DIE HERRSCHAFT DER
SCHATTEN
(Vanishing on 7th
Street)
USA 2010
Dt. Erstaufführung: 26.08.2011 (DVD-Premiere)
Regie: Brad Anderson
USA 2010
Dt. Erstaufführung: 26.08.2011 (DVD-Premiere)
Regie: Brad Anderson
Die USA, ein Land mit der Ausdehnung
eines Kontinents. Zwischen Los Angeles und New York liegen Welten. Dies sollte
verdeutlichen, was es heißt, wenn ein Film in den Staaten zu seinen Hochzeit in
gerade einmal sechs Kinos lief, zu seiner Premiere gar nur in einem einzigen
Lichtspielhaus zu finden war. Die
Herrschaft der Schatten ist zwar ein Low-Budget-Film, aber unter solch
denkbar ungünstigen Umständen konnte er nur zum nationalen Flop werden, auch
wenn die Überseezahlen besser daherkamen (in Südkorea und der Türkei etwa
generierte der Film ein Vielfaches seiner US-Einspielergebnisse). Dies ist
neben dem augenscheinlichen Misstrauen seitens des Verleihers auch dem Film
selbst anzukreiden. Brad Anderson, der zuvor den inkohärenten Transsiberian inszenierte, versucht sein
Bestes, aus der starken Prämisse einen ansehnlichen Gruselfilm zu machen,
schafft es aber nicht, interessante Charaktere oder eine durchgängig
überzeugende Welt zu erschaffen. Die
Herrschaft der Schatten hat unendliches Potenzial, wirklich ausgeschöpft
wird es nicht.
Detroit: eines Abends verschwindet plötzlich ein Großteil
der Bevölkerung der Stadt. Nur ihre Kleidung und andere künstliche Dinge wie
Brillen und falsche Zähne bleiben zurück. Einher mit dieser unheimlichen
Entwicklung geht das Erscheinen einer irgendwie beseelten Dunkelheit, die die
Menschen bei Kontakt in Luft auflöst. Nur Licht hält die sinistren Schatten in
Schach. 72 Stunden nach dieser lautlosen Apokalypse finden sich in einer dank
eines Generators noch erleuchteten Bar vier Überlebende zusammen: der
Kinomitarbeiter Paul (John Leguizamo), die Physiotherapeutin Rosemary (Thandie
Newton), der 12jährige James (Jacob Latimore) und der TV-Moderator Luke (Hayden
Christensen). Die Zweckgemeinschaft sucht nach einem Ausweg aus dem Alptraum,
während draußen von Tag zu Tag die Sicherheit versprechenden Sonnenstunden
weniger werden und des Nachts die Schatten alles daran setzten, auch die letzten
Menschen zu sich zu holen (während Tiere interessanterweise verschont bleiben).
Die Herrschaft der
Schatten setzt plakativ auf eine menschliche Urangst: die Furcht vor der
Dunkelheit, die Tagraubtieren von jeher einen strategischen Nachteil
verschaffte. Anderson und sein Drehbuchtautor Anthony Jaswinski (Killing Time) schalten dabei den
Mittelsmann aus, ähnlich wie die Final
Destination-Reihe den maskierten Mörder á la Freddy oder Jason als
Zulieferer für den Tod abschaffte und den Sensenmann selbst morden ließ. So
lauern hier in der Dunkelheit keine Monstren und Mutationen, sondern sie wird
selbst zum Antagonisten, der in durchaus unheimlichen Bildern nach den Figuren
greift und lechzt. Dabei verzichtet man vollkommen auf eine irgendwie geartete
Erklärung, was durchaus als guter Schachzug gewertet werden kann. Das Grauen
kommt unerwartet und bleibt für die Figuren in ihrem geographisch und materiell
limitierten Rahmen auch gänzlich unerklärlich. Versuche, hinter die
Geschehnisse zu blicken, laufen ins Leere, der Film bleibt konsequent dabei,
die Apokalypse nicht durch einen Filmvorführer oder einen 12jährigen erklärbar
zu machen. Der Versuchung, die Schatten in einen geschichtlichen Kontext zu
setzen, können sich Anderson und Jaswinski aber nicht entziehen und geizen
nicht mit Verweisen auf die verlorene Kolonie Roanoke, des ersten Stützpunktes
des Engländer in Nordamerika, der 1590 vollkommen verlassen vorgefunden wurde.
Und auch wenn man wohl davon ausgehen kann, dass die Siedler sich einem
Indianerstamm namens Croatoan angeschlossen haben und dafür Roanoke verließen,
wird der Film natürlich nicht müde, dies unter den Tisch fallen zu lassen und
stattdessen den Mysteryaspekt hervorzuheben. Wer eine noch effektivere
Einbindung der Roanoke-Geschichte in einen fiktionalen Kontext sucht, dem sei
Dean Koontz‘ Roman Unheil über der Stadt
empfohlen, der es eleganter als Die
Herrschaft der Schatten schafft, aus dem Ereignis Horrorpotenzial zu
schlagen.
So sind die gruseligen Bilder, die durchaus effektive
Atmosphäre und das ohnehin immer funktionierende Setting einer menschenleeren
Stadt eine Sache, die Charaktere eine ganz andere. Die Herrschaft der Schatten
bietet keine interessanten Protagonisten an, weil sie allesamt recht farblos
bleiben. Man bemüht sich sichtlich, Luke und die anderen aus ihrer
Eindimensionalität herauszuholen, aber ganz gelingen will das nicht. So ist
John Leguizamo nur erträglich, weil er eben John Leguizamo ist, während Hayden
Christensen scheinbar immer noch unter den Nachwehen leidet, die eine
Partizipation in einem Film wie Jumper
wohl mit sich bringt. Sein Luke ist der Standard-Jerk, wie in jeder Film dieser Art offensichtlich braucht. Thandie
Newtons Verweis aus Rosemaries Baby lässt derweil ständig Erinnerungen an einen
besseren Horrorfilm wach werden. Einzig Newcomer Jacob Latimore zeigt
Potenzial, wechselt er doch überraschend überzeugend zwischen den vom Plot
geforderten Emotionen hin und her.
So zerfällt der Film in zwei sehr unterschiedliche Teile,
zum einen in den arg durchschnittlichen Part, was die Darstellung und die insgesamte
Regie angeht, zum anderen in den starken Part der Prämisse und der Handhabung
des Bedrohungsszenarios. Ein bisschen hat man zwar das Gefühl, Jaswinski
verarbeitet hier eine kindliche Furcht vor den dunkeln Geistern aus Ghost – Nachricht von Sam, erinnert doch
vor allem das Sounddesign an sie, aber in seiner archetypischen Effektivität
kann man darüber hinwegsehen. Die
Herrschaft der Schatten ist wahrlich kein großer Genrewurf, dafür ist er
als Gesamtpaket zu standardisiert, aber als vollkommen belangloses
Zwischenfutter, das mit knapp 90 Minuten Laufzeit auch schnell wieder vorbei
ist, kann man ihn noch durchwinken.
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