Montag, 19. August 2013

Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977)




UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART
(Close Encounters of the Third Kind)
USA 1977
Dt. Erstaufführung: 06.03.1978
Regie: Steven Spielberg

Nach seinem Durchbruchserfolg mit dem Tierhorror Der weiße Hai wandte sich Regisseur Steven Spielberg einem ebenso beliebten Thema zu wie die Angst vor großen, potenziell gefährlichen Tieren: UFOs. Unheimliche Begegnung der dritten Art sieht sich als dezidierte Antithese zu all den Invasionsfilmen der 1950er Jahre, in denen Außerirdische die Erde in den meisten Fällen als Aggressoren besuchen. Bei aller majestätischen Schönheit, die Spezialeffekte-Guru Douglas Trumbull vor allem am Ende auf die Leinwand zaubert, kann man sich aber eines gewissen Manipulationsgefühls nicht erwehren: Wir sollen die Aliens als wohlwollend hinnehmen, obwohl ihre Aktionen eine andere Sprache sprechen.

Roy Neary (Richard Dreyfuss) ist ein Mitarbeiter einer Stromfirma, der eines Nachts auf die Straße geschickt wird, um die Ursache für einen flächendeckenden Stromausfall herauszufinden. Auf seinem Weg erfasst ihn ein helles Licht aus dem Himmel, dass ihm nicht nur einen halbseitigen Sonnenbrand beschert, sondern ihn auch verwirrt zurücklässt. Zusammen mit anderen Zeugen, unter ihnen die Mutter Jillian (Melinda Dillon) und ihr Sohn Barry (Cary Guffey), wird er Zeuge von mehreren UFOs, die sich durch die Nacht bewegen. Danach ist für Roy nichts mehr wie vorher. Er will nicht nur seine Familie überzeugen, dass das Gesehene wahr ist, er beginnt auch, in allen alltäglichen Dingen wie Rasierschaum oder Kartoffelpüree eine geheimnisvolle, bergartige Form zu erkennen. Während sich Roy immer mehr von seiner Familie entfremdet, deuten Wissenschaftler um den französischen Experten Claude Lacombe (Francois Truffaut) rund um den Globus stattfindenden Phänomene als Vorboten eines besonderen, nicht von dieser Welt stammenden Ereignisses, das alle Beteiligten in Wyoming zusammenführen wird.

Die Handhabung, die Spielberg seinem Film erweist, ist im Grunde clever: die unbestimmte Angst, die mit UFOs und ihren potenziellen Piloten verbunden ist, wird erst im Finale restlos in etwas positives umgewandelt. Vorher gibt es wahrlich gruselige Szenen, die vor allem im Heim der jungen Mutter und ihres Sohnes spielen. Nicht nur, dass die Aliens sich eines Nachts Zutritt verschaffen und den Kühlschrank inspizieren (das erste Zusammentreffen zwischen Barry und den Besuchern ist eine der stärksten Szenen des Films), sie kehren auch zurück, um Barry zu entführen. Und genau an diesen Stellen verzettelt sich der Film in seinem vorgegebenen friedlichen Ansatz einer Mensch/Alien-Begegnung. Warum erschrecken die Außerirdischen Jillian zu Tode, warum entführen sie einfach ihren Sohn, warum haben sie bereits Menschen in den 1940er Jahren entführt, um sie dann im Finale keinen Tag älter wieder in die Freiheit zu entlassen, ohne Vorstellung davon, wie viel Zeit vergangen ist? Diese Menschen werden in eine ihnen fremde Welt entlassen, über dreißig Jahre nach ihrer Entführung, die Personen, die sie damals kannten dürften entweder alt oder tot sein oder sich nicht mehr an sie erinnern. Die Aliens haben vielen Menschen dem Leben entrissen, sie zerstören Familien durch eine starke mentale Manipulierung (gleich mehr dazu) und wir als Zuschauer sollen sie als freundliche, verspielte Besucher auch noch wohlwollend annehmen? Unheimliche Begegnung der dritten Art schert sich nicht um seinen Subtext, dieser ist aber so stark, dass er das im Grunde wundervolle Finale negativ überstrahlt. Die Lesart der Spielberg’schen Aliens als engelsgleiche Heilsbringer erscheint vor diesem Hintergrund doch arg übertrieben – mehr noch, geradezu grotesk.

Zum Thema der mentalen Manipulierung: die Aliens haben augenscheinlich die Fähigkeit, das Gehirn von Menschen dahingehend zu beeinflussen, dass sie geradezu manisch dazu getrieben werden, den Ort für den ersten Kontakt herauszufinden und alles daran setzten, dorthin zu gelangen. Roy verhält sich dabei immer mehr wie ein Irrer, der seine Familie entfremdet und schlussendlich auch kein Problem damit hat, dass sie ihn verlassen. Mehr noch, wenn er am Ende als ein Mitglied einer irdischen Delegation an Bord der Raumschiffs geht, hat er nicht den Anflug eines Skrupels, seine Angehörigen für eine sehr lange Zeit – womöglich für immer -  zu verlassen. Seine Kinder werden sich ewig damit beschäftigen, warum er verrückt wurde und dann verschwand (es sei denn, der Erstkontakt gerät mit allen Einzelheiten an die Öffentlichkeit; diese Möglichkeit diskutiert der Film nicht). Da hilft es auch nicht, dass Spielberg vor allem Roys Frau (Teri Garr) als wenig sympathisch charakterisiert, eher wirkt dies wie Faulheit, Spielberg zeigt kein Interesse an einer weniger manipulativen Figurenzeichnung. Wir sollen Roys Familie nicht sonderlich mögen, also ist alles okay, was er, ausgelöst von den Außerirdischen, die offenbar eine perfide Kenntnis des menschlichen Gehirns und der Psyche haben, tut. In seinem tiefsten Innern ist Unheimliche Begegnung ein emotional sehr unehrlicher Film.

Dabei sind all die anderen Elemente, mit denen der Film aufwartet, nah dran an einem wirklich guten Film. Die Effekte sind wahrlich phänomenal, es gibt nicht einen Spezialeffekt in diesem Film, der nicht perfekt daherkommt. Die Schauspieler sind hervorragend, vor allem Francois Truffaut als Lacombe ist ein interessanter Coup. Der 1977 verstorbene Truffaut gilt eher als Ausnahmeregisseur (Sie küssten und sie schlugen ihn, Jules und Jim) denn aus Schauspieler, schlägt sich aber vor allem neben dem fiebrig agierenden Dreyfuss ziemlich gut. Und die Transformation des Aliens vom Monster zum wohlwollenden, gleichwertigen Wesen, dessen Ankunft man wie ein Kind bewundern kann, ist eine hübsche Idee. Man möchte so gern all die ambivalenten Implikationen, die Unheimliche Begegnung in sich trägt, zur Seite wischen und sich ganz auf das kindliche Staunen einlassen, dass Spielberg, der auch das Drehbuch schrieb und so wohl nicht über seine eigenen Widersprüche stolperte, augenscheinlich vorstellte. Man kann dies bei der Ankunft des Mutterschiffs tun, man kann sich von dem Film auch gut unterhalten lassen, seine technischen und dramaturgischen Kniffe bewundern, die alle dem Zahn der Zeit trotzen. Doch die reflexionsfreie Deutung der Aliens in Unheimliche Begegnung der dritten Art als durch und durch wohlgesinnte Besucher sollte man nicht übernehmen. Es gibt einfach zu viele Ambivalenzen in diesem Film, als dass er komplett als naiv-fröhliches Märchen durchgehen könnte.



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