Samstag, 7. Dezember 2013

Nightmare Before Christmas (1993)




NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS
(The Nightmare Before Christmas)
USA 1993
Dt. Erstaufführung: 08.12.1994
Regie: Henry Selick

Das Regisseur Tim Burton seinen Arbeitgeber Disney verließ, weil dort seine düsteren Ideen nicht gefragt waren, gehört zu den immer wieder zitierten Anekdoten über den Mann, der zunächst für Cap und Capper – Zwei Freunde auf acht Pfoten animierte, dann ein wenig im Layout von Taran und der Zauberkessel aushalf und irgendwann mit Beetlejuice selbst begann, makaberen Welten auf die Leinwand zu bringen. Das der von ihm geschriebene, inzwischen zum Kultfilm avancierte Nightmare Before Christmas schließlich von Disney vertrieben werden sollte, ist eine weitere Trivia-Fußnote. Bei allem abseitigem, das im Film unter der Regie von Henry Selick auch aufgetischt wird, kann er seine Liebe zu den Funktionsweisen der Disney-Trickfilme aber auch nicht verbergen. Nightmare Before Christmas ist zu gleichen Teilen Dekonstruktion und Loblied und das nicht nur, weil der Film als schmissiges Musical angelegt ist.

In Halloweentown, irgendwo in einer anderen Dimension, leben all die Monster und Alpträume, die den Menschen zu Halloween Angst einjagen. König der Gemeinde ist der elegante Jack Skellington, der nach erfolgreichem Abschluss eines weiteren 31. Oktobers in Depressionen verfällt: Jack hat Halloween satt, der Trott nagt an ihm und da erscheint es wie ein Geschenk des Himmels, als er nach einem langen Spaziergang im Wald auf eine Vielzahl von geheimnisvollen Türen stößt. Eine, geformt wie ein Christbaum, tut es ihm besonders an und durch sie gelangt er ins Weihnachtsland. Jack ist fasziniert von den Lichtern, dem Spaß und der vollkommenen Gegensätzlichkeit zu Halloween. Kurzerhand beschließt er, dass dieses Jahr er und seine Monster das Weihnachtsfest ausrichten könnten und lässt den Weihnachtsmann entführen…

Nightmare Before Christmas greift die in den USA äußerst populäre Geschichte Der Grinch von Dr. Seuss auf und verkehrt sie. Im Gegensatz zum Grinch, dem Monster, das Weihnachten hasst und es zerstören will, liebt Jack das Fest und will es zu seinem eigenen machen. Und während der Grinch sich der Strahlkraft von Weihnachten nicht auf ewig entziehen kann, bringen die Monster hier die Stille Nacht mit ihren guten Absichten, aber vollkommenen Unverständnis für das Konzept an den Rand des Abgrunds. Jacks Hingabe bei gleichzeitigem Nicht-Verstehen-Könnens von Weihnachten (Monster sind dazu schlicht nicht gemacht) hat auch etwas tragisches an sich und der Moment der Erkenntnis überkommt den Möchtegern-Weihnachtsmann nicht umsonst auf einem Friedhof.

Die Geschichte ist clever konstruiert, einzig der Bösewicht Oogie Boogie ist zwar an sich ein schillernder Charakter, aber etwas überflüssig und die Liebe zwischen Jack und der Ragdoll Sally ist auch eher ein Script-Konstrukt, auch wenn Sally wichtige dramaturgische Aufgaben übernimmt. Doch das sind alles Haarspalterei im Angesicht dessen, was Nightmare Before Christmas an Bildern, Esprit und makaberen Witz mitbringt.
Gedreht als Stop-Motion-Animationsfilm, also mit Puppen, die 24-mal bewegt werden mussten, um eine Sekunde Film zu erhalten, ist Nightmare Before Christmas ein technisches Meisterstück. Und auch wenn sich die Technik inzwischen dank dem Laika-Studio und seinem ParaNorman nochmals weiterentwickelt hat, so ist auch das 1993 entstandene Weihnachtsmärchen nicht schlecht gealtert. Im Gegenteil, die Flut an Details, die auf jedem kleinen Fernsehschirm verloren gehen, ist atemberaubend. Hinzu kommt ein kongenialer Soundtrack von Danny Elfman, dem selbst die deutsche Synchronisation erstaunlich wenig anhaben kann. Im Original allerdings kommt Elfmans Dichtkunst besser zum Tragen und seine herrlich-verschrobenen Lyrics unterstützen die Geschichte perfekt („These Kids are throwing snowballs / instead of throwing heads“).

Nightmare Before Christmas hat seinen Kultstatus tatsächlich verdient. Der gleichsam unterhaltsame wie einfallsreiche, makabere wie warmherzige Film rückte nicht nur die Technik der Stop-Motion-Animation wieder in breitere Bewusstsein des Publikums, es war auch der Beginn einer ganzen Reihe von thematisch meistens erfrischend abseitigen Trickfilmen, an denen Erwachsene zumeist wohl mehr Spaß haben dürften als (ihre) Kinder (ParaNorman ist der bisherige Höhepunkt dieses Trends). Und mit seinem ehrlichen Herz in monströser Verpackung sollte Nightmare Before Christmas lange vor dem Prestige-Disney-Hass-Projekt Shrek – Der tollkühne Held beweisen, dass man auch ohne ständige selbstverliebte Versicherung der eigenen Coolness sehr wohl neben dem Haus der Maus bestehen kann. Einen Abstecher nach Halloweentown wird man nicht bereuen.



http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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