Freitag, 20. Dezember 2013

Stirb langsam (1988)




STIRB LANGSAM
(Die Hard)
USA 1988
Dt. Erstaufführung: 10.11.1988
Regie: John McTiernan

Stirb langsam, DER Weihnachtsfilm für Actionfans. Nicht nur die deutschen TV-Sender nehmen John McTiernans Genreklassiker jedes Jahr ins Programm, er dürfte auch in diversen DVD-Playern rotieren, wenn sich das Fest der Liebe naht. Zwar hat er im Kern recht wenig mit Weihnachten zu tun, lediglich der zeitliche Rahmen gibt die Zeit vor, aber daran dürfte sich niemand stören. Es reicht, wenn man einen Weihnachtsbaum im Hintergrund sieht, der Protagonist mit seiner Familie feiern möchte und die Worte „Ho-Ho-Ho“ vorkommen. Verbunden mit jener Art Action, die Hollywood größtenteils verlernt hat zu drehen, ist Stirb langsam immer noch das Kronjuwel in einer Serie, die mit dem jüngsten Outing, Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben auf der unteren Skala des cineastischen Genusses angekommen ist. Wie gut, dass man 1988 davon noch nichts ahnte.

John McClane (Bruce Willis), Polizist aus New York, begibt sich am 24.12. nach Los Angeles, um dort mit seinen Kindern und seiner von ihm getrennt lebenden Frau Holly (Bonnie Bedelia) zu feiern – immer mit der Hoffnung, ihre Beziehung könnte doch noch eine Chance haben. John reist zum Nakatomi Tower, in dem Holly für die international operierende Firma von Herrn Takagi (James Shigeta) arbeitet und in der eine Weihnachtsfeier steigt. Alles ist friedlich, bis eine Terroristengruppe unter der Führung von Jack Gruber (Alan Rickman) das Gebäude stürmt und die Partygäste als Geiseln nimmt. Nur John kann fliehen und beginnt einen Ein-Mann-Kampf gegen die zahlenmäßig überlegenden Aggressoren…

Bei seiner Veröffentlichung erschien Stirb langsam der FSK so grausam, dass sie ihn erst ab 18 freigaben und eine 16er-Fassung nur geschnitten auf Video zuließen. Inzwischen ist der Film ungeschnitten ab 16 freigegeben, was die Frage aufwirft, wie er in den Augen von Zuschauern erscheint, die hauptsächlich nihilistischen Actionmüll wie Passwort Swordfish und Bad Boys II konsumieren. Denn Stirb langsam hat zwar viel Action zu bieten und die Terroristen erleiden unschöne Enden, aber dem Film geht das menschliche Desinteresse ab, das im Genrekino heute allzu oft demonstriert wird. Es sterben auch zwei Geiseln, so viel sei verraten für alle, die den Film noch nicht kennen, aber sie wurden zuvor als Figuren eingeführt und dienen nicht nur als Kanonenfutter. Michael Bay hätte sicherlich mehr Menschen kalt lächelnd über die Klinge springen lassen. Zumal Alan Rickman als Oberterrorist so gut ist, dass er solche Einschüchterungen nicht nötig hat. Man weiß auch so, dass dieser Mann brandgefährlich ist, ohne dass er ständig Exekutionen durchführt. Und Willis‘ John McClane ist hier auch noch ein richtiger Mensch, nicht die unkaputtbare Kampfmaschine neuerer Teile. Im Unterhemd wirkt er manchmal geradezu schlaksig, wenn er barfuß über Glasscherben laufen muss, kommt er an seine Grenzen und McTiernan billigt ihm ohnehin eine gewisse Verletzlichkeit zu. McClane kann den Kampf aufnehmen, weil er ein Profi ist, aber es wird nie vergessen, dass er menschlich an seine äußersten Grenzen gebracht wird. Stirb langsam ist ein Actionfilm mit wirklichem human interest neben dem Spektakel.

Stirb langsam ist zudem eindeutig ein Kind seiner Zeit. Die im Original explizit aus Deutschland stammende Terroristenbande ist unzweifelhaft an die RAF angelegt und ihr nur vorgeschobenes politisches Ansinnen, das lediglich der Tarnung zum Raub von schnödem Mammon gilt, geht schon fast als süffisanter Kommentar durch. Dieser Umstand erschien in Deutschland als zu sorglos und delikat, woraufhin die Herkunft der Antagonisten schwammig als „Europa“ bezeichnet wurde, mit einem gewissen Kopfnicken in Richtung Irland, noch so einem Hot Spot der Zeit. So heißt Rickmans Jack Gruber nur hierzulande Jack, eigentlich hört er auf den Namen Hans. Wenn sich McClane die Namen einzelner Terroristen auf dem Arm notiert, gerät die Synchronisation so auch ins Schlingern: „Euch nenn ich Hans und Karl, wie die bösen Riesen im Märchen.“ Kreativität in ihrer verzweifelsten Form.

Stirb langsam ist ein zwei Stunden langes, perfekt durchkomponiertes Werk, spannend, witzig, kinetisch. Es zeigt Interesse an seinen Figuren, nicht einmal den hippen Chauffeur Argyle (De’voreaux White) lässt es gänzlich zur Witzfigur verkommen. Hinzu kommt ein bemerkenswertes Gespür für Timing und die Sets, die von Jan De Bont gekonnt in Bildern eingefangen werden. Der Kamermann sollte Jahre später einen sogar noch besseren Actionfilm namens Speed inszenieren, aber das nur am Rande… Stirb langsam ist hervorragende Genreunterhaltung, nicht nur zu Weihnachten. Aber wer will sich ernsthaft zu dieser Zeit schon Reginald VelJohnson versagen, der Let it snow singt, während ein toter Terrorist auf seinen Wagen zufliegt?


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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