RARE EXPORTS – EINE
WEIHNACHTSGESCHICHTE
Finnland/Norwegen/Schweden/Frankreich 2010
Dt. Erstaufführung: 23.12.2010
Regie: Jalmari Helander
Dt. Erstaufführung: 23.12.2010
Regie: Jalmari Helander
Tief aus dem Berg Korvatunturi an der finnisch-russischen
Grenze graben vom Amerikaner Riley (Per Christian Ellefsen) beauftragte
Arbeiter kurz vor Weihnachten etwas aus. Durch die zur Hilfe genommenen
Sprengungen glauben die Bewohner am Fuß des Berges, dass Wölfe ausgeschreckt
wurden und ihre Lebensgrundlage, die Rentiere, fast vollständig erlegt haben.
Aufgebracht versuchen sie, die Schuldigen zu stellen, finden aber nur eine
verlassene Ausgrabungsstelle und ein gigantisches Loch im Berg vor. Als dann in
der Nacht auch noch ein hagerer, nackter, alter Mann (Peeter Jakobi) in eine
der vom Anwohner Rauno (Jorma Tommila) aufgestellten Fallen tappt und sich
nicht nur als nicht tot, sondern auch als ziemlich gefährlich erweist, ahnt nur
Raunos Sohn Pietari (Onni Tommila), was wirklich vor sich geht: die Arbeiter
haben den im Eis konservierten Weihnachtsmann freigelegt und der ist gar nicht
so freundlich wie in den Geschichten aus der Coca-Cola-Werbung…
Nein, ein freundlicher Weihnachtsfilm ist die skandinavische
Produktion Rare Exports nicht. Aber
auch kein stumpfer Slasherfilm á la Stille
Nacht – Horror Nacht von 1984. Im Gegenteil, sinnloses Töten vermeidet der
von Jalmari Helander als Spielfilmdebüt basierend auf zwei seiner eigenen
Kurzfilme inszenierte Film konsequent und setzt vielmehr auf eine gelungene
Fotografie, gut aufgelegte Darsteller und eine mild-unheimliche Atmosphäre. Ein
Gefühl der echten Bedrohung kommt allerdings kaum auf, dafür ist die Prämisse
zu augenzwinkernd durchgespielt. Als Horrorfilm funktioniert Rare Exports weniger, als schräge
Fantasykomödie, in der viel des Humors aus der simplen Konfrontation zwischen
gängigen Weihnachtsmannbildern und Helanders Schöpfung resultiert, ist es ein
kurzweiliges Vergnügen.
Rare Exports macht
sich über die kulturelle Entwurzelung des Weihnachtsmannes lustig. Nicht nur,
dass der Film am Korvantunturi spielt, jener Heimstatt des Weihnachtsmanns, die
Mauri Kunas mit seinem unsterblichen Kinderbuch Wo der Weihnachtsmann wohnt bekannt gemacht hat und der in diesem
Film ein wenig einladendes Sperrgebiet ist, er macht auch auf das Fehlen
jeglicher Ambivalenzen der meisten heutigen Darstellungen aufmerksam. Knecht
Ruprecht, jener finstere Begleiter des Nikolaus, ist ebenso verschwunden wie
die angsteinflößenden Facetten des Geschenkebringers selbst. Furcht vor der
„Ungezogen-Liste“ hat heute wohl kein Kind mehr, dürfte Fehlverhalten doch kaum
mehr mit Kohlen im Stiefel am 06. Dezember oder dem Ausbleiben von Geschenken
am Heiligen Abend einhergehen. Der Weihnachtsmann, den man nicht nur wegen des
materiellen Schadens nicht verärgern sollte, sondern auch weil man sich nie
ganz über weitere Konsequenzen im Klaren sein konnte, existiert nicht mehr,
auch wenn jüngere Produktionen wie Die
Hüter des Lichts durchaus versuchen, der Figur wieder mehr
Charaktereigenschaften mitzugeben als nur die des wohlmeinenden Kinderfreunds.
Rare Exports
spielt mit all den Erwartungen an die Figur und kann dies auch solange
durchhalten, bis der Film glaubt, einen Twist und eine damit einhergehende
Explosion einzubauen, was beides weitaus weniger gut funktioniert als
augenscheinliche beabsichtigt. Die Dynamik verschiebt sich ungünstig, was vor
allem an den Logiklöchern und der Unterhöhlung von allem liegt, was vorher so
sorgsam erarbeitet wurde. Darum verliert auch der Schlussgag, der die
Kommerzialisierung des Weihnachtsmannes gleichsam bekräftigt und bissig
kommentiert, auch einiges an Schlagkraft, zumal er – womöglich unbeabsichtigt –
einige geradezu ethische Fragen aufwirft.
Doch sieht man vom fahrigen Ende ab, so ist Rare Exports ein vergnüglicher Film, der
durch die liebenswert gezeichnete Hauptfigur Pietari auch erstaunlich viel vom
generischen „Geist der Weihnacht“ transportiert. Handwerklich absolut
hervorragend und herrlich-kruden Reminiszenzen an John Carpenters Version von Das Ding aus einer anderen Welt, ist
dies kein Weihnachtsfilm für die ganze Familie, wohl aber einer für den Teil,
der auch mal etwas Abstand von der Zuckerguss-Süßlichkeit braucht.
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