Dienstag, 3. Dezember 2013

Rare Exports - Eine Weihnachtsgeschichte (2010)




RARE EXPORTS – EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE
Finnland/Norwegen/Schweden/Frankreich 2010
Dt. Erstaufführung: 23.12.2010
Regie: Jalmari Helander

Tief aus dem Berg Korvatunturi an der finnisch-russischen Grenze graben vom Amerikaner Riley (Per Christian Ellefsen) beauftragte Arbeiter kurz vor Weihnachten etwas aus. Durch die zur Hilfe genommenen Sprengungen glauben die Bewohner am Fuß des Berges, dass Wölfe ausgeschreckt wurden und ihre Lebensgrundlage, die Rentiere, fast vollständig erlegt haben. Aufgebracht versuchen sie, die Schuldigen zu stellen, finden aber nur eine verlassene Ausgrabungsstelle und ein gigantisches Loch im Berg vor. Als dann in der Nacht auch noch ein hagerer, nackter, alter Mann (Peeter Jakobi) in eine der vom Anwohner Rauno (Jorma Tommila) aufgestellten Fallen tappt und sich nicht nur als nicht tot, sondern auch als ziemlich gefährlich erweist, ahnt nur Raunos Sohn Pietari (Onni Tommila), was wirklich vor sich geht: die Arbeiter haben den im Eis konservierten Weihnachtsmann freigelegt und der ist gar nicht so freundlich wie in den Geschichten aus der Coca-Cola-Werbung…

Nein, ein freundlicher Weihnachtsfilm ist die skandinavische Produktion Rare Exports nicht. Aber auch kein stumpfer Slasherfilm á la Stille Nacht – Horror Nacht von 1984. Im Gegenteil, sinnloses Töten vermeidet der von Jalmari Helander als Spielfilmdebüt basierend auf zwei seiner eigenen Kurzfilme inszenierte Film konsequent und setzt vielmehr auf eine gelungene Fotografie, gut aufgelegte Darsteller und eine mild-unheimliche Atmosphäre. Ein Gefühl der echten Bedrohung kommt allerdings kaum auf, dafür ist die Prämisse zu augenzwinkernd durchgespielt. Als Horrorfilm funktioniert Rare Exports weniger, als schräge Fantasykomödie, in der viel des Humors aus der simplen Konfrontation zwischen gängigen Weihnachtsmannbildern und Helanders Schöpfung resultiert, ist es ein kurzweiliges Vergnügen.

Rare Exports macht sich über die kulturelle Entwurzelung des Weihnachtsmannes lustig. Nicht nur, dass der Film am Korvantunturi spielt, jener Heimstatt des Weihnachtsmanns, die Mauri Kunas mit seinem unsterblichen Kinderbuch Wo der Weihnachtsmann wohnt bekannt gemacht hat und der in diesem Film ein wenig einladendes Sperrgebiet ist, er macht auch auf das Fehlen jeglicher Ambivalenzen der meisten heutigen Darstellungen aufmerksam. Knecht Ruprecht, jener finstere Begleiter des Nikolaus, ist ebenso verschwunden wie die angsteinflößenden Facetten des Geschenkebringers selbst. Furcht vor der „Ungezogen-Liste“ hat heute wohl kein Kind mehr, dürfte Fehlverhalten doch kaum mehr mit Kohlen im Stiefel am 06. Dezember oder dem Ausbleiben von Geschenken am Heiligen Abend einhergehen. Der Weihnachtsmann, den man nicht nur wegen des materiellen Schadens nicht verärgern sollte, sondern auch weil man sich nie ganz über weitere Konsequenzen im Klaren sein konnte, existiert nicht mehr, auch wenn jüngere Produktionen wie Die Hüter des Lichts durchaus versuchen, der Figur wieder mehr Charaktereigenschaften mitzugeben als nur die des wohlmeinenden Kinderfreunds.
Rare Exports spielt mit all den Erwartungen an die Figur und kann dies auch solange durchhalten, bis der Film glaubt, einen Twist und eine damit einhergehende Explosion einzubauen, was beides weitaus weniger gut funktioniert als augenscheinliche beabsichtigt. Die Dynamik verschiebt sich ungünstig, was vor allem an den Logiklöchern und der Unterhöhlung von allem liegt, was vorher so sorgsam erarbeitet wurde. Darum verliert auch der Schlussgag, der die Kommerzialisierung des Weihnachtsmannes gleichsam bekräftigt und bissig kommentiert, auch einiges an Schlagkraft, zumal er – womöglich unbeabsichtigt – einige geradezu ethische Fragen aufwirft.

Doch sieht man vom fahrigen Ende ab, so ist Rare Exports ein vergnüglicher Film, der durch die liebenswert gezeichnete Hauptfigur Pietari auch erstaunlich viel vom generischen „Geist der Weihnacht“ transportiert. Handwerklich absolut hervorragend und herrlich-kruden Reminiszenzen an John Carpenters Version von Das Ding aus einer anderen Welt, ist dies kein Weihnachtsfilm für die ganze Familie, wohl aber einer für den Teil, der auch mal etwas Abstand von der Zuckerguss-Süßlichkeit braucht.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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