BLUTGLETSCHER
Österreich 2013
Dt. Erstaufführung: 06.02.2014
Regie: Marvin Kren
Dt. Erstaufführung: 06.02.2014
Regie: Marvin Kren
Im deutschsprachigen Raum hatte es die Phantastik nach dem
Zweiten Weltkrieg schwer. Durchaus kreative Science-Fiction-Geschichten wurden
wohlwollender als Groschenromane oder abfälliger als Schund bezeichnet. Die
TV-Serie Raumpatrouille Orion aus den
1960er Jahren steht immer noch für die größte Errungenschaft des
Genre(pantoffel)kinos und wenn man zumindest den Science-Fiction-Geschichten
ein gewisses Existenzrecht zusprach, verhielt es sich mit dem Horrorfilm, in
vielen seiner Spielarten ja auch ein phantastisches Genre, ganz anders. Die
ZDF-Dokumetation Mama Papa Zombie –
Horror für den Hausgebrauch von 1984, die ein einziger hysterischer
Alarmruf im Zuge des sich rasant verbreitenden Formats VHS war, genießt heute
ob seiner plakativen, generellen Anklage so etwas wie verqueren Kultstatus.
Natürlich entsteigen dem Genre manchmal wirklich fragwürdige Produktionen (zu
nennen wäre da beispielsweise Andreas Schnaas und seine Violent Shit-Reihe), aber der Trend, der wohl in den 70ern mit
Steven Spielbergs Erfolg Der weiße Hai einsetzte und Horrorfilme auch
für den Mainstream akzeptierbar machte, musste über kurz oder lang auch die
deutschsprachige Filmszene erreichen. Marvin Kren kann man getrost als einen
der hoffnungsvollsten Jungregisseure ansehen, der sich mit seinen Filmen keinem
mitunter doch sehr prätentiösen Autorenfilm verschreibt, sondern auf hohem
handwerklichem Niveau unterhaltsame Genrefilme inszeniert. Schon sein Erstling Rammbock, über eine Zombiepandemie in
Berlin, war ein Erfolg, sicherlich kein großer cineastischer Meilenstein, wohl
aber mit Kenntnis und Liebe zum Genre produziert. Blutgletscher bläst ins selbe Horn und könnte zudem als eines der
besten Plagiate der Horrorfilmgeschichte gewertet werden.
Die Besatzung einer Forschungsstation in den Alpen, die die
Auswirkungen des Klimawandels dokumentieren will, entdeckt eines Tages einen
Gletscher, aus dem rote Materie austritt. Die Färbung rührt von bisher
unbekannten Einzellern her, die durch das Abschmelzen der Gletscher freigesetzt
wurden. Ihr Kontakt mit der örtlichen Tierwelt hat einen unangenehmen Effekt,
fungieren die Einzeller doch gewissermaßen als eine Art Mini-Genlabore, die
sich des genetischen Codes anderer Tiere bemächtigen und so willkürlich
zusammengesetzte Mutanten erschaffen. Der misanthropische Ingenieur Janek
(Gerhard Liebmann) erkennt den Ernst der Lage sofort, doch seine Kollegen
wollen den bevorstehenden Besuch des „Klimakompetenzteams“ rund um Ministerin
Bodicek (Brigitte Kren), zu dem auch Janeks Ex-Freundin Tanja (Edita Malovcic)
gehört, nicht gefährden. Doch als immer mehr Mutanten auftauchen, spitzt sich
die Lage für alle Beteiligten immer weiter zu…
Blutgletscher ist
ein unverhohlener Abklatsch von John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt von 1982, seinerseits ein Remake
des Klassikers von 1951 und basierend auf einer Kurgeschichte von John W.
Campbell Jr. Die herrlich unappetitlichen Tiermutanten verweisen klar auf die
bahnbrechenden Effekte des Carpenter-Films, der gar nicht genug von den
Möglichkeiten bekommen konnte, einen Körper auf groteske Weise zu verformen.
Damit nicht genug, Hauptdarsteller Gerhard Liebmann sieht als brummiger Janek
dem wortkargen Kurt Russell und seinem MacReady auch durchaus ähnlich –
äußerlich wie innerlich. Blutgletscher
in irgendeiner Form besondere Originalität zu bescheinigen wäre zu viel des
Guten. Dass der Film dennoch sehr gut funktioniert, ist vor allem einem Umstand
zu verdanken: der bedingungslosen Liebe von Kren und seinem Drehbuchautor
Benjamin Hessler zu dem Projekt. Das Augenzwinkern ist in jeder Szene spürbar,
Kren und Hessler wissen ganz offensichtlich darum, dass ihr Film eine
Alpenversion von The Thing ist, dass
sie sich hier, ähnlich wie Peter Jackson mit King Kong, als Kinder im Kreise ihres Spielzeugs bewegen. Will
heißen: Kleine Jungs spielen einen ihrer Lieblingsfilme nach. Was früher mit
Playmobil-Männchen geschah, wird nun halt auf Film gebannt, aber das Prinzip
ist das Gleiche. Es ist das Wissen um diesen Umstand und die sorgfältige
Inszenierung, die Blutgletscher nicht
ins Ärgerliche abdriften lässt. Man kann als Zuschauer ähnlichen Spaß haben wie
die Jungs mit ihren Playmobil-Figuren.
So mögen die Figuren zweidimensional bleiben, ihre Konflikte
an der Oberfläche kratzen und die Dramaturgie den üblichen Gepflogenheiten
folgen, aber Blutgletscher nimmt die
Situationen auf der einen Seite ernst genug, um einige erfolgreiche
Schockmomente zu produzieren (der beste ist der erste Auftritt des Fuchsmutanten),
auf der anderen ist er ebenso im wahrsten Wortsinne selbstbewusst, dass man nie
das Gefühl hat, Kren nimmt sein inhaltlich hanebüchenes Monster-Mär allzu
ernst. Hinzu kommt eine liebevolle Handwerkskunst, denn wo immer möglich, sind
die Mutanten nicht am Computer errechnete Geschöpfe, sondern ausgeklügelte
Puppen, deren Bewegungsfähigkeit dadurch zwar etwas eingeschränkter ist, aber
ihre Präsenz gesteigert wird. Es ist immer schöner, wenn die Schauspieler auf
etwas Reelles reagieren können und hier erhalten sie sehr viele Gelegenheiten
dazu. Auch dieser unbedingte Wille zur Rekreation von vergangenen Genretagen
trägt zum Wert des Films bei.
Das einzige, was man dem Film auch als wohlwollender
Zuschauer vorwerfen kann, ist der Umstand, dass er am Ende sich einerseits zu
wenig, andererseits zu viel zumutet. Zu wenig dahingehend, dass er die weitere
Evolution der Mutanten unter den Tisch fallen lässt, obwohl das Setting nicht
so abgeschlossen wie in Das Ding aus
einer anderen Welt ist (und er darüber hinaus auch seine eigenen Regeln zu
vergessen scheint – sind nicht alle Charaktere eigentlich infiziert und müssten
sich elend fühlen?); zu viel, weil Kren und Hessler durch die letzte neue
Mutation ein ganz neues Kapitel aufschlagen, dass den geneigten Zuschauer mit
allerlei soziologischen und philosophischen Fragen zurücklässt. Ein Film, der
diesen Erzählstrang weiterverfolgen würde, wäre nur noch das Echo eines
Horrorfilms und würde viel mehr ins Fahrwasser eines Der Elefantenmensch geraten. Es ist ein unendlich potentes Konzept,
dass hier entworfen wird, nur wirkt es im Kontext eines Films wie Blutgletscher fast fehl am Platz. Es
würde von großem Mut zeugen, sollte eine Fortsetzung sich diesem annehmen.
Doch abgesehen davon, ob man aus den Implikationen aus Blutgletscher mehr herausschlägt oder es
bei diesem inhaltlich dann nicht ganz geschlossenen One-Shot belässt, Kren ist ein Regisseur, auf den man in Zukunft
achten sollte. Seine Filme mag es an vielen originellen Einfällen mangeln, aber
nicht an Unterhaltungswert und Spielfreude. Und die eigene Mutter als taffe
Ministerin zu besetzen und sie einen Mutanten mit einem Bohrer traktieren zu
lassen, ist ohnehin eine ganz eigene Art von Ehrbezeugung, so wie der Film als
Ganzes nicht nur als unterhaltsames Plagiat, sondern auch als Hommage gelesen
werden kann.
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