THE BROKEN CIRCLE
(The Broken Circle Breakdown)
Belgien/Niederlande 2012
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Felix Van Groeningen
Belgien/Niederlande 2012
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Felix Van Groeningen
ACHTUNG! Diese Besprechung beinhaltet
diverse Informationen über den Verlauf der Handlung. Wer ein „reines“
Filmerlebnis bevorzugt, der komme erst nach dem Ansehen auf den Text zurück.
Es gibt zwei Arten von Filmen, die bei der Kritik meistens
nicht allzu gut wegkommen (von Horrorfilmen und dergleichen mal abgesehen): Feel-Good-Movies und die sogenannten
Tear Jerker, jene Filme also, die
bewusst mit den Emotionen des Publikums spielen. Der Vorwurf hinkt zwar etwas,
manipuliert Film als Kunstform doch generell sein Publikum, aber der Fokus
liegt auch mehr auf melodramatischen Stoffen, die etwas zu offensichtlich nach
emotionaler Anteilnahme lechzen (Extrem
laut und unglaublich nah wäre so ein Beispiel). Der
belgisch-niederländischen Produktion The
Broken Circle kann man nun durchaus vorwerfen, ein Tear Jerker zu sein, fährt sie doch nicht nur mit den Figuren
sondern auch mit den Zuschauern emotional Achterbahn und natürlich kann man
darin ein manipulatives Moment erkennen, natürlich kann man dem Film vorwerfen,
er gehe berechnend damit um, welche Knöpfe er beim Zuschauer drücken muss. Und
trotzdem muss man zugeben: Es funktioniert. The
Broken Circle ist gewissermaßen reine Emotion, ein Film, der sich bei allen
süßlichen Momenten, bei aller Leinwandtauglicher Tragik richtig anfühlt.
Elise (Veerle Baetens) hat ein eigenes Tatoo-Studio und
trägt selbst allerlei eingestochenen Körperschmuck. Didier (Johan Heldenbergh)
spielt Banjo in einer Bluegrass-Band, der „reinsten Form von Country, die man
finden kann“. Er ist ein Atheist mit romantischer Ader, sie
pragmatisch-religiös. Sehr viel scheinen die Beiden auf den ersten Blick nicht
gemein zu haben, dennoch besteht von der ersten Begegnung an eine Verbindung
zwischen ihnen, die sich schnell in Liebe wandelt. Als Elise dann schwanger
wird, reagiert Didier zunächst geschockt, beginnt dann aber schnell, das ihm
gehörende, heruntergekommene Bauernhaus zu renovieren. Mit der Geburt von
Tochter Maybelle (Nell Cattrysse) scheint das Glück perfekt, bis diese im Alter
von sechs Jahren an Krebs erkrankt. Das Leben von Elise und Didier gerät aus
den Fugen…
The Broken Circle
ist nicht linear erzählt. Was zunächst wie ein danebengegangener Kunstgriff
aussieht, erfährt man doch ziemlich schnell diverse Elemente, die man sonst
erst nach einiger Zeit zu Gesicht bekommen hätte, entpuppt sich schnell als
dramaturgisch potentes Mittel, um die emotionale Achterbahnfahrt noch zu
verstärken, vor allem aber, um das Gefühl von Leben zu unterstreichen. Freud
und Leid liegen oft nah beieinander und in The
Broken Circle kann ein furchtbarer Streit in der Gegenwart schnell mit
einer wunderbar-witzigen Hochzeit sieben Jahre zuvor oder einem stillen
interfamiliären Moment irgendwo dazwischen gekoppelt sein. Die Struktur
überfordert nicht, auch sind die Vignetten nicht so klein wie jene im ähnlich
erzählten 21 Gramm, vielmehr wird der
Zuschauer so Teil des Lebens von Elise, Maybelle und Didier. Wie Erinnerungen,
die alle Zeiten miteinander verknüpfen, wird man in dieses herrlich
unspektakuläre Leben hineingezogen und durchlebt alle Höhen und Tiefen
unmittelbar mit. Tränen können massenhaft fallen und man sollte sich ihrer
nicht schämen, denn Regisseur Felix Van Groeningen gelingt es mit Hilfe seiner
wie Naturgewalten agierenden Darsteller die allzu pathetischen Manipulationen
außen vor zu halten.
Man muss selbst keine Kinder haben, um die Wucht der
Ereignisse in The Broken Circle zu erahnen.
Und nur ein unverbesserlicher Zyniker wird nicht schmunzeln, wenn Maybelle an
ihrem sechsten Geburtstag ihre Eltern energiegeladen aufweckt, um später mit
ihren kleinen Gästen die Dezibel ordentlich in die Höhe zu treiben, während die
Eltern gute Miene zum anstrengenden Spiel machen. Umso schwerer wiegen die
Erkrankung von Maybelle, ihr Tod und das langsame Zerbrechen von Didier und
Elise. Wenn matschige Erde auf einen kleinen weißen Sarg klatscht, dann ist
dieser Moment auch für den Zuschauer in seiner beiläufigen Rohheit kaum zu
ertragen. Und wenn Didier bei einem Auftritt eine Hasstriade gegen religiös
motivierte Forschungsaufschübe loslässt, die seiner Tochter vielleicht geholfen
hätten, so kann man dies im Kontext nur zu gut verstehen. Veerle Baetens und
Johan Heldenbergh geben alles in ihren Rollen, ihre Liebe fühlt sich ebenso glaubwürdig
an wie ihre grausamen Streits, in denen sie sich Vorwürfe wegen Maybelles Tod
machen und sich gegenseitig trotz der gemeinsamen Trauer aufs tiefste
verletzen. Für Didier ist der Hass auf eine Wissenschaft mit religiöser
Handbremse ein Ausweg, Elise droht an ihrem eher nach innen, auf sie selbst
konzentrierten Hass zu zerbrechen, der den extrovertierten Schmerz ihres Mannes
nicht teilen will und kann.
The Broken Circle
ist bei aller Traurigkeit auch ein Film über die Liebe und als solcher auch in
den dunklen Minuten des Endes (das es etwas mit der Symbolik übertreibt) von
einer gewissen Hoffnung geprägt. Man kann dies als religiöse Erbauung lesen,
die auch Didier schlussendlich annimmt. Oder aber als Erkenntnis, dass man als
Mensch nie ganz rational leben kann, weil sonst das Leben auf der Erde nicht
ertragbar wäre. Ob man Gott oder was auch immer dazu zu Rate ziehen kann, will
oder muss, das überlässt der Film dem Zuschauer (und Didier) selbst.
Ist The Broken Circle ein Tear Jerker? Vermutlich. Aber er ist einer der besten, weil ehrlichsten Vertreter seiner Gattung. Man liebt Elise und Didier, man liebt Maybelle und man ist für etwas weniger als zwei Stunden Teil ihres Lebens – etwas, wofür man uneingeschränkt dankbar sein kann. Und wenn man sich nur wünscht, das eigene Leben hätte auch so einen beschwingten Soundtrack.
Ist The Broken Circle ein Tear Jerker? Vermutlich. Aber er ist einer der besten, weil ehrlichsten Vertreter seiner Gattung. Man liebt Elise und Didier, man liebt Maybelle und man ist für etwas weniger als zwei Stunden Teil ihres Lebens – etwas, wofür man uneingeschränkt dankbar sein kann. Und wenn man sich nur wünscht, das eigene Leben hätte auch so einen beschwingten Soundtrack.
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