IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN?
(It’s a Wonderful Life)
USA 1946
Dt. Erstaufführung: 25.12.1962 (TV-Premiere)
Regie: Frank Capra
(It’s a Wonderful Life)
USA 1946
Dt. Erstaufführung: 25.12.1962 (TV-Premiere)
Regie: Frank Capra
George Bailey (James Stewart) ist verzweifelt. Jahrelang hat
er die Arbeiter seiner Heimatstadt Bedford Falls vor den Machenschaften des
raffgieren Potter (Lionel Barrymore) bewahrt, doch nun hat sein schusseliger
Onkel (Thomas Mitchell) 8.000 Dollar verloren und George steht vor dem Ruin,
zusammen mit seiner Bank und allen Leben, die daran hängen. Seine Lebensversicherung
indes ist 15.000 Dollar wert. Also beschließt George, seinem Leben an diesem
verschneiten Heilig Abend ein Ende zu setzen, um so viele andere Leben zu
retten. Schließlich wären sie ohnehin immer besser ohne ihn dran gewesen, nicht
wahr? Nein, meint Clarence (Henry Travers), ein Engel, der sich mit der Rettung
von George seine Flügel verdienen möchte. Er zeigt ihm, wie Bedford Falls
aussehen würde, wenn er nie existiert hätte und wie viele Leben sich zum
schlechteren, nicht zum guten, verändert hätten.
All dies, Cineasten ohnehin seit langem bekannt, spielt sich
in der letzten halben Stunde des zwei Stunden starken Films ab. Es ist wohl nur
der Konklusion zu verdanken, dass Ist das
Leben nicht schön? als DER Weihnachtsfilm schlechthin gehandelt wird, vor
allem in den Vereinigten Staaten. Denn ansonsten hat Frank Capras Film mit dem
Fest nicht viel zu tun, 1 ½ Stunden werden auf die Schilderung von Georges
Leben verwendet und da geht es weniger um Weihnachten als um zerplatzte Träume
und wirtschaftliches Überleben im Zwiespalt zwischen Wirtschaftlichkeit und Altruismus.
Aber natürlich kann man auch hier einen Festverweis finden – geben ist seliger
als nehmen.
Es gibt viele Szenen, Sequenzen und Details in Ist das Leben nicht schön?, die im
Gedächtnis bleiben. Die Dramaturgie erweist sich dabei als manchmal etwas
unglücklich. In Georges Kindheit wird die Erklärung für ein plot device, seine Taubheit auf einem
Ohr, geliefert, um dann zu einer der emotional packensten Sequenzen zu
schwenken: George bewahrt ein anderes Kind vor der Vergiftung durch einen
trauernden Apotheker, der versehentlich Pillen mit Gift anstelle eines
Wirkstoffs herausgegeben hat. Dies ist in seiner scheinbaren Beiläufigkeit so
kraftvoll, dass man sich mehr Szenen mit kindlichem Mut wünscht, weil sie eben
so völlig unprätentiös sind – George tut das Richtige ohne vorherige
Überlegungen. Doch dann erfährt man sehr viel über den erwachsenen George, wie
er sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss und seine Reisepläne, seine
Hoffnungen, dass Kaff Bedford Falls zu verlassen, immer wieder durchkreuzt
werden. George verzichtet for the greater
good auf eine Europareise, aufs College, sogar auf seine Hochzeitsreise. Er
ist der leidensfähige Lakai der Stadt und es hat auch etwas Tragisches an sich,
dass ihm alles verwehrt wird. Sicherlich, man soll es als Bebilderung des
Ausspruchs „Das Leben ist das, was passiert, wenn du andere Pläne machst“ sehen
und sich mit George freuen, wenn am Ende die gesamte Stadt für ihn eintritt,
was letztlich ja auch zur eigenen Rettung beiträgt. Und so wunderschön das
Finale an sich auch ist, man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass Capra
seinem Helden etwas zu viel versagt. Und natürlich wird auch der Schurke Potter
nie zur Rechenschaft gezogen. Man soll ihn bedauern, weil er keinen solch
gesellschaftlichen Rückhalt wie George hat, aber das ist Potter schlicht egal.
Und Menschen bedauern, die um ihre eigene charakterliche Misere nicht wissen,
ist im Film immer etwas unbefriedigend.
So sind George und Potter keine dreidimensionalen Figuren
und wer argumentiert, der Film sei ein modernes Märchen und darum nicht
verpflichtet zur tiefergehenden Charaktersierung jenseits von Chiffren, der
sollte sich daran erinnern wie sehr sich Capra um Authenzität bemüht. Wenn es
um Darlehen und drohende Bankenkollapse geht, dann bekommt man sehr wohl das
Gefühl, dass etwas auf dem Spiel steht. Wenn George seine Familie anherrscht,
dann kann man den Schock der Kinder förmlich spüren. So schafft es der Film
gleichermaßen extrem sorgsam und an entscheidenden Stellen etwas fahrig zu
sein. Womöglich ist es aber auch so, dass der ungebrochene Optimismus des Films
den Zuschauer so sehr packt, dass man sich schlicht nicht damit abfinden will,
dass George keinen seiner Träume verwirklichen kann. Zuhause ist es doch eh am
schönsten, nicht wahr…?
Bei aller Kritik, die man auch bei einem Klassiker wie Ist das Leben nicht schön? anbringen
kann, ist er als Gesamtpaket doch ein ziemlich unterhaltsame Sache. Von Dingen,
die der Entstehungszeit geschuldet und heute etwas irritierend wirken (in der
alternativen Realität ohne George hat seine Frau nie geheiratet, ist eine „alte
Jungfer“, trägt Brille und arbeitet in einer Bibliothek – das Höchstmaß an
weiblicher Nicht-Erfüllung anno 1946, heute peinlicher Sexismus) ist der Film
in seinem Kern gut gealtert. Eine Bank wie die der Baileys dürften sich viele
Menschen heute wieder wünschen und auch wenn die Dramaturgie an mancher Stelle
zu viel, an anderer zu wenig investiert, bleibt der Kern unangetastet. Als
menschliches Drama funktioniert Ist das
Leben nicht schön? hervorragend, er ist elegant inszeniert und – wie gesagt
– das Ende… Nichts für Hardcore-Zyniker, das ist klar, aber wer aus dieser
Gruppe würde schon einen Film mit diesem Titel ansehen? Der weihnachtliche
Aspekt wurde vielleicht in der Retrospektive etwas wichtiger, als er dem Film
an sich war (in den USA lief der Film auch im Januar an, nicht etwa im
Dezember), aber es ist unbestreitbar, dass er so etwas erschuf, dass viele
Menschen anrührte. Selbst wenn es nicht gänzlich absichtlich geschah – schön ist
es trotzdem.
Ist das Leben nicht
schön? ist bei allen kleineren Mängeln ein hervorragender Film über
bedingungslose Hingabe an die Mitmenschen. In einer Welt, in der der hemmungslose
Egoismus zwar angeprangert wird, sich aber trotzdem weiter ausbreitet, sollten
wir vielleicht alle etwas mehr wie George Bailey sein. Man muss ja nicht gleich
alle Träume aufgeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen