NOAH
USA 2014
Dt. Erstaufführung: 03.04.2014
Regie: Darren Aronofsky
Dt. Erstaufführung: 03.04.2014
Regie: Darren Aronofsky
Eins hat Regisseur Darren Aronofsky (Black Swan, The Fountain) auf jeden Fall verstanden:
bei der Bibel handelt es sich um eine Ansammlung von Fantasygeschichten. Die
gleichen Menschen, die Fantasien (gerade sexuellen) reichlich skeptisch bis
feindselig gegenüberstehen haben im Gegenzug kein Problem, Geschichten über
magisch geteilte Meere, Jungfrauengeburten und sprechende Büsche zu glauben,
Allegoriecharakter hin oder her. So ist Noah
unter diesem Gesichtspunkt ein Film, der durchaus interessante Ansatzpunkte
bietet und sich in der ersten Hälfte als unterhaltsamer Fantasy-Trash
präsentiert. Doch um die fragwürdigen Implikationen, die der Mär von der
Sintflut innewohnen, schlängelt sich der Film herum wie die computeranimierte
Schlange im Paradies, auch wenn die zweite Hälfte durchaus Fragen nach
religiösem Fundamentalismus aufwirft. Insgesamt ist Noah aber zu
unentschlossen, um als durchweg gelungener Beitrag zum Bibelfilm gewertet zu
werden.
Noah (Russell
Crowe), einem der letzten Nachfahren der "guten Menschen" aus der
Linie des Set (einem der drei Söhne von Adam und Eva), plagen Visionen vom Weltuntergang und er ist überzeugt, dass
Gott mit ihm spricht und ihn auserwählt hat. Bestärkt durch seinen Großvater
Methusalem (Anthony Hopkins) und eine göttliche Materialbeschaffung beginnt
Noah mit dem Bau einer Arche, in der zumindest die Tiere der Erde vor der
kommenden, alles reinigenden Sintflut gerettet werden sollen. Natürlich bleibt
so ein Unterfangen nicht unbemerkt und als der Bau in den finalen Zügen liegt,
tauchen die Nachfahren Kains, die "schlechten Menschen" auf, um ihren
Platz auf dem rettenden Schiff einzufordern...
Um einige der drängendsten
und offensichtlichsten Fragen larviert sich Noah
herum. Ständig erwähnt er die drei Söhne Adam und Evas, Kain, Abel und Set,
lässt ersteren mithilfe gefallener Engel, die auf der Erde zu Steinwesen
wurden, eine Zivilisation gründen und beantwortet nicht, wie dies ein einzelner
Mann ohne Möglichkeit zur Fortpflanzung geschafft haben soll. Später wird
dieser Umstand die Überlebenden betreffend dafür umso mehr in den Fokus gerückt
und die inzestuöse Implikation aus der Bibel sogar noch verstärkt. Genetische
Vielfalt ist kein Thema, genauso wie der Film sehr deutlich macht, dass die
Geschichte der Arche auch im Kino keine Beschreibung der menschlichen
Diversität darstellt. Noah ist eine
Geschichte vom "survival of the Whitest", erspart sich lediglich die
Massen an schwarzen Sklaven, die im Zeichentrickfilm In der Arche ist der Wurm drin das Schiff zusammenbauten, um dann
fröhlich in den Fluten unterzugehen. In dieser Präsentation ist Noah nur eine Fortschreibung des Mythos
vom weißen Menschen als allgemeingültigen Rollenmodell, in dem sich alle
anderen Ethnien gefälligst wiederfinden sollen. Dies ist weniger verzeihlich
als die stereotype Zeichnung der Antagonisten, die als Repräsentation aller negativen
menschlichen Eigenschaften durchgewunken werden können.
Doch man muss
die Frage stellen, ob Noah nicht
entrückt ist aus unserer Realität. Das erste Tier, das wir als Zuschauer zu
Gesicht bekommen, ist eine Art Schuppenreh, eine Chimäre aus diversen
Tierarten. An Bord der Arche fallen andere eindeutige Fantasiegestalten der
dunklen Seite des Menschen zum Opfer und dann wären da noch die Steinwesen, die
sich trotz ihrer linkischen Bewegungen als geschickte Baumeister erweisen (und
den Einsatz menschlicher Bauhelfer überflüssig machen). Gerade diese hören sich
in der Beschreibung schlimmer an, als sie im Endeffekt sind. Einen nicht gerade
unerheblichen Anteil daran hat die visuelle Inszenierung, die, wie bei Aronofsky üblich, hervorragend ist. Das Gefühl
der entrückten Welt setzt sich in die Spezialeffekte fort, die gar nicht den
letztgültigen Versuch unternehmen, Fotorealismus vorzugaukeln. Und siehe da, es
funktioniert. Ansonsten sind die optischen Bonmots, die aufgetischt werden,
teilweise grandios. Der Fall der Engel beispielsweise oder die Bebilderung der
Evolution, die es schafft, Wissenschaft und religiöse Allegorie unter einen Hut
zu bringen. Und über die wahrlich beklemmenden Ausflüge in die Welt eines
Hieronymus Bosch kann man kaum genug lobende Worte verlieren.
So generiert
sich Noah vor allem in der ersten
Stunde als vergnüglicher Hybrid zwischen tiefstem Trash und hohen
Kunstkinoambitionen, büßt aber viel Kapital ein, als die Handlung gänzlich auf
die Arche wechselt. Aronofsky
wagt zwar einen Kommentar dahingehend, dass religiöser Fundamentalismus nicht
über den gesunden Menschenverstand siegen sollte, aber der Noah, der sich in
die Vorstellung eines freiwilligen Aussterbens der Menschheit hineingibt, wird
mit fortschreitender Lauflänge ermüdend. Zumal man auch das Potenzial eines erneuten
Sündenfalls, wie er sich in einem Subplot ankündigt, schlicht ungenutzt lässt.
Am Ende steht nur eine generische Konfrontation zwischen zwei (bzw. drei)
Männern. Noah behelligt den Zuschauer
länger, als es gut für ihn ist und irgendwann setzt eine Unruhe ein, wie sie
die Tiere empfinden mögen, wenn sie nach monatelangem Schlaf wieder aufwachen
(ein besonders peinlicher Plot-Kniff, um sich nicht weiter mit der Fauna an
Bord beschäftigen zu müssen). So gibt es nur unnötigen Raum zum Wälzen weiterer
Gedanken wie: Scheut die Betonung eines vegetarischen Lebensstils nicht etwas
zu sehr die Diskussion? Warum weicht der Film so sehr vor einer tiefergehenden
Betrachtung der Dualität des Menschen zurück, obwohl er ständig behauptet, er
würde sich für das Thema interessieren? Und wie gut muss der Weltuntergang
schmecken, wenn man ihn wie Hopkins' Methusalem zelebriert?
Man kann
konstatieren, dass Noah besser ist,
als man nach den teils vernichtenden Kritiken erwarten konnte. Natürlich ist es
religiöser Mumbo-Jumbo mit einigen extrem offensichtlichen Lücken, aber es ist auch
das Werk eines Mannes, der für eine absolut gradlinige Verfilmung wohl auch
nicht zu haben gewesen wäre. Aronofskys Noah ist manchmal
fragwürdig, manchmal langweilig, aber auch visuell berauschend und voller
Details, die entdeckt werden wollen. Kein Film, der eine Sintflut überdauern
würde, aber einer, der gestaltungswilliger und diskursfreudiger daherkommt, als
man ihm jemals zugetraut hätte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen