ANOTHER EARTH
USA 2011
Dt. Erstaufführung: 10.11.2011
Regie: Mike Cahill
Astronauten berichten immer wieder davon, dass der Anblick
der Erde vom Weltraum aus gesehen zu den bedeutendsten Momenten ihres Lebens
zählt. Nun ist ein Flug ins All den allermeisten Erdenbewohnern nicht vergönnt.
In Another Earth kommt ein jeder
Mensch anders in diesen Genuss: eine zweite Erde taucht am Himmel auf.
Das Auftauchen von Earth 2 (nicht zu verwechseln mit einer
gewissen TV-Serie) erfolgt just in der Nacht, in der die junge angehende
Studentin Rhoda Williams (Brit Marling) ihre Aufnahme am MIT feiert und sich
danach alkoholisiert ans Steuer ihres Wagens setzt. Die Nachricht von der
zweiten Erde veranlasst sie, bei voller Fahrt aus dem Fenster zu starren.
Schließlich kracht sie in das Auto des Komponisten John Burroughs (William
Mapother). Ihn befördert sie damit ins Koma, seine Frau (Meggan Lennon), Sohn
(AJ Diana) und ungeborene Tochter tötet sie damit. Rhoda wird verurteilt und
kommt vier Jahre später aus dem Gefängnis frei. Da sie zum Zeitpunkt des
Unfalls minderjährig war, hat Burroughs nie ihren Namen erfahren. Inzwischen
ist die zweite Erde so nah an die erste Erde herangekommen, dass eine
Funkverbindung möglich ist. Wie sich herausstellt, sind die beiden Planeten
identisch – mehr oder weniger. Eine aufkommende Theorie besagt, dass sich die
Synchronität der beiden Welten in dem Moment auseinanderbewegte, als sie ins
jeweilige Blickfeld rückten. Für Rhoda bedeutet das Hoffnung: hat ihr Alter Ego
auf der anderen Erde keine Familie auf dem Gewissen? So bewirbt sie sich nicht
nur mit einem Aufsatz darum, einen Flug zur zweiten Erde zu gewinnen, sondern
fängt auch an, sich beim emotional gebrochenen Burroughs als Haushaltshilfe zu
verdingen…
Eins muss man klar stellen: wer von Another Earth so etwas wie wissenschaftliche Plausibilität
erwartet, der wird gnadenlos enttäuscht. Die beiden Erden bedingen sich nicht
untereinander, obwohl sie sich so nah sind. Keine Naturkatstrophen, keine
Veränderungen der Gezeiten, nichts. Aber darum geht es auch nicht. Another Earth mag einen
Science-fiction-Touch haben, aber es ist eben nur ein Hauch. Regisseur Mike
Cahill interessiert sich vielmehr für das Zwischenmenschliche und legt seinen
Film als Meditation über Schuld, Sühne und Schicksal an. Dabei trifft er nicht
immer den richtigen Ton, aber insgesamt ist sein Spielfilmregiedebüt ein
involvierendes Drama mit starken Bildern. Denn Wissenschaft hin oder her, der
Anblick einer zweiten Erde, die majestätisch am Himmel steht, ist gleichzeitig
erhaben, poetisch und melancholisch.
Die Beziehung zwischen Rhoda und John Burroughs ist das
Herzstück des Films. Vor allem Brit Marling, die auch am Drehbuch mitwirkte,
zeigt ihr schauspielerisches Können. Rhoda ist intelligent, ein Nerd-Girl, wenn
man so will, dass sich exzessiv für den Weltraum interessiert (wer könnte es
ihr bei so etwas wie den eingangs gezeigten Bildern des Jupiters auch verdenken),
das aber durch den Unfall aus ihrem Leben gerissen wird. Rhoda ist per se kein
schlechter Mensch und Marling gelingt es kongenial, den ständigen inneren
Konflikt darzustellen. Rhoda sucht John auf, nicht genau wissend, was sie ihm
eigentlich sagen möchte und verstrickt sich dann immer tiefer in dessen Leben, befreit
ihn aus seiner Trauer und Lethargie, die er mit Prostituierten zu überdecken
versuchte. Dass sie sich ineinander verlieben ist allerdings ein sich nie
wirklich organisch anfühlender Kniff des Drehbuchs. Schlimmer noch, es wirkt
wie eine Ausrede für eine Sexszene. Die tiefe Freundschaft, die sich zwischen
den Beiden entwickelt, ist glaubwürdig, die Inklusion von Sexualität nicht. Der
kurz danach folgenden Aussprache sollte so wohl mehr emotionale Schlagkraft
verliehen werden. Gebraucht hätte der feinsinnige Film so einen Holzhammer nicht,
zumal er damit viel zu sehr ins Melodrama abrutscht.
Another Earth wird
von seinen guten Darstellern und den wunderschönen Bildern getragen und die
hervorragende Filmmusik von Fall on your
Sword trägt ihren Teil zum melancholischen Grundtenor des Films bei. Und das
Ende ist eins jener Sorte, dass Diskussionen eröffnet und die Schicksalsfrage
mit einem Bild beantworten kann. Ein insgesamt starker Film, dem ein klein
wenig mehr fine tuning gut getan
hätte. Aber das kann man leicht vergessen, wenn über dem eigenen Haus eine
zweite Erde thront.
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