DIE NACHT DER GIRAFFE
(Kebun binatang)
Indonesien/Hongkong/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 17.01.2013
Regie: Edwin
Dt. Erstaufführung: 17.01.2013
Regie: Edwin
Dass das asiatische Kino für den
westlichen Zuschauer einige Blicke über den Tellerrand bereit hält, hat sich
inzwischen sicherlich herumgesprochen. Die
Nacht der Giraffe vom unabhängigen Regisseur Edwin macht da keine Ausnahme.
Es geht ihm mehr um das Assoziative, die Suggestion und das Einfangen von teils
wunderschönen Impressionen als um eine nach gängigen Mustern erzählte
Geschichte. Wer sich auf das Experiment einlässt, der wird hier einiges
lohnenswertes finden, vorausgesetzt, man kommt in der traumartigen Atmosphäre
an, die Edwin erzeugt.
Die kleine Lana wird von ihrem Vater mit drei Jahren im Zoo
von Jakarta zurückgelassen. Das Kind irrt verwirrt durch den Zoo, findet
emotionalen Halt bei den Tieren, vor allem der einzigen Giraffe des Parks und
arbeitet als Erwachsene (Ladya Cheryl) als Pflegerin, Toilettenfrau und an den
Kontrollpunkten der Fahrgeschäfte. Als ein geheimnisvoller Magier (Nicholas
Saputra) in Cowboymontur im Zoo auftaucht, ist Lana so fasziniert von ihm, dass
sie ihr geschütztes Refugium verlässt und als seine Assistentin arbeitet. Als
auch er sie verlässt muss Lana andere Einnahmequellen in einer Welt suchen, die
ihr wohl auf ewig fremd bleiben wird.
Die Nacht der Giraffe
hätte auch ein heftiges Drama werden können, Elemente wie Gewalt, Prostitution
und Missbrauch sind alle enthalten. Doch der Film behält stets seine sphärische
Qualität. Man mag Lana als emotionslos ansehen, scheint ihr doch vor allem ihr
Abstieg zur Masseuse mit sexuellen Nebendienstleistungen nicht viel auszumachen,
doch vielmehr bewegt sie sich wie ein gutmütiges Tier durch die Menschenwelt,
dass aber bei aller äußerlichen Ruhe stets zurück in ihr angestammtes
Territorium zurückwill. Lana nimmt die Welt außerhalb des Zoos hin, doch auf
die Neugierde erfolgt die Ernüchterung. Die
Nacht der Giraffe ist ein Traum, ein schräges Märchen, das sich sehr
bewusst einer stringenten Erzählweise entzieht. Das mag man vom dramaturgischen
Standpunkt aus bemängeln – ebenso wie man sich nach dem morgendlichen Erwachsen
darüber beschweren könnte, dass der gerade geträumte Traum nicht ganz
realistisch war.
Die Kameraarbeit ist exzellent und die durch die Montage
geschaffenen Assoziationsketten faszinierend. Oberflächlich mag der Gegensatz
Zoo/umgebende Stadt als Gut/Schlecht-Schema ziemlich trivial sein, aber Edwin
gelingt es, diesem Paar mehr abzugewinnen. Bei ihm ist der Zoo der Ort, an dem
verschiedene Spezies zusammenkommen und gerade durch ihr Zusammenleben (im
wörtlichen Sinne – viele Tierpfleger leben auch im Zoo) bekommt der Zoo eine
geradezu magische, mystische Qualität; ein Garten Eden, in dem die Vielfalt
Frieden schafft. Außerhalb dieser Schutzzone gibt es weder Tiere, noch
interessieren sich die Menschen für sie. Wann immer Lana ansetzt, ihr
zoologisches Wissen weiterzugeben, reagieren ihre Gegenüber mit Unverständnis
und/oder Desinteresse. Durch diese Konzentration auf eine Spezies, die sich in
ihren Widersprüchen selbst nicht versteht, entstehen nach Edwin die Konflikte
und die Grausamkeiten, die er ihn seinem Film anreißt. In gewisser Weise ist Die Nacht der Giraffe ein Film über die
Notwendigkeit zur Diversität über die Artengrenze hinweg für das menschliche
Wohlbefinden. Nach den erlebten Enttäuschungen (fast alle von Männern begangen
– eine weitere Ebene des Films) ist die Giraffe schließlich das Wesen, dass
Lanas Bedürfnis nach Ruhe und Nähe entsprechen kann. Diese Ikonografie kann man
naiv nennen, aber welches Märchen ist das nicht? Der Respekt vor seinen
tierischen Darstellern spiegelt der Film bis in den Abspann hinein, in dem die
Tiere als Darsteller mit Rollen- und „richtigem“ Namen innerhalb der
Besetzungsliste genannt werden.
Die Nacht der Giraffe
ist ein verschrobener, durchaus faszinierender Film. Er meditiert genauso über
das Wesen des Menschen wie über den Gegensatz von Kultur und Natur, wenn er die
Zootiere nebst manchmal sehr seltsam anmutenden Sekundärattraktionen oder in
kitschig-künstlichen Gehegen zeigt. Die Ruhe, die er dabei ausstrahlt, ist
ebenso eine Klasse für sich. Lanas Konfrontation mit einer höchst ambivalenten
Welt, die ihre Wurzeln zu verlieren droht, ist für experimentierfreudige
Zuschauer auf jeden Fall den einen oder anderen Blick wert.
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