Montag, 2. Dezember 2013

Das Wunder von Manhattan (1994)




DAS WUNDER VON MANHATTAN
(Miracle on 34th Street)
USA 1994
Dt. Erstaufführung: 01.12.1994
Regie: Les Mayfield

Das Wunder von Manhattan, zumindest in seiner ersten Inkarnation als Kinofilm 1947, ist eins der weihnachtlichen Pflichtprogramme in den USA. Dementsprechend wird die vierte Aufbereitung des Stoffes (nach zwei TV-Versionen 1955 und 1973) dort harscher beurteilt als hierzulande, wo das Original zwar erhältlich ist, aber kaum den Weg ins Fernsehen finden wird (ob es daran liegt, dass es schwarz/weiß ist, sei dahingestellt – aber auch Ist das Leben nicht schön? wird erst zu später Stunde auf den Zuschauer losgelassen). Deshalb sei mir verziehen, wenn auch hier das 1994iger Remake besprochen wird, dass garantiert in jedem Jahr irgendwo im deutschen Fernsehen auftaucht.

Kris Kringle (Sir Richard Attenborough) sieht nicht nur aus wie der Weihnachtsmann, er weist auch seine weniger kompetenten Doppelgänger zurecht. Bei einer vom Kaufhaus Cole’s veranstalteten Parade weist er auf den alkoholisierten Santa-Darsteller hin, woraufhin die PR-Chefin Dorey Walker (Elizabeth Perkins) ihn aus dem Stand als Ersatz verpflichtet. Krimgle macht seine Aufgabe derartig überzeugend, dass Cole’s ihn auch als Weihnachtsmann für das Kaufhaus verpflichtet, wo er ein erstaunliches Kommunikationstalent an den Tag legt: er spricht unter anderem russisch, suaheli, italienisch und beherrscht die Zeichensprache. Der Weihnachtsmann muss sich ja schließlich überall auf der Welt zurechtfinden, nicht wahr…? Als er Dorey und ihre Kollegen dann auch noch auf eine gewinnbringende Werbeidee aufmerksam macht, ist die Situation perfekt. Klar, dass dieser Erfolg Neider auf den Plan ruft und so schmieden Cole’s Konkurrenten einen geschmacklosen Plan, um Kringle unmöglich zu machen. Dies führt zu einer bizarren Gerichtsverhandlung, in der die Existenz des Weihnachtsmann be- oder widerlegt werden soll. Denn Kringle scheint wirklich mehr zu sein als ein alter Mann, der Santa Claus zum verwechseln ähnlich sieht…

Das Wunder von Manhattan ist einer jener Filme, die man schwerlich nicht mögen kann. Die Handlung ist unbestreitbar kitschig und vorhersehbar, aber sollte man an einen Film wie diesen zynisch oder ironisch herangehen? Zumal man es in punkto Weihnachtsfamilienfilme auch sehr viel schlechter treffen könnte (Versprochen ist versprochen)? Wohl kaum. Zumal der Film in der Gerichtsverhandlung einen erstaunlichen Spagat dazwischen schafft, eine Glaubensbotschaft in den Film zu integrieren, ohne atheistische Zuschauer zu verprellen – auch wenn Gott ständig genannt wird. Der Weihnachtsmann wird gar mit Gott gleichgestellt, der Film erkennt seinen Zuschauern die Intelligenz zu, beide als Fantasiefiguren zu sehen, nur einen von beiden oder beide für bare Münze zu nehmen. Es ist eine Sache des Glaubens, sicherlich, und wenn der Glaube etwas durch und durch positives bewirken kann, warum soll man ihn nicht zulassen? In punkto Gottglaube mag das ein weitaus komplizierter Fall sein als wenn es um den Weihnachtsmann geht, aber Das Wunder von Manhattan ist schlau genug, sich nicht auf diese Diskussion einzulassen. Zugegebenermaßen ist der Fall auch recht dankbar. Im Namen Gottes bringen sich Menschen jeden Tag um, nicht aber im Namen des Weihnachtsmannes. So transformiert sich der Glaube im Kontext des Films zu einer Hoffnung, dass es in einer zynischen Welt noch etwas wie bedingungslose Freundlichkeit gibt. Unter diesem Gesichtspunkt bringt Regisseur Les Mayfield und sein Drehbuchautor John Hughes das gesamte Fest erstaunlich gut auf den Punkt, hat sich doch auch Weihnachten inzwischen weit von seinen religiösen Wurzeln entfernt und kann auch von Menschen gefeiert werden, die nicht daran glauben, dass man eigentlich den Geburtstag des bekanntesten Zimmermanns der Welt feiert.

Ganz ab von solchen Überlegungen, die der Film impliziert, lebt Das Wunder von Manhattan fast ausschließlich von Sir Richard Attenborough und seinem entwaffnenden Portrait von Kris Kringle. Alle anderen Darsteller, auch die altkluge Mara Wilson als Susan Walker, deren Dialoge ein paar Mal zu oft nach Script riechen, stehen in seinem Schatten. Attenborough ist der Weihnachtsmann, den alle wollen und der Großvater, den wohl nur die wenigsten wirklich hatten, auch wenn sich viele in der Retrospektive wahrscheinlich Kringle annähern. Wenn man Attenborough sieht, versteht man, warum er in seinem vorherigen Film Jurassic Park nicht den John Hammond spielen konnte, der im Roman beschrieben wird – er ist einfach zu freundlich.

Zum Zeitpunkt, da diese Besprechung entsteht, ist der Film fast 20 Jahre alt und hat inzwischen einen nicht unerheblichen cineastischen Nostalgiefaktor. Dennoch kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass er schon 1994 die gleiche Wirkung hatte. Das Wunder von Manhattan ist auch ein Stück weit berechnend, aber auf charmante Weise. Es ist ein vollkommener Familienfilm, ohne Störfaktoren für jüngere Zuschauer und genug Material für Ältere (die Methode, mit der Kringel von einem Aggressor aus der Reserve gelockt wird, ist geradezu bösartig). Man kann verstehen, warum es diesen Film alle Jahre wieder auf die Bildschirme verschlägt: Das Wunder von Manhattan ist wunderbar inkonsequente Unterhaltung, warmherzig, in gewisser Weise zeitlos und kann Attenborough als Weihnachtsmann vorweisen. Manchmal reicht es wirklich, das Herz am rechten Fleck zu haben.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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