Mittwoch, 10. September 2014

Capsule Reviews: 2014 Edition #1




DALLAS BUYERS CLUB
USA 2013, Regie: Jean-Marc Vallée, Dt. Erstaufführung: 06.02.2014

Erzählerisch sehr konventionell gehalten, von der Bildgestaltung und den Schauspielern aber superbes Drama um einen homophoben Redneck, der sich zur Beginn der AIDS-Welle in den USA infiziert und dann damit beginnt, ein experimentelles Medikament zu schmuggeln und unter die Leute zu bringen - gegen Bares, versteht sich.
Matthew McConaughey und Jared Leto zeigen dass, was in US-Kritiken gern als "powerhouse performance" bezeichnet wird. Beide spielen sich die Seele aus dem Leib, McConaughey extrovertiert, Leto introvertiert. Die eigentlich unmögliche Freundschaft zwischen dem Transsexuellen und dem dumpfen Cowboy ist das Herzstück des Films und es wäre nicht verwunderlich, wenn diese Beziehung am Ende des Kinojahres als eine der schönsten im Gedächtnis bleiben würde. Ansonsten wartet der Film mit hypnotischen Bildern auf, auch wenn die "sexuelle Verzweiflung" etwas zu einseitig nur aus Woodruffs Sicht gezeigt wird. Schauspielerisch hat der Film seine Auszeichnungen auf jeden Fall verdient.
3/4


HANNAS REISE
Deutschland/Israel 2013, Regie: Julia von Heinz, Dt. Erstaufführung: 23.01.2014

Das Deutschland und Israel auf ewig miteinander verzahnt sein werden, ist bekannt. Und nach den unzähligen Filmen über die historische Schuld und Verantwortung sollte man meinen, es sei alles gesagt. Zum Teil ist dies bei Hannas Reise auch der Fall, denn bahnbrechende neue Erkenntnisse liefert der Film nicht, auch inszenatorisch bewegt er sich eher auf TV-Film-Niveau, aber - und es ist ein großes aber - die Schauspieler und das trotz aller Konstrukte kluge Drehbuch heben den Film deutlich an. Hanna (Karoline Schuch) ist ein Jung-Yuppie, um eine begehrte Stelle zu bekommen will sie soziales Engagement vorgaukeln und bittet ihre verhasste Mutter (Suzanne von Borsody), eine Alt-Linke, die ein Austauschprogramm betreibt, ihr eine Praktikumsbestätigung für die Arbeit mit geistig behinderten Menschen in Israel auszustellen ("Behinderte Juden zählen doppelt", wie sie bemerkt). Doch diese weigert sich und verschafft der Zicke stattdessen wirklich ein Praktikum in eben solch einer Einrichtung. Man ahnt es: Hanna wird geläutert, verliebt sich (trotz ähnlich karrieregeilem Freund daheim) in einen Israeli (Doron Amit) und beginnt, ihr Leben zu überdenken. So weit, so bekannt, aber Regisseurin von Heinz findet intime Einblicke in den Alltag eines nie zur Ruhe kommenden Landes und in das Verhältnis zwischen den Nationen. Gerade das herrlich offene Ende ist ein Genuss. Als Läuterungsgeschichte ist Hannas Reise mitunter schmerzlich vorhersehbar, als Beitrag zu einem nicht ganz einfachen Verhältnis, das sich bis in jede Verästelung des gemeinsamen Lebens fortpflanzt, wird er von guten Darstellern getragen, die ihren Figuren das nötige Leben einzuhauchen vermögen.
2.5/3




DER HUNDERTJÄHRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND
(
Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann)
Schweden 2013, Regie: Felix Herngen, Dt. Erstaufführung: 20.03.2014

Ein aufwändiger Titel für einen ziemlich unaufwendigen Film. Basierend auf dem Bestseller von Jonas Jonasson, ist dies Arthouse-Wohlfühlkino der arg genügsamen Sorte. Der Held ist ein unbedarfter Senior, der sein ganzes Leben von Situation zu Situation geschlittert ist, ohne sie ganz zu erfassen. Allen (Robert Gustafsson), so sein Name, scheint augenscheinlich eine geistige Einschränkung zu haben, der Film tänzelt um diesen Fakt aber herum, ohne konkret zu werden. Stattdessen wird eine doch sehr an Forrest Gump erinnernde historische Nummernrevue präsentiert, die nur durch das Aufblitzen von schwedischer Schelmenhaftigkeit aufgelockert wird. Ansonsten versterben Figuren bei grotesken Unfällen und irgendwann ist die Farce einfach vorbei, ohne einen Sinn für Abschluss oder Pointe. Ein leidlich sehenswerter Film, der bemüht-freundlich dahinplätschert und schon beim Anschauen im Gedächtnis verblasst. Der Anspruch, Weltkino und ganz eigene Identität miteinander zu verbinden muss als gescheitert angesehen werden.
2/4




MANDELA - DER LANGE WEG ZUR FREIHEIT
(Mandela: Long Walk To Freedom)
Großbritannien/Südafrika 2013, Regie: Justin Chadwick, Dt. Erstaufführung: 30.01.2014

So sehr man Nelson Mandela auch als Person bewundert, seine Integrität bestaunt und sein Leben Revue passieren lässt, man muss es einfach sagen: die mit Idris Elba durchaus gut besetzte Filmbiographie ist nur ein weiteres braves Biopic, dass geschichtliche Landmarken abhakt und trotz einer Spiellänge von fast 2 1/2 Stunden immer etwas gehetzt wirkt. Man kann, man sollte nichts vergessen. Doch was auf der Strecke bleibt ist ein tieferes Verständnis für den Menschen, vielleicht auch, weil man Elba stets als Schauspieler in seiner Rolle wahrnimmt und weniger als Mandela. Der Film reißt sich ein Bein aus, lässt auch Mandelas weniger erfreuliche Charakterzüge durchblitzen, vergisst das Schicksal seiner Frau Winnie nicht und kratzt doch auf irritierende Weise nur an der Oberfläche. Der Wandel vom der Gewalt nicht abgeneigten jungen Mann zum Vorbild für die Welt wird kaum erfahrbar gemacht, auch wenn Chadwicks Film stets unterhaltsam und informierend daher kommt. Doch vielleicht liegt gerade hier der Hase im Pfeffer: Mandela ist zu sehr kinotaugliche Dokumentation denn mit allen Sinnen goutierbarer Spielfilm, eine Miniserie, die sich den einzelnen Stationen in seinem Leben ausführlicher gewidmet hätte, wäre wohl eine diskutierbare Alternative gewesen. So ist der Film handwerklich hervorragend, inhaltlich aber zu durchschnittlich gestaltet. Aber immerhin ist Mandela besser als Goodbye Bafana.
2.5/4




STAUDAMM
Deutschland 2013, Regie: Thomas Sieben, Dt. Erstaufführung: 30.01.2014

Ein spröder Film aus deutschen Landen, der den Assistenten (Friedrich Mücke) eines Anwalts in die Provinz schickt, um Akten über einen Amoklauf an einer Schule abzuholen. Die Aushändigung verzögert sich und so bleibt dem desinteressierten Eigenbrötler genug Zeit, um mit einer der Überlebenden (Liv Lisa Fries) anzubandeln. Klingt wenig spektakulär, ist es auch, aber Regisseur Thomas Sieben gelingt es dennoch, eine gewisse Sogwirkung zu entfalten. Mit teilweise herrlich melancholischen Bildern beschäftigt sich der im Kino völlig untergegangene Staudamm zudem mit der Frage, ob es trotz aller Nachforschungen und Spekulationen überhaupt eine letzte, allgemeingültige Antwort auf die Frage geben kann, warum ein Mensch zum Amokläufer wird. Ein sperriger Film für ein kleineres Publikum, aber deswegen nicht weniger involvierend.
3/4

1 Kommentar:

  1. Liv Lisa Fries sucht sich anscheinend bisher immer die sperrigen Filme aus. "Und morgen bin ich tot" ist ja ebenfalls ein extrem sperriger, aber von ihr äußerst gut gespielter, Film. Bin gespannt, was da noch zukünftig kommen mag.

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