Donnerstag, 8. August 2013

The Impossible (2012)




THE IMPOSSIBLE
(Lo imposible)
Spanien 2012
Dt. Erstaufführung: 31.01.2013
Regie: Juan Antonio Bayona

The Impossible ist ein schwieriger Film. Zum einen geht er emotional an die Grenzen – es gibt Szenen in J.A. Bayonas (Das Waisenhaus) Werk über die Flutkatastrophe in Südostasien 2004, die sehr schwer zu ertragen sind, weil sie einen kompromisslosen Einblick in das Leid und das Chaos gewähren, welches man hierzulande durch die Nachrichten größtenteils nur erahnen konnte. Zum anderen bedient er sich dramaturgisch etwas zu sehr beim Melodrama und das eine Katastrophe, die so gut wie die ganze Welt in der ein oder anderen Form getroffen hat, aus einer so einseitigen Sicht wie hier gezeigt wird, stößt eher sauer auf. The Impossible ist ein Film mit den besten Absichten, was seine streckenweise erstaunlich unsensible Inszenierung nur noch deutlicher hervortreten lässt.

Maria (Naomi Watts), Henry (Ewan McGregor) und ihre Kinder Lucas (Tom Holland), Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) sind eine englische Globetrotterfamilie, die momentan in Japan lebt und arbeitet. 2004 machen sie über Weihnachten Urlaub in Kaho Lak, Thailand, als am 2. Weihnachtstag ein durch ein Erdbeben ausgelöster Tsunami mit 30 Metern Höhe auf die Küste zurast und auch das Resort der Familie überschwemmt. Maria und Lukas werden von den anderen getrennt und gelangen nach der Katstrophe in ein Krankenhaus. Maria ringt mit dem Tod, während Lukas versucht, anderen Überlebenden zu helfen. Unterdessen ist Henry mit seinen beiden anderen Söhnen auf einer verzweifelten Suche nach dem Rest seiner Familie.

The Impossible beruht auf den Erlebnissen der spanischen Familie Belón. Aus den Spaniern wurden im Film Engländer. Geschenkt. Dass der Film auch die ganze Zeit über bei der Familie bleibt, kann als Versuch gewertet werden, das Grauen, eben das titelgebende „Unmögliche“ auf die kleinste Verrechnungseinheit, die Familie, herunterzubrechen, ähnlich wie es Steven Spielberg in seinem Krieg der Welten-Remake angegangen ist. Der Unterschied ist nur, dass Spielberg eine fiktive Geschichte erzählte, Bayona aber die Realität illustriert. Weit über 225.000 Menschen starben durch den Tsunami, Millionen wurden obdachlos. Das ein Spielfilm niemals auch nur annähernd allen Schicksalen gerecht werden kann, sollte Konsens sein. Bei The Impossible kann man sich aber des Gefühls nicht erwehren, etwas weniger Einseitigkeit hätte dem Film gut getan, fokussiert er sich doch so sehr auf die Familie, dass er alle anderen Betroffenen zur bloßen Staffage degradiert.

Dass der Film so fast ausschließlich aus der Perspektive von wohlhabenden weißen, europäischen Touristen erzählt wird, wirkt dabei wie eine Fortschreibung der angenommenen Statuten des Weltkinos. Soll sich das Publikum mit den Hauptfiguren identifizieren, müssen es am besten Angelsachsen sein. Man kann darüber debattieren, was diese Implikation, vor der sich The Impossible keinesfalls verschließen kann, über den Zustand des weltweit vermarkteten Films sagt – und sei er auch nur durch die Verantwortlichen als gegeben vorausgesetzt und womöglich gar nicht existent. So erhält man den Eindruck, der geneigte Zuschauer könne sich am besten mit weißen Menschen identifizieren, die aus Ländern wie Schweden, Deutschland und England kommen. Alle anderen sind unwichtig. Dies führt zu Szenen die jene, in denen Thomas und Simon ihre Familie wiederfinden, nachdem sie von einem Laster voller Kinder mitgenommen wurden. Sie sind nicht nur die einzigen europäischen Kinder auf dem Gefährt, als sie ihrem Bruder und Vater in die Arme laufen, sieht man die anderen Kindern ihnen geradezu sehnsuchtsvoll hinterher schauen. Ob sie auch ihre Eltern wiederfinden? Dafür interessiert sich der Film nicht. Der kleine blonde Daniel (Johan Sundberg) findet seinen Vater wieder, die Familie Benstrom aus Schweden wird wiedervereint, dass der deutsche Tourist Karl (Sönke Möhring) seine Frau und Tochter verloren hat, ist mehrfach Anlass für traurige Szenen. Bayona weiß offenbar, welche europäischen Länder verhältnismäßig hart getroffen wurden (539 Tote aus Deutschland, 554 Tote aus Schweden), dennoch beschränkt sich sein The Impossible auf einen sehr kleinen Ausschnitt der Weltbevölkerung. Thais beispielsweise treten nur in helfenden Rollen auf – zum Glück sind die Einheimischen uns Europäern auch nach der Katastrophe freundlich zu Diensten…
Natürlich kann man dies auch von der anderen Seite aus lesen, also von einer westlichen Überheblichkeitsposition, die bereits durch den Titel anklingt. Das Unmögliche kann doch niemanden aus einer Wohlstandgesellschaft passieren, so das Denken, das durch den Tsunami zerstört wird. Doch die vollkommen Negation von Menschen einer Nicht-Weißen Ethnie als ebensolche Opfer der Naturkatstrophe zieht sich so sehr als roter Faden durch den Film, dass diese andere Sichtweise zumindest schwierig wird. Natürlich sollte es auch im Tod keine unterschiedliche Wertung für Menschen geben, aber als globales Medienprodukt hat The Impossible doch einen zu beschränkten Blick. Eine Art Episodenfilm mit vielen unterschiedlichen Figuren wäre dem Sujet womöglich angemessener gewesen.

Handwerklich ist The Impossible ein Meisterwerk. Bayona zeigt Willen zum Realismus und er erspart dem Zuschauer auch blutige Details nicht. Wenn Maria durch das Wasser geschleudert und von Gegenständen und Baumwurzeln getroffen und ihr Fleisch aufgerissen wird, dann lässt der Film den Zuschauer mitleiden. Die Sequenz, in der ein Auto, aus dem Babyschreie tönen, abdriftet und von einer weiteren Welle erfasst wird, ist grausam. Und die Rekreation der Flutwelle ist technisch hervorragend und erstaunlich weit von einem ausbeuterischen Ansatz entfernt, wird der Verlust von Leben und Infrastruktur doch nicht ausgestellt wie auf einem Jahrmarkt (Clint Eastwoods Hereafter – Das Leben danach war da zeigefreudiger). Das Bayona der Versuchung letztlich dennoch erliegt und den Tsunami zum Schluss als Erinnerung Marias nochmals zeigt, ist diesbezüglich ärgerlich, wirkt es doch wie ein geschmackloses „Best Of“, trotz der pathetischen „Ich lebe noch“-Metapher mit der in Zeitlupe aus dem Wasser auftauchenden Maria, die die Erinnerungssequenz abschließt. Dabei geben sich die Schauspieler sehr viel Mühe und der individuelle Schmerz wird erfahrbar. Naomi Watts, ohnehin oft sträflich unterbewertet, tritt natürlich und glaubhaft auf, ebenso Ewan McGregor. Tom Holland trägt weite Teile des Films erstaunlich souverän alleinig auf seinen Schultern. Der Rest der Besetzung, inklusive Samuel Joslin und Oaklee Pendergast, sind nur Hintergrundrauschen.

Als ganz persönliche Erzählung aus einer gigantischen Katastrophe ist The Impossible ein involvierendes, handwerklich perfektes und angenehm (man könnte aus sagen: gefällig) fotografiertes Drama. Als Illustrierung eines realen Ereignisses fehlen ihm allerdings die Bandbreite und die Sensibilität, um vollends zu überzeugen. Bayona bringt das Unmögliche dem Zuschauer nahe, das Drehbuch von Sergio G. Sánchez bleibt aber einseitig und die Inszenierung schreckt auch nicht vor allzu melodramatischen Konventionen zurück (die Suche im Krankenhaus, bei der die Familienmitglieder immer wieder aneinander vorbei laufen wäre so ein Beispiel, ebenso die dem Horror- und Thrillerkino entlehnte Dramatisierung des Ozeans am Beginn). The Impossible ist ein zutiefst unausgewogener Film und wird so der Tragweite des Ereignisses, bei allem Respekt für die zugrundeliegende wahre Geschichte der Familie Belón, nicht gänzlich gerecht.



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