ohne seine Kenntnis als Barometer für das gesamte Land. Doch eines Tages kommt Thomas dem Ganzen auf die Schliche…

Optisch präsentiert sich König von Deutschland als durchschnittliches TV-Movie. Womöglich ganz so, wie es Millionen Deutsche jeden Sonntag beim Tatort lieben? Dann bewegt sich die Dramaturgie auch noch relativ vorhersehbar dahin, ganz so, wie es dem deutschen Film immer wieder vorgeworfen wird. An der Oberfläche ist König von Deutschland eine vertane Chance, nicht so bissig, nicht so subversiv, wie der Film sein könnte. Oder etwa doch nicht? Es sind viele Nuancen, an denen man Dietls Talent für einen durchkomponierten Film erkennen kann. So ist beispielsweise die Verwendung des rebellischen Sohns, der neuerdings Veganer ist, seine Eltern für Trottel hält und mit seiner Freundin (Jella Haase) von der Karriere als gesellschaftkritischer Musiker träumt („Pop-ulismus“ nennt sich seine Band) wie aus dem Klischeebaukasten geschmiedet. Illustriert wird damit aber vor allem eins: das Durchschnittliche, das Gewöhnliche ist jeder Generation bereits in die Wiege gelegt. Thomas Müller ist das archetypische Vertreter der Babyboomer-Generation, sein Sohn ist der stereotype Vertreter der Nachfolger, die sich selbst als so viel progressiver begreifen und sich in der Masse dann noch auf diverse Grundfesten zusammenfassen lassen. Kinder sind immer cleverer als ihre Eltern, das ist ihre Berufung, aber auch das vermeidlich eigene, das Besondere wird irgendwann fast zwangsläufig von immer mehr Menschen geschätzt und adaptiert.
So geht es König von Deutschland in der Quintessenz nicht darum, die typische deutsche Mittelmäßigkeit bloßzustellen, sondern die Zuschauer in einem zu bestärken: es ist okay, in manchen Dingen vollkommen durchschnittlich zu sein, solange man das eigene Denken nicht verlernt. Thomas‘ Entwicklung ist eben auch die des intellektuell vollkommen eingelullten Mensch wieder hin zum aktiv handlungsfähigen Individuum, dass sich bewusst mit seiner Umwelt auseinandersetzt und sich nicht völlig uninformiert dem „Diktat der Masse“ ergibt. Es gibt durchaus Parallelen zur ebenfalls aus deutschen Landen stammenden Satire Free Rainer – Dein Fernseher lugt!, wenn es darum geht, für einen wachen Geist zu plädieren.

Es geht König von Deutschland nicht darum, den selbsternannten geistigen und kulturellen Eliten, die sich immer und überall vom Massengeschmack unterscheiden wollen, Futter für ihr Überlegenheitsgefühl zu geben. Sicherlich ist Thomas Müller pathetisch, sicherlich ist seine Wohnung hässlich-durchschnittlich, sicherlich bemerkt er nicht, dass er ein Haus in einem Neubaugebiet plant, dass so aussehen wird die die Dutzenden anderen, die dort bereits stehen. Aber er beugt sich nicht der vermeidlichen Herrschaft der Durchschnittlichkeit, er bleibt nicht in dem Hamsterkäfig gefangen und widersetzt sich den Mechanismen, die sein ganzes Leben bereits vorausahnen zu können glauben. Es ist unbestreitbar, dass in König von Deutschland noch mehr Satirepotenzial drin gewesen wäre, aber dies wäre womöglich auf Kosten der Charaktere gegangen. Dietl verheizt Dittrich und Co. nicht bloß als Witzfiguren. Auch so widersetzt er sich ähnlich wie Thomas Müller den Erwartungen. Zumal es durchaus eine ganze Reihe von wunderbaren Geschehnissen im Film gibt.

So ist König von Deutschland nicht nur der Titel des Films, sondern auch Titel einer an Wer wird Millionär? angelegten Spielshow, in der Thomas gern auftreten würde, kommt sie mit ihrem Konzept des reinen Abfragewissens doch seinem Gemüt entgegen. Es bedarf keines durchdringenden Wissens, um in der Show Erfolg zu haben, es zelebriert vielmehr das Auswendiglernen, das Aufschnappen von Fakten und deren Reproduktion im geeigneten Moment. So wird nicht nur das durchaus zu kritisierende Konzept von Wer wird Millionär? aufs Korn genommen, gerade dadurch dass sich Thomas am Ende emanzipiert und das System bewusst durchdringt, gewinnt der Film an Subversivität. Hinzu kommt eine Art Running Gag mit der politischen Partei SÖLK, die nicht nur mit einen „typisch deutschen“ launigen Spruch wirbt („Mehr Sölk fürs Völk.“), sondern sich auch als Wendehals generiert – was auch immer dem Durchschnittsbürger gerade durch den Kopf geht, die SÖLK nimmt es auf, anstatt sich um ein schlüssiges, auf lange Sicht ausgelegtes Konzept zu bemühen. Und wenn Thomas nach seiner Entdeckung seines Zwecks in Schmidts Firma in einen geradezu kafkaesken Alptraum gerät, in der der Mensch zermahlen und nur noch als Stimmungsvieh herhalten muss, dann ist das neben Hanns Zischlers Wallenstein, der als Big Brother von einer Leinwand auf die Protagonisten herunterschaut, ein unverkennbarer Verweis auf George Orwells 1984 und Terry Gilliams Brazil.

König von Deutschland strauchelt nur etwas am Ende, wenn er nur für Thomas eine Konfliktlösung und persönliche Erfüllung findet, die anderen Charaktere, gerade seine intrigante Frau und seinen rebellischen Sohn, aber zu sehr in der Schwebe lässt. Nun kann man das natürlich auch als Teil des Konzepts verstehen – jeder Mensch muss seinen Geist alleine anwerfen – hinterlässt aber einen unausgegorenen Eindruck. Ansonsten ist Dietls Film eine durchweg vergnügliche Angelegenheit, deren behauptete Mittelmäßigkeit Teil des Konstrukts ist. Es ist in Ordnung, wie alle von einer Neuseeland-Reise zu träumen, solange man nicht jedem Wolfs im Schafpelz folgt, nur weil er Plattitüden auswirft oder gerade einen Kurbelverschluss fürs Bier erfunden hat. Selbst denken macht mündig.



Montag, 24. März 2014

Blutgletscher (2013)




BLUTGLETSCHER
Österreich 2013
Dt. Erstaufführung: 06.02.2014
Regie: Marvin Kren

Im deutschsprachigen Raum hatte es die Phantastik nach dem Zweiten Weltkrieg schwer. Durchaus kreative Science-Fiction-Geschichten wurden wohlwollender als Groschenromane oder abfälliger als Schund bezeichnet. Die TV-Serie Raumpatrouille Orion aus den 1960er Jahren steht immer noch für die größte Errungenschaft des Genre(pantoffel)kinos und wenn man zumindest den Science-Fiction-Geschichten ein gewisses Existenzrecht zusprach, verhielt es sich mit dem Horrorfilm, in vielen seiner Spielarten ja auch ein phantastisches Genre, ganz anders. Die ZDF-Dokumetation Mama Papa Zombie – Horror für den Hausgebrauch von 1984, die ein einziger hysterischer Alarmruf im Zuge des sich rasant verbreitenden Formats VHS war, genießt heute ob seiner plakativen, generellen Anklage so etwas wie verqueren Kultstatus. Natürlich entsteigen dem Genre manchmal wirklich fragwürdige Produktionen (zu nennen wäre da beispielsweise Andreas Schnaas und seine Violent Shit-Reihe), aber der Trend, der wohl in den 70ern mit Steven Spielbergs Erfolg Der weiße Hai einsetzte und Horrorfilme auch für den Mainstream akzeptierbar machte, musste über kurz oder lang auch die deutschsprachige Filmszene erreichen. Marvin Kren kann man getrost als einen der hoffnungsvollsten Jungregisseure ansehen, der sich mit seinen Filmen keinem mitunter doch sehr prätentiösen Autorenfilm verschreibt, sondern auf hohem handwerklichem Niveau unterhaltsame Genrefilme inszeniert. Schon sein Erstling Rammbock, über eine Zombiepandemie in Berlin, war ein Erfolg, sicherlich kein großer cineastischer Meilenstein, wohl aber mit Kenntnis und Liebe zum Genre produziert. Blutgletscher bläst ins selbe Horn und könnte zudem als eines der besten Plagiate der Horrorfilmgeschichte gewertet werden.

Die Besatzung einer Forschungsstation in den Alpen, die die Auswirkungen des Klimawandels dokumentieren will, entdeckt eines Tages einen Gletscher, aus dem rote Materie austritt. Die Färbung rührt von bisher unbekannten Einzellern her, die durch das Abschmelzen der Gletscher freigesetzt wurden. Ihr Kontakt mit der örtlichen Tierwelt hat einen unangenehmen Effekt, fungieren die Einzeller doch gewissermaßen als eine Art Mini-Genlabore, die sich des genetischen Codes anderer Tiere bemächtigen und so willkürlich zusammengesetzte Mutanten erschaffen. Der misanthropische Ingenieur Janek (Gerhard Liebmann) erkennt den Ernst der Lage sofort, doch seine Kollegen wollen den bevorstehenden Besuch des „Klimakompetenzteams“ rund um Ministerin Bodicek (Brigitte Kren), zu dem auch Janeks Ex-Freundin Tanja (Edita Malovcic) gehört, nicht gefährden. Doch als immer mehr Mutanten auftauchen, spitzt sich die Lage für alle Beteiligten immer weiter zu…

Blutgletscher ist ein unverhohlener Abklatsch von John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt von 1982, seinerseits ein Remake des Klassikers von 1951 und basierend auf einer Kurgeschichte von John W. Campbell Jr. Die herrlich unappetitlichen Tiermutanten verweisen klar auf die bahnbrechenden Effekte des Carpenter-Films, der gar nicht genug von den Möglichkeiten bekommen konnte, einen Körper auf groteske Weise zu verformen. Damit nicht genug, Hauptdarsteller Gerhard Liebmann sieht als brummiger Janek dem wortkargen Kurt Russell und seinem MacReady auch durchaus ähnlich – äußerlich wie innerlich. Blutgletscher in irgendeiner Form besondere Originalität zu bescheinigen wäre zu viel des Guten. Dass der Film dennoch sehr gut funktioniert, ist vor allem einem Umstand zu verdanken: der bedingungslosen Liebe von Kren und seinem Drehbuchautor Benjamin Hessler zu dem Projekt. Das Augenzwinkern ist in jeder Szene spürbar, Kren und Hessler wissen ganz offensichtlich darum, dass ihr Film eine Alpenversion von The Thing ist, dass sie sich hier, ähnlich wie Peter Jackson mit King Kong, als Kinder im Kreise ihres Spielzeugs bewegen. Will heißen: Kleine Jungs spielen einen ihrer Lieblingsfilme nach. Was früher mit Playmobil-Männchen geschah, wird nun halt auf Film gebannt, aber das Prinzip ist das Gleiche. Es ist das Wissen um diesen Umstand und die sorgfältige Inszenierung, die Blutgletscher nicht ins Ärgerliche abdriften lässt. Man kann als Zuschauer ähnlichen Spaß haben wie die Jungs mit ihren Playmobil-Figuren.

So mögen die Figuren zweidimensional bleiben, ihre Konflikte an der Oberfläche kratzen und die Dramaturgie den üblichen Gepflogenheiten folgen, aber Blutgletscher nimmt die Situationen auf der einen Seite ernst genug, um einige erfolgreiche Schockmomente zu produzieren (der beste ist der erste Auftritt des Fuchsmutanten), auf der anderen ist er ebenso im wahrsten Wortsinne selbstbewusst, dass man nie das Gefühl hat, Kren nimmt sein inhaltlich hanebüchenes Monster-Mär allzu ernst. Hinzu kommt eine liebevolle Handwerkskunst, denn wo immer möglich, sind die Mutanten nicht am Computer errechnete Geschöpfe, sondern ausgeklügelte Puppen, deren Bewegungsfähigkeit dadurch zwar etwas eingeschränkter ist, aber ihre Präsenz gesteigert wird. Es ist immer schöner, wenn die Schauspieler auf etwas Reelles reagieren können und hier erhalten sie sehr viele Gelegenheiten dazu. Auch dieser unbedingte Wille zur Rekreation von vergangenen Genretagen trägt zum Wert des Films bei.

Das einzige, was man dem Film auch als wohlwollender Zuschauer vorwerfen kann, ist der Umstand, dass er am Ende sich einerseits zu wenig, andererseits zu viel zumutet. Zu wenig dahingehend, dass er die weitere Evolution der Mutanten unter den Tisch fallen lässt, obwohl das Setting nicht so abgeschlossen wie in Das Ding aus einer anderen Welt ist (und er darüber hinaus auch seine eigenen Regeln zu vergessen scheint – sind nicht alle Charaktere eigentlich infiziert und müssten sich elend fühlen?); zu viel, weil Kren und Hessler durch die letzte neue Mutation ein ganz neues Kapitel aufschlagen, dass den geneigten Zuschauer mit allerlei soziologischen und philosophischen Fragen zurücklässt. Ein Film, der diesen Erzählstrang weiterverfolgen würde, wäre nur noch das Echo eines Horrorfilms und würde viel mehr ins Fahrwasser eines Der Elefantenmensch geraten. Es ist ein unendlich potentes Konzept, dass hier entworfen wird, nur wirkt es im Kontext eines Films wie Blutgletscher fast fehl am Platz. Es würde von großem Mut zeugen, sollte eine Fortsetzung sich diesem annehmen.

Doch abgesehen davon, ob man aus den Implikationen aus Blutgletscher mehr herausschlägt oder es bei diesem inhaltlich dann nicht ganz geschlossenen One-Shot belässt, Kren ist ein Regisseur, auf den man in Zukunft achten sollte. Seine Filme mag es an vielen originellen Einfällen mangeln, aber nicht an Unterhaltungswert und Spielfreude. Und die eigene Mutter als taffe Ministerin zu besetzen und sie einen Mutanten mit einem Bohrer traktieren zu lassen, ist ohnehin eine ganz eigene Art von Ehrbezeugung, so wie der Film als Ganzes nicht nur als unterhaltsames Plagiat, sondern auch als Hommage gelesen werden kann.



Muppet Movie (1979)




MUPPET MOVIE
(The Muppet Movie)
USA 1979
Dt. Erstaufführung: 12.06.1980
Regie: James Frawley

Kann man sich dem Charme einer anarchischen Puppentruppe wie den Muppets entziehen? Schwer vorstellbar, denn die von Jim Henson erdachten Kreaturen sind weitaus mehr als „nur“ Handpuppen – es sind Persönlichkeiten, hinter denen ihre nüchtern betrachtete Existenz verschwimmt. Wenn Kinder die Sets der Sesamstraße besuchen, brechen sie in Tränen aus, wenn die Puppen ohne Spieler herumliegen, weil sie denken, sie seien tot. Es zeigt vom ungeheuren Talent Hensons, dass sich dieser direkte, kindliche Effekt auch auf Erwachsene ausweitet. Die Muppets sind keine bloßen Puppen, wenn man von Kermit dem Frosch redet, redet man von Kermit dem Frosch und nicht von seinem Puppenspieler. So ist die illustre Schar von Tieren, Monstern und Hybriden längt Teil eines (pop)kulturellen Gedächtnisses und als der erste Kinofilm mit ihnen 1979 ins Kino kam, war auch die TV-Show erst drei Staffeln alt, zwei weitere sollten noch folgen. In diesem Direktvergleich mag dem Puristen die Respektlosigkeit, die Sinnlosigkeit fehlen, die Die Muppet Show kennzeichneten. Muppet Movie ist etwas braver als sein TV-Pendant, behält die episodenhafte Struktur aber bei. Die Odyssee, die hier unternommen wird, ist nur eine Ausrede, um eine Art „Origin Story“ zu erzählen und als solche eine sehr unterhaltsame Angelegenheit.

Kermit der Frosch lebt glücklich in seinem Sumpf, wo er eines Tages auf einen Agenten (Dom DeLuise) trifft. Dieser bestärkt ihn darin, ein toller Musiker und Entertainer zu sein und sein Glück doch mal in Hollywood zu versuchen. Da ein großes Studio gerade ein Casting für Frösche gestartet hat, macht sich Kermit nach kurzer Bedenkzeit tatsächlich auf den Weg. Unterwegs trifft er allerlei Gesellen, unter anderem Fozzie Bär, Gonzo und Camilla, Doktor Goldzahn und „The Electric Mayhem Band“, Miss Piggy. Sie alle schließen sich ihm an, träumen sie doch insgeheim wie er den Traum, Menschen durch die Medien glücklich machen zu können. Doch der schmierige Doc Hopper (Charles Durning) ist Kermit dicht auf den Fersen, sieht er in ihm doch einen perfekten Werbeträger – für seine Restaurants, die Froschschenkel verkaufen…

Die Welt der Muppets ist ein bisschen seltsam: es gibt Menschen, Tiere und eben die fusseligen Kreaturen, die sich einer eindeutigen Definition entziehen. Die gesellschaftlichen Dimensionen werden allerdings nicht ausgeleuchtet, auch wenn das Angebot, einem vernunftbegabten Frosch einen Werbevertrag zur Anpreisung von Froschschenkeln anzubieten, eindeutig als moralisch verwerflich angesehen wird. Ansonsten haben die Muppets durchweg die Rollen der sozialen Randfiguren inne. Sie sind Slacker, Künstler, Tagelöhner. Einzig Miss Piggy fällt als Emporkömmling aus dem Rahmen, einer der Gründe, warum sie als eine der weniger sympathischen Figuren angesehen werden muss und ihre Beziehung zu Kermit dementsprechend ambivalent bleiben sollte. Miss Piggy versucht ständig, jemand zu sein, der sie nicht ist und ihre aufgesetzt-plumpe Art der Annäherung wird folgerichtig von Kermit nicht aus vollem Herzen erwidert. Die dysfunktionale Beziehung der Beiden sollte erst von Jim Hensons Sohn Brian nach dem Tod des Vaters entschärft werden – indem er Piggy schlicht in den Hintergrund verfrachtete. Die Rolle des störenden Elements inmitten des bunten Reigens bekleidet Piggy bereits in Muppet Movie mit Bravour.

Während die Show unmissverständlich den kreativ eingesetzten und technisch mitunter brillant realisierten Puppen gehört, gibt es auch in Muppet Movie eine ganze Reihe von Cameoauftritten, die die Gaststarrollen der TV-Show spiegeln. So ist es niemand geringerer als Orson Welles, der Kermit und Co. den „Standard-Reich-und-berühmt-Vertrag“ angedeihen lässt, Steve Martin hat einen großartigen Auftritt als genervter Kellner und Mel Brooks brilliert als verrückter Wissenschaftler. James Coburn wird aus seinem eigenen Café geworfen, Richard Pryor verkauft Gonzo zu viele Luftballons und Cloris Leachman reagiert allergisch auf Muppet-Fussel. Die Tradition dieser Gaststars, die natürlich immer auch ein Spiegel der gerade aktuellen Schauspielerriegen war und ist, hat sich bis heute gehalten.

Muppet Movie ist wunderbare Unterhaltung, liebevoll gemacht, wenn auch die deutsche Synchronisation sich mit vielen Sprachwitzen deutlich schwer tut („All drinks on the house.“ wird zu „Auf dem Dach steht ein Glas Whisky.“). Dafür sind die eingedeutschten Songs nicht so eine Katastrophe, wie man es hätte befürchten können und Rainbow Connection auch heute noch ein Gassenhauer. Die Muppets unternehmen eine Reise ins Showgeschäft, weil es ihnen ein Bedürfnis ist, Freude zu verbreiten. Man kann nach Muppet Movie einfach nicht abstreiten, dass Jim Henson damit auch ein Stück weit eine Autobiographie abgeliefert hat.