Montag, 12. August 2013

Alien Autopsy - Das All zu Gast bei Freunden (2006)




ALIEN AUTOPSY – DAS ALL ZU GAST BEI FREUNDEN
(Alien Autopsy)
Deutschland/Großbritannien 2006
Dt. Erstaufführung: 16.11.2006
Regie: Jonny Campbell

Ja, dieser Film kam während des Fußball-WM der Herren-Jahres 2006 in Deutschland in die Kinos. Anders lässt sich einer der dümmsten Untertitel der jüngeren Kinogeschichte ohnehin nicht erklären. Gestartet mit 53 Kopien und einem Einspielergebnis von hierzulande gerademal etwas über 11.000 € war dem Film kein großer Erfolg beschienen, auch international sah es nicht besser aus. Die DVD ist, obwohl sie erst 2007 auf den Markt kam, gar nur noch über Drittanbieter zu beziehen. Dabei hat Alien Autopsy einiges, was für ihn spricht, auch wenn der Film sich in letzter Konsequenz zu sehr an gängigen Komödienklischees orientiert und ihm die Groteske wichtiger ist als die Charaktere. Aber ansonsten ist er schon deshalb sehenswert, weil er nicht nur einiges über die Macht der Massenmedien zu sagen hat, sondern auch, weil viele der Details in die Kategorie „So verrückt, dass sie wahr sein müssen“ fallen.

Ray Santilli (Declan Donnelly) ist ein Slacker, der seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Video-Raubkopien verdient und mit seiner Oma (Madeleine Moffat) zusammenlebt. Sein bester Freund ist Gary (Ant McPartlin), ein kleiner, frustrierter Angestellter in der Rechtsabteilung eines Keksherstellers. Als Ray Probleme auf dem Schwarzmarkt bekommt und Gary einsieht, dass er in seiner Firma keine Zukunft hat, fliegen die beiden in die USA, um dort Elvis-Memorabilien aufzukaufen, mit denen sie in England dann das große Geld machen wollen. Ein ehemaliger Militärfotograf namens Harvey (Harry Dean Stanton) verkauft ihnen einen stummen schwarz/weiß Film vom Auftritt des Kings und bietet Ray darüber hinaus noch einen weiteren Deal an. Für 30.000 Dollar könnte er die authentische Aufnahme einer 1947 in Roswell, New Mexico, durchgeführten Autopsie an einem außerirdischen Wesen erstehen, die Harvey damals im Auftrag der Army drehte. Ray ist begeistert und lässt sich auf einen Deal mit dem gemeingefährlichen Laszlo Voros (Götz Otto) ein, um an das Geld zu kommen. Doch als der Film mit den beiden Freunden in England ankommt, hat ihm der Zahn der Zeit bereits so zugesetzt, dass nichts mehr auf der Rolle zu erkennen ist. Um nicht Voros‘ Zorn auf sich zu ziehen, beschließen die Beiden, das Gesehene kurzerhand mit einer Puppe und diversen Requisiten aus dem Schlachthof nachzustellen. Der so entstandene Film täuscht nicht nur Voros, sondern, nachdem er an die Öffentlichkeit gelangt, auch die ganze Welt…

Alien Autopsy beruht auf wahren Begebenheiten. Das inzwischen als Santilli-Film bekannte Werk wurde 1995 in alle Welt verkauft, lief im Fernsehen (Ausschnitte der Sendung mit Jonathan Frakes als Host sind im Film zu sehen) und wurde wohlwollend als „eher wahr denn gefälscht“ aufgenommen. Inzwischen hat Santilli zugegeben, die Autopsie so gefälscht zu haben, wie es hier gezeigt wird, beteuert aber, der Film enthalte auch restaurierte Originalframes ebene jenes echten Films, den er 1992 gesehen haben will. Mit anderen Worten: Santilli behauptet, dass das Autopsievideo wirklich existierte, die gesamte Alien-Geschichte also im Kern wahr ist und er lediglich ein „Remake“ gedreht hat. Allein diese Tatsache ist so unglaublich, dass es manchmal schwer fällt, Alien Autopsy seinen fast schon dokumentarischen Wahrheitsgehalt abzukaufen. Allen Anschein nach, sprich durch die Aussagen des echten Ray und des echten Gary, die auch als Produzenten fungierten, sind aber gerade die schrägsten Begebenheiten, die der Film portraitiert, wahr (beispielsweise die Verpflichtung eines Obdachlosen für ein gefälschtes Interview). Ob der Laszlo-Subplot der Realität entspricht, ist eine andere Sache. Und damit wäre man auch beim größten Problem des Films: seiner Figurenzeichnung.

Weder Ray noch Gary sind besonders sympathische Charaktere. Ray ist ein komödientypischer Hitzkopf, der niemals nachdenkt und dennoch gewinnt und seinen hölzernen Freund Gary schlecht bzw. rücksichtslos behandelt, dieser aber nie wirklich ein Gegengewicht zu den Anwandlungen seines Freundes entwickelt. Hier möchte man gerne Screwball-Komödie sein, aber Alien Autopsy schafft es nicht, seine beiden Protagonisten so zu zeichnen, dass sie nicht nur als Aufhänger für die Geschichte dienen. Sehr viel besser ist da Omid Djalili als Melik, einem verkannten Stanley Kubrick, der die gefakte Autopsie auf Film bannt. Götz Otto als Laszlo Voros darf seltsam sein, aber der Film weiß so wenig mit ihm anzufangen, dass er ihn nach der Hälfte sehr holprig aus der Handlung entfernt. Harry Dean Stanton bekommt als Harvey immerhin die besten, weil trockensten, Oneliner in den Mund gelegt.

Herzstück ist natürlich die nachgestellte Autopsie, bei der alles schief geht, was nur schief gehen kann und die dementsprechend gelungen und witzig ist. Was Alien Autopsy aber über das absurd-komische interessant macht, ist die Tatsache, dass man mit diesem gefälschten Video die Welt für einen kurzen Moment an der Nase herumführen konnte. Der massenmediale Hunger nach Sensationen und die sehnliche Hoffnung darauf, endlich einen Beweis für die Existenz von Leben außerhalb der Erde zu erhalten, ist eine hochpotente Mischung und Alien Autopsy hat sichtlich Freude daran, diesen Mechanismus geradezu lakonisch einzufangen. Dabei kommentiert er auch nicht die tiefergehenden Implikationen, die so eine Entdeckung mit sich bringen würde. Nicht nur Ray bleibt ziemlich gelassen ob der Tatsache, dass er als einer der wenigen Menschen auf dem Planeten einen Außerirdischen gesehen hat (zumindest in der Logik des Films – ob der echte Ray die Wahrheit sagt oder nicht, sei dahingestellt), auch die Öffentlichkeit, die das Video ja durchaus wohlwollend goutierte, scheint sich eher für den Nervenkitzel des Augenblicks zu interessieren. Alien Autopsy ist so auch ein kluger Kommentar über die Nachteile der Massenmedien. Wenn alles in immer wieder neuen Variationen unbegrenzt vorhanden ist, verliert das Einzelne, ob gefälscht oder nicht, seinen Wert. YouTube ist so ein Beispiel. Würde jemand eine wirklich authentische Aufnahme eines Aliens, Bigfoots oder sonst etwas mystischem auf die Plattform stellen, würde sie wahrscheinlich in der schieren Fülle aus offensichtlichen Fälschungen, albernen Streichen und ironischen Kommentaren untergehen. Die unablässige Flut von Inhalten lässt eine detaillierte Untersuchung eines einzelnen Sujets kaum noch zu. Somit ist es nur konsequent, dass der Film den „realen“ Autopsiebericht in nur wenigen, kaum erkennbaren Bildern ganz zum Schluss des Films ins Szene setzt. Allen Beteiligten dürfte klar gewesen sein, dass sie sonst nur hätten verlieren können. So bewahrt sich der Film einen Rest an Mystik – auch so ein Phänomen der Medien: Beraube niemanden gänzlich seiner Illusionen.

Alien Autopsy ist ein etwas unausgegorener Mix aus clever Satire und generischer Komödie, die auch vor Geschmacklosigkeiten nicht zurückschreckt (Beispiel Laszlos Kofferraum), auf der anderen Seite aber auch die (Ohn)Macht der Medien gekonnt ins Bild zu setzen weiß. Emotional wird man nicht sonderlich involviert, aber größtenteils gut unterhalten, was auch am gut aufgelegten Soundtrack liegt. Sweet Harmony von The Beloved wurde noch niemals so gut eingesetzt.



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