DER BUTLER
(The Butler)
(The Butler)
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 10.10.2013
Regie: Lee Daniels
Dt. Erstaufführung: 10.10.2013
Regie: Lee Daniels
Eins kann man Lee Daniels Der Butler sicherlich nicht vorwerfen: Dass er das Herz nicht am
rechten Fleck habe. Mit sichtbarem Herzblut gehen Lee und seine Darsteller ins
Renne, um die Geschichte der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den USA
exemplarisch am intern sehr geschätzten Butler im Weißen Haus zu erzählen.
Natürlich brüstet man sich damit, auf wahren Ereignissen zu basieren, hat man
doch den Artikel A Butler Well Served by
This Election von Wil Haygood von der Washington
Post im Rücken, der von dem 34 Jahre, von 1952 bis 1986, erzählt, die
Eugene Allen als Butler im Zentrum der US-amerikanischen Macht arbeitete. Ein
schwarzer Mann, der zur Zeit der Rassentrennung begann im Weißen Haus zu
arbeiten und am Ende seines Lebens noch die Amtseinführung von Barack Obama
miterleben konnte – das ist wahrlich der Stoff, nach dem sich Hollywood die
Finger leckt. Und so sehr man auch den Symbolcharakter des Ganzen bewundern
kann, hat man eben etwas zu sehr „hollywoodisert“, Der Butler ist recht plakativ und sehr didaktisch aufbereitet. Ein
bisschen leidet er unter dem gleichen Syndrom, dass seinerzeit Der Baader-Meinhof-Komplex befallen
hatte: handwerkliche Souveränität paart sich mit einem unbedingten Willen zur
kinotauglichen Geschichtsstunde, was zu einem Film führt, der mehr
Ausstellungsstück als echtes Erlebnis ist. Jüngere Zuschauer mögen vor Der Butler sitzen und sich ungläubig
fragen, ob es wirklich so war und wenn er sie im Nachhinein zu einer
eigenständigen Recherche und Beschäftigung mit der Vergangenheit verleitet, hat
der Film ein großes Werk getan. In Schlüsselmomenten ist Daniels ein
aufreibendes Werk geglückt, als Gesamtwerk ist es eher durchwachsen. Zumal es
mit dem Wahrheitsgehalt der persönlichen Geschichte von Allen auch nicht allzu weit
her ist.
Eugene Allen heißt hier Cecil Gaines (Forest Whitaker) und
muss als achtjähriger (Michael Rainey Jr.) mit ansehen, wie sein Vater (David
Banner) von ihrem despotischen, noch ganz in der Sklavenzeit verhafteten
Arbeitgeber (Alex Pettyfer) getötet wird. Als Jugendlicher verlässt Cecil die Baumwollplantage,
die zuvor seine ganze Welt war, und versucht sich allein durchzuschlagen. Durch
Zufall gelangt er an eine Position als Hausangestellter, in der er sich als
bald so hervorragend erweist, dass er im Weißen Haus landet. Als Butler
durchlebt er dort als guter Geist des Hauses diverse Administrationen, sieht
rassistische Gesetze fallen und ein Land sich verändern, während zu Hause ganz
andere Probleme auf ihn warten: seine Frau Gloria (Oprah Winfrey) ist dem
Alkohol etwas zu sehr zugetan, während sein einer Sohn Louis (David Oyelowo)
sich im Laufe seines Lebens zunehmend politisch radikalisiert und sein anderer
Sohn Charlie (Elijah Kelley) irgendwann in den Vietnamkrieg zieht…
Zur Realität hinter der Geschichte: Eugene Allen arbeitete
als Butler im Weißen Haus, ja. Er hatte eine Frau, aber nur einen Sohn, der nie
den Radikalisierungsprozess durchlief, wie er an der Figur Louis geschildert
wird. All die Konflikte und die direkte Verwebung der Gaines‘ mit historischen
Ereignissen ist also á la Forrest Gump
fiktiv. Das Ende, welches einen letzten Schicksalsschlag für Cecil beinhaltet,
basiert allerdings auf Fakten.
Es sind vor allem die Szenen, in denen der Hass aus den
Menschen herausbricht, die im Gedächtnis bleiben. Daniels und sein Cutter Joe
Klotz finden hier eine sehr unmittelbare Bildsprache, die die Bedrohung und das
geifernde der Aggressoren auch für den Zuschauer ziemlich ungefiltert erfahrbar
macht. Es ist ziemlich schonungslos bebildert, was es hieß, sich als Schwarzer
in den 1960er Jahren an einen Teil des Tresens in einem Diner zu setzen, der
nur für Weiße reserviert war oder Insasse eines Aktivistenbusses zu sein. Die
Ungeheuerlichkeit dieses durch nichts zu begründende sozialen Gefälles ist
gerade deshalb so massiv, weil es mit der Gedankenwelt eines normalen Menschen
(und ich verwende diese Bezeichnung hier vollkommen bewusst) nicht in Einklang
zu bringen ist, ähnlich wie die eruptive Polizeigewalt für den Nachgeborenen in
Der Baader-Meinhof-Komplex ein Schock
war, um ein letztes Mal die Parallelen zu ziehen.
Es ist bedauerlich, dass Der
Butler nicht insgesamt ein Film mit dieser Kraft geworden ist. Zu brav
arbeitet er die jüngere Vergangenheit der USA anhand von auch international zu
verstehenden Landmarken ab, zu plakativ werden die Gegensätze und Diskurse der
afroamerikanischen Bevölkerung angerissen, ohne sie zu vertiefen. Dabei geht es
gar nicht nur um den Widerstreit Gewaltverzicht (Martin Luther King) und aktive
Gegenrevolte (Malcolm X), sondern auch um kultur- und rezeptionsgeschichtliche
Fragen, etwa, ob man das N-Wort aufgrund seines rassistischen Ursprungs selbst
verwenden sollte oder nicht oder auch darum, ob Sidney Poitier ein guter Schauspieler
sei, der zudem eine Vorbildfunktion auch in den Augen der radikaleren Kräfte
bekleiden könnte. Alles wirkt eben didaktisch, wie im Sinne der Aufklärung
verteilte Häppchen, die Lust auf mehr machen sollen. Onkel-Tom-Vorwürfe, der
Widerspruch in Fragen des Vietnamkrieges, politische Fragen wie die Haltung des
Reagan-Regierung gegenüber des südafrikanischen Apartheid-Regimes – es steckt
sehr, sehr viel Unterrichtsmaterial in Der
Butler. Das ist alles gut und schön und mag Diskussionen entfachen, rein
filmisch ist es zu wenig kohärent und zu sehr Nummernrevue.
Dies gilt auch für die Besetzung, ein einziges Spot the Star-Spielchen, in dem große
Namen meistens nicht mehr als Cameo-Auftritte haben. So erhascht man Blicke auf
Mariah Carey und Vanessa Redgrave, Terrence Howard ist etwas länger dabei,
ebenso Cuba Gooding Jr. als unfunktionales comic
relief. Und dann wären da noch die Präsidenten, die sich hier die Klinke in
die Hand geben: Robin Williams als Eisenhower, John Cusack als Nixon, James
Marsden als Kennedy, Liev Schreiber als Johnson, Alan Rickman als Reagan nebst
Jane Fonda als seine Frau Nancy. Letztere beiden haben rein äußerlich immerhin
die größte Ähnlichkeit mit ihren historischen Vorbildern, während Cusack das
Fehlen dieser Eigenschaft durch sein Spiel ausgleichen muss, dass dem gängigen
Nixon-Bild entspricht. Die politische Arbeit wird dabei auf wenige Stichpunkte
reduziert.
Vielleicht ist es auch unfair, Der Butler seine episodenhafte Struktur vorzuhalten, kann man doch
so viel Zeit, so viel Leben kaum in knapp zwei Stunden pressen. So kann man
meinen, der Stoff wäre in einer ebenso sorgfältig inszenierten TV-Miniserie
besser aufgehoben und muss ich doch mit dem abfinden, was Lee Daniels
schlussendlich auf die Leinwand brachte. Kurzweilig ist das Ganze sicherlich,
gut gespielt und mit viel Sachkenntnis inszeniert ebenso. Einzig, es fehlt am
letzten, entscheidenden Funken Leben, der Der
Butler über das wohlwollende Hollywood-Mittelmaß hinausheben könnte. Eine
Geschichte mit solchem Potenzial hat schlicht und einfach mehr verdient als
eine inszenatorische „sichere Bank“, egal wie hervorragend einzelne Elemente
auch funktionieren mögen.
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