Montag, 10. März 2014

Der Butler (2013)




DER BUTLER
(The Butler)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 10.10.2013
Regie: Lee Daniels

Eins kann man Lee Daniels Der Butler sicherlich nicht vorwerfen: Dass er das Herz nicht am rechten Fleck habe. Mit sichtbarem Herzblut gehen Lee und seine Darsteller ins Renne, um die Geschichte der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den USA exemplarisch am intern sehr geschätzten Butler im Weißen Haus zu erzählen. Natürlich brüstet man sich damit, auf wahren Ereignissen zu basieren, hat man doch den Artikel A Butler Well Served by This Election von Wil Haygood von der Washington Post im Rücken, der von dem 34 Jahre, von 1952 bis 1986, erzählt, die Eugene Allen als Butler im Zentrum der US-amerikanischen Macht arbeitete. Ein schwarzer Mann, der zur Zeit der Rassentrennung begann im Weißen Haus zu arbeiten und am Ende seines Lebens noch die Amtseinführung von Barack Obama miterleben konnte – das ist wahrlich der Stoff, nach dem sich Hollywood die Finger leckt. Und so sehr man auch den Symbolcharakter des Ganzen bewundern kann, hat man eben etwas zu sehr „hollywoodisert“, Der Butler ist recht plakativ und sehr didaktisch aufbereitet. Ein bisschen leidet er unter dem gleichen Syndrom, dass seinerzeit Der Baader-Meinhof-Komplex befallen hatte: handwerkliche Souveränität paart sich mit einem unbedingten Willen zur kinotauglichen Geschichtsstunde, was zu einem Film führt, der mehr Ausstellungsstück als echtes Erlebnis ist. Jüngere Zuschauer mögen vor Der Butler sitzen und sich ungläubig fragen, ob es wirklich so war und wenn er sie im Nachhinein zu einer eigenständigen Recherche und Beschäftigung mit der Vergangenheit verleitet, hat der Film ein großes Werk getan. In Schlüsselmomenten ist Daniels ein aufreibendes Werk geglückt, als Gesamtwerk ist es eher durchwachsen. Zumal es mit dem Wahrheitsgehalt der persönlichen Geschichte von Allen auch nicht allzu weit her ist.

Eugene Allen heißt hier Cecil Gaines (Forest Whitaker) und muss als achtjähriger (Michael Rainey Jr.) mit ansehen, wie sein Vater (David Banner) von ihrem despotischen, noch ganz in der Sklavenzeit verhafteten Arbeitgeber (Alex Pettyfer) getötet wird. Als Jugendlicher verlässt Cecil die Baumwollplantage, die zuvor seine ganze Welt war, und versucht sich allein durchzuschlagen. Durch Zufall gelangt er an eine Position als Hausangestellter, in der er sich als bald so hervorragend erweist, dass er im Weißen Haus landet. Als Butler durchlebt er dort als guter Geist des Hauses diverse Administrationen, sieht rassistische Gesetze fallen und ein Land sich verändern, während zu Hause ganz andere Probleme auf ihn warten: seine Frau Gloria (Oprah Winfrey) ist dem Alkohol etwas zu sehr zugetan, während sein einer Sohn Louis (David Oyelowo) sich im Laufe seines Lebens zunehmend politisch radikalisiert und sein anderer Sohn Charlie (Elijah Kelley) irgendwann in den Vietnamkrieg zieht…

Zur Realität hinter der Geschichte: Eugene Allen arbeitete als Butler im Weißen Haus, ja. Er hatte eine Frau, aber nur einen Sohn, der nie den Radikalisierungsprozess durchlief, wie er an der Figur Louis geschildert wird. All die Konflikte und die direkte Verwebung der Gaines‘ mit historischen Ereignissen ist also á la Forrest Gump fiktiv. Das Ende, welches einen letzten Schicksalsschlag für Cecil beinhaltet, basiert allerdings auf Fakten.

Es sind vor allem die Szenen, in denen der Hass aus den Menschen herausbricht, die im Gedächtnis bleiben. Daniels und sein Cutter Joe Klotz finden hier eine sehr unmittelbare Bildsprache, die die Bedrohung und das geifernde der Aggressoren auch für den Zuschauer ziemlich ungefiltert erfahrbar macht. Es ist ziemlich schonungslos bebildert, was es hieß, sich als Schwarzer in den 1960er Jahren an einen Teil des Tresens in einem Diner zu setzen, der nur für Weiße reserviert war oder Insasse eines Aktivistenbusses zu sein. Die Ungeheuerlichkeit dieses durch nichts zu begründende sozialen Gefälles ist gerade deshalb so massiv, weil es mit der Gedankenwelt eines normalen Menschen (und ich verwende diese Bezeichnung hier vollkommen bewusst) nicht in Einklang zu bringen ist, ähnlich wie die eruptive Polizeigewalt für den Nachgeborenen in Der Baader-Meinhof-Komplex ein Schock war, um ein letztes Mal die Parallelen zu ziehen.

Es ist bedauerlich, dass Der Butler nicht insgesamt ein Film mit dieser Kraft geworden ist. Zu brav arbeitet er die jüngere Vergangenheit der USA anhand von auch international zu verstehenden Landmarken ab, zu plakativ werden die Gegensätze und Diskurse der afroamerikanischen Bevölkerung angerissen, ohne sie zu vertiefen. Dabei geht es gar nicht nur um den Widerstreit Gewaltverzicht (Martin Luther King) und aktive Gegenrevolte (Malcolm X), sondern auch um kultur- und rezeptionsgeschichtliche Fragen, etwa, ob man das N-Wort aufgrund seines rassistischen Ursprungs selbst verwenden sollte oder nicht oder auch darum, ob Sidney Poitier ein guter Schauspieler sei, der zudem eine Vorbildfunktion auch in den Augen der radikaleren Kräfte bekleiden könnte. Alles wirkt eben didaktisch, wie im Sinne der Aufklärung verteilte Häppchen, die Lust auf mehr machen sollen. Onkel-Tom-Vorwürfe, der Widerspruch in Fragen des Vietnamkrieges, politische Fragen wie die Haltung des Reagan-Regierung gegenüber des südafrikanischen Apartheid-Regimes – es steckt sehr, sehr viel Unterrichtsmaterial in Der Butler. Das ist alles gut und schön und mag Diskussionen entfachen, rein filmisch ist es zu wenig kohärent und zu sehr Nummernrevue.

Dies gilt auch für die Besetzung, ein einziges Spot the Star-Spielchen, in dem große Namen meistens nicht mehr als Cameo-Auftritte haben. So erhascht man Blicke auf Mariah Carey und Vanessa Redgrave, Terrence Howard ist etwas länger dabei, ebenso Cuba Gooding Jr. als unfunktionales comic relief. Und dann wären da noch die Präsidenten, die sich hier die Klinke in die Hand geben: Robin Williams als Eisenhower, John Cusack als Nixon, James Marsden als Kennedy, Liev Schreiber als Johnson, Alan Rickman als Reagan nebst Jane Fonda als seine Frau Nancy. Letztere beiden haben rein äußerlich immerhin die größte Ähnlichkeit mit ihren historischen Vorbildern, während Cusack das Fehlen dieser Eigenschaft durch sein Spiel ausgleichen muss, dass dem gängigen Nixon-Bild entspricht. Die politische Arbeit wird dabei auf wenige Stichpunkte reduziert.

Vielleicht ist es auch unfair, Der Butler seine episodenhafte Struktur vorzuhalten, kann man doch so viel Zeit, so viel Leben kaum in knapp zwei Stunden pressen. So kann man meinen, der Stoff wäre in einer ebenso sorgfältig inszenierten TV-Miniserie besser aufgehoben und muss ich doch mit dem abfinden, was Lee Daniels schlussendlich auf die Leinwand brachte. Kurzweilig ist das Ganze sicherlich, gut gespielt und mit viel Sachkenntnis inszeniert ebenso. Einzig, es fehlt am letzten, entscheidenden Funken Leben, der Der Butler über das wohlwollende Hollywood-Mittelmaß hinausheben könnte. Eine Geschichte mit solchem Potenzial hat schlicht und einfach mehr verdient als eine inszenatorische „sichere Bank“, egal wie hervorragend einzelne Elemente auch funktionieren mögen.



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