THE IMPOSSIBLE
(Lo imposible)
Spanien 2012
Dt. Erstaufführung: 31.01.2013
Regie: Juan Antonio Bayona
Dt. Erstaufführung: 31.01.2013
Regie: Juan Antonio Bayona
The
Impossible ist ein schwieriger Film. Zum einen geht er emotional an die
Grenzen – es gibt Szenen in J.A. Bayonas (Das
Waisenhaus) Werk über die Flutkatastrophe in Südostasien 2004, die sehr
schwer zu ertragen sind, weil sie einen kompromisslosen Einblick in das Leid
und das Chaos gewähren, welches man hierzulande durch die Nachrichten
größtenteils nur erahnen konnte. Zum anderen bedient er sich dramaturgisch
etwas zu sehr beim Melodrama und das eine Katastrophe, die so gut wie die ganze
Welt in der ein oder anderen Form getroffen hat, aus einer so einseitigen Sicht
wie hier gezeigt wird, stößt eher sauer auf. The Impossible ist ein Film mit den besten Absichten, was seine
streckenweise erstaunlich unsensible Inszenierung nur noch deutlicher
hervortreten lässt.
Maria (Naomi Watts), Henry (Ewan McGregor) und ihre Kinder
Lucas (Tom Holland), Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) sind
eine englische Globetrotterfamilie, die momentan in Japan lebt und arbeitet.
2004 machen sie über Weihnachten Urlaub in Kaho Lak, Thailand, als am 2.
Weihnachtstag ein durch ein Erdbeben ausgelöster Tsunami mit 30 Metern Höhe auf
die Küste zurast und auch das Resort der Familie überschwemmt. Maria und Lukas
werden von den anderen getrennt und gelangen nach der Katstrophe in ein
Krankenhaus. Maria ringt mit dem Tod, während Lukas versucht, anderen
Überlebenden zu helfen. Unterdessen ist Henry mit seinen beiden anderen Söhnen
auf einer verzweifelten Suche nach dem Rest seiner Familie.
The Impossible
beruht auf den Erlebnissen der spanischen Familie Belón. Aus den Spaniern
wurden im Film Engländer. Geschenkt. Dass der Film auch die ganze Zeit über bei
der Familie bleibt, kann als Versuch gewertet werden, das Grauen, eben das
titelgebende „Unmögliche“ auf die kleinste Verrechnungseinheit, die Familie,
herunterzubrechen, ähnlich wie es Steven Spielberg in seinem Krieg der Welten-Remake angegangen ist.
Der Unterschied ist nur, dass Spielberg eine fiktive Geschichte erzählte,
Bayona aber die Realität illustriert. Weit über 225.000 Menschen starben durch
den Tsunami, Millionen wurden obdachlos. Das ein Spielfilm niemals auch nur
annähernd allen Schicksalen gerecht werden kann, sollte Konsens sein. Bei The Impossible kann man sich aber des
Gefühls nicht erwehren, etwas weniger Einseitigkeit hätte dem Film gut getan,
fokussiert er sich doch so sehr auf die Familie, dass er alle anderen
Betroffenen zur bloßen Staffage degradiert.
Dass der Film so fast ausschließlich aus der Perspektive von
wohlhabenden weißen, europäischen Touristen erzählt wird, wirkt dabei wie eine
Fortschreibung der angenommenen Statuten des Weltkinos. Soll sich das Publikum
mit den Hauptfiguren identifizieren, müssen es am besten Angelsachsen sein. Man
kann darüber debattieren, was diese Implikation, vor der sich The Impossible keinesfalls verschließen
kann, über den Zustand des weltweit vermarkteten Films sagt – und sei er auch
nur durch die Verantwortlichen als gegeben vorausgesetzt und womöglich gar
nicht existent. So erhält man den Eindruck, der geneigte Zuschauer könne sich
am besten mit weißen Menschen identifizieren, die aus Ländern wie Schweden,
Deutschland und England kommen. Alle anderen sind unwichtig. Dies führt zu
Szenen die jene, in denen Thomas und Simon ihre Familie wiederfinden, nachdem
sie von einem Laster voller Kinder mitgenommen wurden. Sie sind nicht nur die
einzigen europäischen Kinder auf dem Gefährt, als sie ihrem Bruder und Vater in
die Arme laufen, sieht man die anderen Kindern ihnen geradezu sehnsuchtsvoll hinterher
schauen. Ob sie auch ihre Eltern wiederfinden? Dafür interessiert sich der Film
nicht. Der kleine blonde Daniel (Johan Sundberg) findet seinen Vater wieder,
die Familie Benstrom aus Schweden wird wiedervereint, dass der deutsche Tourist
Karl (Sönke Möhring) seine Frau und Tochter verloren hat, ist mehrfach Anlass
für traurige Szenen. Bayona weiß offenbar, welche europäischen Länder
verhältnismäßig hart getroffen wurden (539 Tote aus Deutschland, 554 Tote aus
Schweden), dennoch beschränkt sich sein The
Impossible auf einen sehr kleinen Ausschnitt der Weltbevölkerung. Thais
beispielsweise treten nur in helfenden Rollen auf – zum Glück sind die
Einheimischen uns Europäern auch nach der Katastrophe freundlich zu Diensten…
Natürlich kann man dies auch von der anderen Seite aus
lesen, also von einer westlichen Überheblichkeitsposition, die bereits durch
den Titel anklingt. Das Unmögliche kann doch niemanden aus einer
Wohlstandgesellschaft passieren, so das Denken, das durch den Tsunami zerstört
wird. Doch die vollkommen Negation von Menschen einer Nicht-Weißen Ethnie als
ebensolche Opfer der Naturkatstrophe zieht sich so sehr als roter Faden durch
den Film, dass diese andere Sichtweise zumindest schwierig wird. Natürlich sollte
es auch im Tod keine unterschiedliche Wertung für Menschen geben, aber als
globales Medienprodukt hat The Impossible
doch einen zu beschränkten Blick. Eine Art Episodenfilm mit vielen
unterschiedlichen Figuren wäre dem Sujet womöglich angemessener gewesen.
Handwerklich ist The
Impossible ein Meisterwerk. Bayona zeigt Willen zum Realismus und er
erspart dem Zuschauer auch blutige Details nicht. Wenn Maria durch das Wasser
geschleudert und von Gegenständen und Baumwurzeln getroffen und ihr Fleisch
aufgerissen wird, dann lässt der Film den Zuschauer mitleiden. Die Sequenz, in
der ein Auto, aus dem Babyschreie tönen, abdriftet und von einer weiteren Welle
erfasst wird, ist grausam. Und die Rekreation der Flutwelle ist technisch
hervorragend und erstaunlich weit von einem ausbeuterischen Ansatz entfernt,
wird der Verlust von Leben und Infrastruktur doch nicht ausgestellt wie auf
einem Jahrmarkt (Clint Eastwoods Hereafter
– Das Leben danach war da zeigefreudiger). Das Bayona der Versuchung
letztlich dennoch erliegt und den Tsunami zum Schluss als Erinnerung Marias
nochmals zeigt, ist diesbezüglich ärgerlich, wirkt es doch wie ein
geschmackloses „Best Of“, trotz der pathetischen „Ich lebe noch“-Metapher mit
der in Zeitlupe aus dem Wasser auftauchenden Maria, die die Erinnerungssequenz
abschließt. Dabei geben sich die Schauspieler sehr viel Mühe und der
individuelle Schmerz wird erfahrbar. Naomi Watts, ohnehin oft sträflich
unterbewertet, tritt natürlich und glaubhaft auf, ebenso Ewan McGregor. Tom
Holland trägt weite Teile des Films erstaunlich souverän alleinig auf seinen
Schultern. Der Rest der Besetzung, inklusive Samuel Joslin und Oaklee
Pendergast, sind nur Hintergrundrauschen.
Als ganz persönliche Erzählung aus einer gigantischen
Katastrophe ist The Impossible ein
involvierendes, handwerklich perfektes und angenehm (man könnte aus sagen:
gefällig) fotografiertes Drama. Als Illustrierung eines realen Ereignisses
fehlen ihm allerdings die Bandbreite und die Sensibilität, um vollends zu
überzeugen. Bayona bringt das Unmögliche dem Zuschauer nahe, das Drehbuch von
Sergio G. Sánchez bleibt aber einseitig und die Inszenierung schreckt auch
nicht vor allzu melodramatischen Konventionen zurück (die Suche im Krankenhaus,
bei der die Familienmitglieder immer wieder aneinander vorbei laufen wäre so
ein Beispiel, ebenso die dem Horror- und Thrillerkino entlehnte Dramatisierung
des Ozeans am Beginn). The Impossible
ist ein zutiefst unausgewogener Film und wird so der Tragweite des Ereignisses,
bei allem Respekt für die zugrundeliegende wahre Geschichte der Familie Belón,
nicht gänzlich gerecht.
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