Sonntag, 28. September 2014

Across the River (2013)




ACROSS THE RIVER
(Oltre il guado)
Italien 2013
Dt. Erstaufführung: 08.05.2014
Regie: Lorenzo Bianchini

Als letztes Jahr The Conjuring - Die Heimsuchung von James Wan präsentiert wurde, waren die Kritiken teilweise geradezu euphorisch. Der Film, ein leidlich spannender Versuch, dem Geisterfilm alter Schule wieder Leben einzuhauchen, war nur ein weiterer Haunted-House-Thriller, der außer der Kinematographie nicht viel zu bieten hatte. Umso ärgerlicher ist es, dass der kleine, feine Low-Budget-Film aus Italien, Across the River, wohl auch auf DVD ein Geheimtipp bleiben wird. Dies ist der Film, der The Conjuring und erst recht Insidious gerne gewesen wären, ein spannender, minimalistischer Genrefilm, der narrativ keine großen Innovationen bietet, aber dennoch frisch und unterhaltsam daherkommt.

Marco Contrada ist ein Verhaltensforscher, der im menschenleeren Grenzgebiet von Italien zu Slowenien Zählungen der Wildtierpopulationen durchführt. Einen Fuchs stattet er mit einer Rückenkamera aus, um seine Bewegungen verfolgen zu können. Eben dieser Fuchs stößt auf ein verlassenes Dorf, das Contrada dank der Kamera und der Ortungsfunktion ausfindig machen kann. Neugierig macht er sich auf den Weg und überquert einen kleinen Bach, der nach ergiebigen Regenfällen zum Strom anwächst und ihm den Rückweg versperrt. Isoliert muss Marco bald erkennen, dass außer den Tieren noch etwas anderes in dem Geisterdorf umherstreift - etwas, dass dieser Bezeichnung alle Ehre macht...

Across the River ist ein ungemein spannender Film, allerdings nicht für ein Publikum, dass Spannung mit blutigen Effekten verwechselt. Zwar gibt es auch hier im Finale Einstellungen, die die Altersfreigabe ab 16 rechtfertigen, aber meistens arbeitet Across the River mit Mitteln der Suggestion und der Angst vor dem Verborgenen. Es ist ein bisschen wie beim Überraschungserfolg Blair Witch Project – das individuelle Gelingen hängt maßgeblich davon ab, ob man die gezeigten zurückhaltenden Schreckensmomente in dieser Form nachvollziehen kann. Wer keinen Zugang zur Vorstellung finden kann, vor einem Knarzen in der Dunkelheit zu fliehen, der wird womöglich nur bei den Einstellungen mit der subjektiven Kamera Grusel empfinden, denn diese sind der größte Selbstläufer des Films.

Talent beweist der Film auch im Spiel mit Genrekonventionen. Die unheimlichen Erscheinungen, die Marco heimsuchen, erscheinen zwar auch auf einer alten Videoaufnahme, um zusätzliche Spannungsmomente einzubauen, aber Across the River verweigert sich konsequent einer der üblichen Spuk-Erklärungen. Die umhergeisternden Mädchen sind nicht Opfer einer ungerechtfertigten Willkür oder sind einer menschlichen Fehlinterpretation erlegen, vielmehr suggeriert der Film eine nicht-menschliche Herkunft für die beiden Antagonisten, ohne dabei allzu sehr ins Detail zu gehen. Ihre diffuse Herkunft und ihre ebensolchen Motive, die in ihren Ausführungen ein bisschen an eine Katze erinnern, die mit ihrer Beute spielt, lassen die mit entstellten Gesichtern in alten Gemäuern lauernde Wesen nur noch bedrohlicher erscheinen.

Across the River holt aus seinem minimalen Budget das Maximum heraus. Bianchini demonstriert eine sichere Hand bei der Inszenierung, die Atmosphäre ist dicht, die Kinematographie rau und dem Sujet angemessen, einige Kamerafahrten und –positionierungen schlicht grandios. Einzig der Subplot mit einem alten Mann, der auch schon Opfer des Spuks wurde und dessen Handlungsstrang nie mit dem des Protagonisten zusammengeführt wird, wirkt wie ein Anhängsel, dass nur zu Expositionszwecken aufgenommen wurde. Ansonsten ist Across the River ein erfrischend effektiver Genrefilm, eine willkommene Überraschung im Wust der ähnlich gelagerten Werke. Wer 1 ½ Stunden wohliges Gruseln eines kompetenten Regisseurs sehen will, der kann mit Across the River die vielleicht beste Wahl des Jahres treffen.



Montag, 15. September 2014

Monty Python - Der Sinn des Lebens (1983)



MONTY PYTHON – DER SINN DES LEBENS
(Monty Python’s The Meaning of Life)
Großbritannien 1983
Dt. Erstaufführung: 26.08.1983
Regie: Terry Jones & Terry Gilliam

Der vierte Film der Komikertruppe Monty Python beginnt mit einem Highlight: alternde, vom Turbokapitalismus der 1980er Jahre gequälte Angestellte einer englischen Versicherung meutern, lichten den Anker ihrer Arbeitsstätte und segeln gen Amerika, der ersten Station ihres Kampfes gegen die entmenschlichte Finanzwelt, nur um am Ende über den Rand der Erde zu fallen. Dieses Segment, dass sich als eine Art Vorfilm generiert und in dem Mitglieder der Pythons nur am Rande vorkommen, wird nicht nur konsequent durchgespielt, es nimmt auch augenzwinkernd die Machart von Blockbustern der Zeit auf, indem es seine Absurditäten in gleicher epischer Weise erzählt. Außerdem sieht man dem Film so von der ersten Minute an, dass er der teuerste Film der Formation ist. Was folgt, ist allerdings nur in Teilen erfolgreich. Der Sinn des Lebens ist sehr viel launiger als seine Vorgänger und ein deutlicher Rückschritt verglichen mit dem superben Das Leben des Brian.

Der Sinn des Lebens ist eine Rückkehr zur Sketchstruktur von Die wunderbare Welt der Schwerkraft. In diversen Einspielern wird nach einer Antwort auf die dem Titel innewohnende Frage gesucht. Exemplarisch wird anhand der Lebensstationen Geburt, Schulzeit, Mid-Life und Tod die Unmöglichkeit einer Antwort illustriert, selbstredend in der typischen Python'esken Absurdität.

Es mangelt dem Film nicht an wundervollen Momenten. Neben der  Eröffnungsmeuterei singt ein Kinderchor "Every Sperm is sacred", im ersten Zulu-Krieg kommt ein Bein abhanden, John Cleese gibt sehr anschaulichen Sexualkundeunterricht für eine desinteressierte Klasse und der Tod holt eine renitente Freundesgruppe ab. Doch es gibt auch mehr Leerlauf als man es von Monty Python gewohnt ist und häufiger als sonst flüchtet man sich in einen von Körperflüssigkeiten bestimmten Selbstzweck. Der alles und jeden im wahrsten Sinne des Wortes ankotzende Restaurantgast, der irgendwann ob des vielen Essens explodiert und alle anderen Gäste ebenfalls zum übergeben respektive gehen animiert, ist ein besonders krudes Beispiel, weil der Sketch nur auf eine negative Überwältigung, auf einen pubertären Tabubruch aus ist und in seinen Kotzarien nicht sonderlich witzig daherkommt. Dass man diese eher unangenehme Körperfunktion auch unterhaltsam inszenieren kann, mussten Jahre später erst die Radio-Comedyserie Die Arschkrampen und die Puppen-Satire Team America - World Police beweisen.

Der Sinn des Lebens ist der erste Monty Python-Film, in dem sich Leerlauf breit machen kann. Es gibt immer noch viele wunderbare Einfälle und Details, aber insgesamt fehlt diesem Material die weniger funktionierenden Teile zu kaschieren wusste. So viele Sketche wie Die wunderbare Welt der Schwerkraft kann Der Sinn des Lebens nicht unterbringen und so fallen die weniger funktionalen Parts wie eben der Restaurantzwischenfall deutlicher auf. Manchmal bricht eine Nummer sogar in sich entzwei, etwa wenn zunächst einem Lebenden diverse Organe entnommen werden (und der Film blutiger wird als es sich die Killerkaninchen je hätten erträumen können), nur um dann Eric Idle einem Kühlschrank entsteigen zu lassen, der der Witwe ein (hervorragendes) Ständchen über das Universum zum Besten bringt (und das knapp zehn Jahre später in familienfreundlicherer Version für die Trickserie Animaniacs adaptiert wurde).

Am besten ist der Film, wenn er sich auf die absoluten Stärken der Gruppe konzentriert: hemmungsloser Nonsens und süffisante Kommentare zu gesellschaftspolitischen Themen. Da wird die Arbeiterstadt Yorkshire zur Dritten Welt, in der Katholiken beklagen, dass das Tragen von Kondomen ihnen verboten ist, während eine Protestantin erfährt, dass sie so oft Sex haben könnte, wie sie wollte - theoretisch. Und wenn man sich gänzlich in eine obskure Ecke manövriert hat (wie im Afrika-Sketch), dann wird die Situation eben ohne Klimax zum nächsten Beitrag übergeblendet.
So ist der teuerste und tricktechnisch aufwendigste der Monty Python-Filme zugleich der Schwächste. All die guten, mitunter auch grandiosen Momente können nicht kaschieren, dass es merklich im Getriebe der Truppe rumort. Und letztlich geht mit der sehr viel größeren, bombastischeren Inszenierung auch ein bisschen der Low-Budget-Charme der Vorgänger verloren. Die Pythons der 80er waren augenscheinlich nicht mehr die Pythons der 70er und rückblickend ist es wohl weise gewesen, es nach diesem Film nicht noch einmal zu versuchen. Denn Die Ritter der Kokosnuß wird immer über eine Runde Find the Fish triumphieren.




Mittwoch, 10. September 2014

Capsule Reviews: 2014 Edition #1




DALLAS BUYERS CLUB
USA 2013, Regie: Jean-Marc Vallée, Dt. Erstaufführung: 06.02.2014

Erzählerisch sehr konventionell gehalten, von der Bildgestaltung und den Schauspielern aber superbes Drama um einen homophoben Redneck, der sich zur Beginn der AIDS-Welle in den USA infiziert und dann damit beginnt, ein experimentelles Medikament zu schmuggeln und unter die Leute zu bringen - gegen Bares, versteht sich.
Matthew McConaughey und Jared Leto zeigen dass, was in US-Kritiken gern als "powerhouse performance" bezeichnet wird. Beide spielen sich die Seele aus dem Leib, McConaughey extrovertiert, Leto introvertiert. Die eigentlich unmögliche Freundschaft zwischen dem Transsexuellen und dem dumpfen Cowboy ist das Herzstück des Films und es wäre nicht verwunderlich, wenn diese Beziehung am Ende des Kinojahres als eine der schönsten im Gedächtnis bleiben würde. Ansonsten wartet der Film mit hypnotischen Bildern auf, auch wenn die "sexuelle Verzweiflung" etwas zu einseitig nur aus Woodruffs Sicht gezeigt wird. Schauspielerisch hat der Film seine Auszeichnungen auf jeden Fall verdient.
3/4


HANNAS REISE
Deutschland/Israel 2013, Regie: Julia von Heinz, Dt. Erstaufführung: 23.01.2014

Das Deutschland und Israel auf ewig miteinander verzahnt sein werden, ist bekannt. Und nach den unzähligen Filmen über die historische Schuld und Verantwortung sollte man meinen, es sei alles gesagt. Zum Teil ist dies bei Hannas Reise auch der Fall, denn bahnbrechende neue Erkenntnisse liefert der Film nicht, auch inszenatorisch bewegt er sich eher auf TV-Film-Niveau, aber - und es ist ein großes aber - die Schauspieler und das trotz aller Konstrukte kluge Drehbuch heben den Film deutlich an. Hanna (Karoline Schuch) ist ein Jung-Yuppie, um eine begehrte Stelle zu bekommen will sie soziales Engagement vorgaukeln und bittet ihre verhasste Mutter (Suzanne von Borsody), eine Alt-Linke, die ein Austauschprogramm betreibt, ihr eine Praktikumsbestätigung für die Arbeit mit geistig behinderten Menschen in Israel auszustellen ("Behinderte Juden zählen doppelt", wie sie bemerkt). Doch diese weigert sich und verschafft der Zicke stattdessen wirklich ein Praktikum in eben solch einer Einrichtung. Man ahnt es: Hanna wird geläutert, verliebt sich (trotz ähnlich karrieregeilem Freund daheim) in einen Israeli (Doron Amit) und beginnt, ihr Leben zu überdenken. So weit, so bekannt, aber Regisseurin von Heinz findet intime Einblicke in den Alltag eines nie zur Ruhe kommenden Landes und in das Verhältnis zwischen den Nationen. Gerade das herrlich offene Ende ist ein Genuss. Als Läuterungsgeschichte ist Hannas Reise mitunter schmerzlich vorhersehbar, als Beitrag zu einem nicht ganz einfachen Verhältnis, das sich bis in jede Verästelung des gemeinsamen Lebens fortpflanzt, wird er von guten Darstellern getragen, die ihren Figuren das nötige Leben einzuhauchen vermögen.
2.5/3




DER HUNDERTJÄHRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND
(
Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann)
Schweden 2013, Regie: Felix Herngen, Dt. Erstaufführung: 20.03.2014

Ein aufwändiger Titel für einen ziemlich unaufwendigen Film. Basierend auf dem Bestseller von Jonas Jonasson, ist dies Arthouse-Wohlfühlkino der arg genügsamen Sorte. Der Held ist ein unbedarfter Senior, der sein ganzes Leben von Situation zu Situation geschlittert ist, ohne sie ganz zu erfassen. Allen (Robert Gustafsson), so sein Name, scheint augenscheinlich eine geistige Einschränkung zu haben, der Film tänzelt um diesen Fakt aber herum, ohne konkret zu werden. Stattdessen wird eine doch sehr an Forrest Gump erinnernde historische Nummernrevue präsentiert, die nur durch das Aufblitzen von schwedischer Schelmenhaftigkeit aufgelockert wird. Ansonsten versterben Figuren bei grotesken Unfällen und irgendwann ist die Farce einfach vorbei, ohne einen Sinn für Abschluss oder Pointe. Ein leidlich sehenswerter Film, der bemüht-freundlich dahinplätschert und schon beim Anschauen im Gedächtnis verblasst. Der Anspruch, Weltkino und ganz eigene Identität miteinander zu verbinden muss als gescheitert angesehen werden.
2/4




MANDELA - DER LANGE WEG ZUR FREIHEIT
(Mandela: Long Walk To Freedom)
Großbritannien/Südafrika 2013, Regie: Justin Chadwick, Dt. Erstaufführung: 30.01.2014

So sehr man Nelson Mandela auch als Person bewundert, seine Integrität bestaunt und sein Leben Revue passieren lässt, man muss es einfach sagen: die mit Idris Elba durchaus gut besetzte Filmbiographie ist nur ein weiteres braves Biopic, dass geschichtliche Landmarken abhakt und trotz einer Spiellänge von fast 2 1/2 Stunden immer etwas gehetzt wirkt. Man kann, man sollte nichts vergessen. Doch was auf der Strecke bleibt ist ein tieferes Verständnis für den Menschen, vielleicht auch, weil man Elba stets als Schauspieler in seiner Rolle wahrnimmt und weniger als Mandela. Der Film reißt sich ein Bein aus, lässt auch Mandelas weniger erfreuliche Charakterzüge durchblitzen, vergisst das Schicksal seiner Frau Winnie nicht und kratzt doch auf irritierende Weise nur an der Oberfläche. Der Wandel vom der Gewalt nicht abgeneigten jungen Mann zum Vorbild für die Welt wird kaum erfahrbar gemacht, auch wenn Chadwicks Film stets unterhaltsam und informierend daher kommt. Doch vielleicht liegt gerade hier der Hase im Pfeffer: Mandela ist zu sehr kinotaugliche Dokumentation denn mit allen Sinnen goutierbarer Spielfilm, eine Miniserie, die sich den einzelnen Stationen in seinem Leben ausführlicher gewidmet hätte, wäre wohl eine diskutierbare Alternative gewesen. So ist der Film handwerklich hervorragend, inhaltlich aber zu durchschnittlich gestaltet. Aber immerhin ist Mandela besser als Goodbye Bafana.
2.5/4




STAUDAMM
Deutschland 2013, Regie: Thomas Sieben, Dt. Erstaufführung: 30.01.2014

Ein spröder Film aus deutschen Landen, der den Assistenten (Friedrich Mücke) eines Anwalts in die Provinz schickt, um Akten über einen Amoklauf an einer Schule abzuholen. Die Aushändigung verzögert sich und so bleibt dem desinteressierten Eigenbrötler genug Zeit, um mit einer der Überlebenden (Liv Lisa Fries) anzubandeln. Klingt wenig spektakulär, ist es auch, aber Regisseur Thomas Sieben gelingt es dennoch, eine gewisse Sogwirkung zu entfalten. Mit teilweise herrlich melancholischen Bildern beschäftigt sich der im Kino völlig untergegangene Staudamm zudem mit der Frage, ob es trotz aller Nachforschungen und Spekulationen überhaupt eine letzte, allgemeingültige Antwort auf die Frage geben kann, warum ein Mensch zum Amokläufer wird. Ein sperriger Film für ein kleineres Publikum, aber deswegen nicht weniger involvierend.
3/4

Montag, 8. September 2014

Monty Python - Das Leben des Brian (1979)




MONTY PYTHON – DAS LEBEN DES BRIAN
(Monty Python’s Life of Brian)
Großbritannien 1979
Dt. Erstaufführung: 14.08.1980
Regie: Terry Jones

Nach einem Kompilationsfilm und einer günstigen Suche nach dem Heiligen Gral war es für die britische Formation Monty Python an der Zeit, etwas Größeres zu wagen. So entstand fern der englischen Heimat in Tunesien der auch inhaltlich deutlich ambitioniertere Das Leben des Brian, sicherlich der kontroverseste, aber auch beste Film der Komiker. Wobei die Kontroverse nur zum Erfolg des Werks beigetragen hat. Wie immer war das, was von einigen als besonders verwerflich eingestuft wurde, ausnehmend interessant und bescherte den Kinos, die Das Leben des Brian ins Programm nahmen, hohe Einnahmen. Schweden konnte gar mit dem hübschen Spruch "Der Film ist so witzig, dass er in Norwegen nicht gezeigt werden darf" werben, weil die Satire im Nachbarland zunächst verboten wurde. Wie so oft muss und sollte man an dieser Stelle die Frage stellen, ob der Film seiner Reputation überhaupt gewachsen ist, ob die Diskussionen, die um ihn geführt wurden nicht interessanter daherkommen als der Film selbst. Derlei Einwände sind allerdings obsolet, denn Das Leben des Brian ist auch abseits der Kontroverse ein hervorragender Film, der von der Aufregung nur profitiert: die Schmähungen, die er von religiöser Seite erfahren musste, kristallisieren nur seine bissige Kritik an weltanschaulicher und politischer Engstirnigkeit heraus.

Das Jahr 0 der christlichen Zeitrechnung: in einer Nacht in Nazareth werden zwei Kinder geboren. Eins davon wird dereinst von einer Religion als Sohn Gottes verehrt werden, das andere wird einfach Brian (Graham Chapman) sein. 33 Jahre später predigt einer von ihnen zu den Menschen, während der Andere unversehens an eine Gruppe Revoluzzer gerät, die das Land von der römischen Vorherrschaft befreien wollen. Der einsame, Anschluss suchende Brian wird in Folge seiner Untergrundtätigkeiten zum Propheten und Messias wider Willen...

1979 veröffentlicht, schafft es Das Leben des Brian auch Jahrzehnte später ähnlich frisch zu erscheinen wie sein Vorgänger Die Ritter der Kokosnuß. Was der eine für die Spielarten des Genrefilms ist, ist dieser für religiöse Bigotterie. Dabei ist es bemerkenswert, wie wenig der Film beispielsweise den Charakter Jesus antastet - es gibt keinen Zweifel daran, dass er eine außergewöhnliche, vielleicht wirklich göttliche Erscheinung ist, er wird in den kurzen Passagen, in denen er als Protagonist auftritt, mit Respekt behandelt. Die Kritik und damit auch die Satire richtet sich vielmehr gegen alles, was in seinem (oder anderen weltanschaulich konnotierten) Namen auch heute noch auf der Erde geschieht. So zeigt Das Leben des Brian in überspitzer Form, wie schnell und gründlich man eine Botschaft von Liebe und Verständnis als Vorwand nehmen kann, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Und die wirren Verflechtungen von Religion und Politik sind ständig präsent.

So gehört es sicherlich zu den besten Elementen, wenn aus dem Film neben der religiösen Satire eben auch eine politische wird. Gruppierungen, die ein und dasselbe Ziel haben, bekämpfen sich lieber gegenseitig als sich gegen den gemeinsamen Gegner zu verbünden. Eifer ersetzt Pragmatismus, Selbstherrlichkeit überstrahlt die Agenda. Natürlich lässt der Film auch keinen Zweifel daran, dass er eine Verquickung von weltlicher und religiöser Macht nicht gutheißen kann, da er die Parallelen, die sich gerade im Ereiferungspotenzial zeigen, süffisant herausarbeitet.

Ist Das Leben des Brian nun blasphemisch? Kritiker und Fans des britischen Humors sind sich seit 1979 einig, dass dem nicht so ist, in den negativsten Fällen wird der dritte Monty-Python-Film bestenfalls als belanglos-albern abgetan. Religiöse Gefühle kann er nur dann verletzen, wenn sich der Träger jener Gefühle insgeheim nicht sattelfest genug in selbigen empfindet. Denn wer Religion als einzig sakrales Etwas begreift, dass nie hinterfragt werden, geschweigen denn Ausgangspunkt für heiteres Gelächter sein darf, wenn man nicht die auch oft lächerlichen Begleiterscheinungen, die Religion und ihre Gefolgschaft nun mal mit sich bringen, offen ansprechen kann, dann verkommt die Weltanschauung zum inhaltsleeren Kult, zum Totentanz, der nur um seiner selbst willen praktiziert wird. Da es sich bei Religionen um Machtgefüge handelt und niemand freiwillig und bereitwillig Macht abgibt, wohnt ihnen durch ihre (oftmals, man muss es einfach sagen, hörige) Gefolgschaft von jeher der Reflex inne, sie gegen alles, was auch nur im Entferntesten nach Kritik klingt, zu verteidigen. Dass viele der Boykottierer von damals den Film nicht gesehen hatten und  mit teils abstrusen Ausreden von diesem Umstand ablenken wollten, ist dabei schon fast systemrelevant.

So bleibt es dabei, dass der bei allen albernen Einfällen äußerst klug daherkommende (und meistens einfach urkomische) Das Leben des Brian ein hervorragender Film ist, der alle Mittel der Satire nutzt, um die wahrlich haarsträubenden Aspekte dessen herauszukehren, was für viele Menschen einen (manchmal viel zu großen) Stellenwert im Leben hat. Brian fungiert im Film stets als Beobachter, der ob der Sinnlosigkeit seiner Umgebung zu verzweifeln droht. Auch Jahrzehnte später steht Das Leben des Brian wie ein Fels in der Brandung in einer Welt, in der sich Menschen wegen den angeblichen Aufträgen nicht beweisbarer Wesen immer noch massenhaft ermorden. Monty Pythons Meisterwerk ist ein Ventil für alle, denen nach der Tagesschau auch oft nicht mehr einfällt als: "You silly socks."