Dienstag, 17. Dezember 2013

Der Polarexpress (2004)




DER POLAREXPRESS
(The Polar Express)
USA 2004
Dt. Erstaufführung: 25.11.2004
Regie: Robert Zemeckis

Was sollte Robert Zemeckis nach verdienten Erfolgen wie Zurück in die Zukunft, Falsches Spiel mit Roger Rabbit, Forrest Gump, Contact und Cast Away – Verschollen bloß tun? Vielleicht den bisherigen Tiefpunkt seiner Karriere inszenieren? Warum nicht?! Und so belästigte er das Publikum vier Jahre nach Tom Hanks‘ Überlebenskampf auf einer einsamen Insel mit Der Polarexpress, einer über alle Maßen gruseligen, unnötigen Ausrede für einen Weihnachtsfilm.

Ein kleiner Junge, der nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt, sieht sich in der Heiligen Nacht mit einem magischen Zug konfrontiert, der vor seinem Haus hält. Der Schaffner lädt ihn ein, mit ihm und diversen anderen Kindern an den Nordpol zu reisen, um den Weihnachtsmann zu treffen und vielleicht der Glückliche zu sein, der das erste Geschenk des Jahres empfangen darf. Nach einem Augenblick des Zögerns steigt der Junge an Bord und es beginnt eine turbulente Reise voller Gefahren und wunderlicher Begegnungen.

Um das Versagen von Der Polarexpress besser einordnen zu können, sollte man zwei Begriffe kennen: Motion Capture und The Uncanny Valley. Ersteres ist eine Technik, die das Spiel realer Darsteller, in diesem Fall hauptsächlich Tom Hanks, auf animierte Figuren überträgt. Während dies in Der Herr der Ringe oder Planet der Affen – Prevolution durch Andy Serkis zu einer sinnig eingesetzten Kunstform erhoben wurde (Gollum ist immer noch die beste Figur im ganzen Mittelerde-Kosmos), übertragen sich die Bewegungen hier eins zu eins auf am Computer errechnete Marionetten. Damit wären wir auch schon beim Uncanny Valley, einem Begriff aus der Robotik. Im Grunde umschreibt er das Unbehagen, das Menschen empfinden, wenn etwas zwar wie ein Mensch aussieht, sich aber nicht gänzlich wie einer verhält. Zombiefilme machen sich diesen Umstand zunutze und fatalerweise auch Der Polarexpress. Die Charaktere in diesem Film forcieren allesamt so sehr einen Fotorealismus, dass das Zusammenspiel zwischen möglichst perfekter Imitation der Realität und gleichzeitigem Unvermögen, diese abzubilden, zu einer 100 Minuten langen Demonstration des Schauderns wird. Man blickt ständig in kalte, tote Augen und sieht Bewegungsabläufe, die an eine computergestützte Version des animatorischen No-Gos Rotoskopie erinnern (bei dieser Technik wurden die real gefilmten Aufnahmen von Schauspielern einfach abgepaust – exzessiv zu begutachten in der Herr der Ringe-Zeichentrickversion von 1978). Die Figuren tun nur so, als wären sie Menschen und ihrer Verweigerung zur Abstraktion liegt ihr Unvermögen, den Zuschauer anzurühren. Die Menschen, die den Polarexpress bevölkern sind weit weniger ernst zu nehmen als beispielsweise die abstrakteren Bilder, die etwa in Die Unglaublichen geboten werden. So ist Der Polarexpress letztlich auch kein Animationsfilm im Sinne der Verzauberung durch die Biegung der Realität, er macht sich die Kunstform nicht zu Eigen. Dies ist eine kalte Leistungsschau des technisch machbaren, eine klinische Angelegenheit mit den furchtbarsten Filmelfen aller Zeiten.

Hat Der Polarexpress also nichts Gutes an sich? Nicht ganz. In den Actionszenen, zumal sie den Zug involvieren, legt er eine beeindruckende Kinetik an den Tag. Doch auch hier befinden sich Fallstricke, denn der Film ist etwas zu eindeutig als 3D-IMAX-Film konzipiert, seine Gestaltung legt also viel Wert auf den „Achterbahneffekt“, der bei TV-Ausstrahlungen beispielsweise verloren geht und das repetitive Element freilegt: es wird etwas zu oft gerutscht und gefallen und es ist zu offensichtlich, dass der Film seine Möglichkeiten ständig versucht, zur Schau zu stellen. Es gibt eine ganze Reihe von Begebenheiten in Der Polarexpress, die nur dazu da sind, den Jahrmarktcharakter des ganzen Unterfangens zu bebildern und das Interesse erlahmen lassen.
Ein anderes potentes Element ist die Sache mit dem Glöckchen, dessen Klingeln man nur hören kann, wenn man an den Weihnachtsmann glaubt. Dies behandelt der Film mit einem Feingefühl, das ihm sonst fast gänzlich fehlt und schafft es so immerhin, auf einer versöhnlichen Note zu enden, zumal der Geist der Weihnacht ansonsten im Spektakel und der nicht enden wollenden Flut an Uncanny Valley-Bildern ziemlich untergeht.

Der Polarexpress ist ein Film, der es gut meint, aber auf erschreckende Art scheitert. Zu viel Füllmaterial, zu viel Leblosigkeit bei den Figuren und zu wenig Zauber lassen ihn zu einer Technikschau verkommen, die mit sich selbst sehr viel zufriedener ist als sie das Recht dazu hätte. Der Polarexpress ist ein frustrierend überflüssiges Machwerk.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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