ALIEN AUTOPSY – DAS
ALL ZU GAST BEI FREUNDEN
(Alien Autopsy)
Deutschland/Großbritannien 2006
Dt. Erstaufführung: 16.11.2006
Regie: Jonny Campbell
Dt. Erstaufführung: 16.11.2006
Regie: Jonny Campbell
Ja, dieser Film kam während des
Fußball-WM der Herren-Jahres 2006 in Deutschland in die Kinos. Anders lässt
sich einer der dümmsten Untertitel der jüngeren Kinogeschichte ohnehin nicht
erklären. Gestartet mit 53 Kopien und einem Einspielergebnis von hierzulande
gerademal etwas über 11.000 € war dem Film kein großer Erfolg beschienen, auch
international sah es nicht besser aus. Die DVD ist, obwohl sie erst 2007 auf
den Markt kam, gar nur noch über Drittanbieter zu beziehen. Dabei hat Alien Autopsy einiges, was für ihn
spricht, auch wenn der Film sich in letzter Konsequenz zu sehr an gängigen
Komödienklischees orientiert und ihm die Groteske wichtiger ist als die
Charaktere. Aber ansonsten ist er schon deshalb sehenswert, weil er nicht nur
einiges über die Macht der Massenmedien zu sagen hat, sondern auch, weil viele
der Details in die Kategorie „So verrückt, dass sie wahr sein müssen“ fallen.
Ray Santilli (Declan Donnelly) ist ein Slacker, der seinen
Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Video-Raubkopien verdient und mit seiner
Oma (Madeleine Moffat) zusammenlebt. Sein bester Freund ist Gary (Ant
McPartlin), ein kleiner, frustrierter Angestellter in der Rechtsabteilung eines
Keksherstellers. Als Ray Probleme auf dem Schwarzmarkt bekommt und Gary
einsieht, dass er in seiner Firma keine Zukunft hat, fliegen die beiden in die
USA, um dort Elvis-Memorabilien aufzukaufen, mit denen sie in England dann das
große Geld machen wollen. Ein ehemaliger Militärfotograf namens Harvey (Harry
Dean Stanton) verkauft ihnen einen stummen schwarz/weiß Film vom Auftritt des
Kings und bietet Ray darüber hinaus noch einen weiteren Deal an. Für 30.000
Dollar könnte er die authentische Aufnahme einer 1947 in Roswell, New Mexico,
durchgeführten Autopsie an einem außerirdischen Wesen erstehen, die Harvey
damals im Auftrag der Army drehte. Ray ist begeistert und lässt sich auf einen
Deal mit dem gemeingefährlichen Laszlo Voros (Götz Otto) ein, um an das Geld zu
kommen. Doch als der Film mit den beiden Freunden in England ankommt, hat ihm
der Zahn der Zeit bereits so zugesetzt, dass nichts mehr auf der Rolle zu
erkennen ist. Um nicht Voros‘ Zorn auf sich zu ziehen, beschließen die Beiden,
das Gesehene kurzerhand mit einer Puppe und diversen Requisiten aus dem
Schlachthof nachzustellen. Der so entstandene Film täuscht nicht nur Voros,
sondern, nachdem er an die Öffentlichkeit gelangt, auch die ganze Welt…
Alien Autopsy
beruht auf wahren Begebenheiten. Das inzwischen als Santilli-Film bekannte Werk
wurde 1995 in alle Welt verkauft, lief im Fernsehen (Ausschnitte der Sendung mit
Jonathan Frakes als Host sind im Film zu sehen) und wurde wohlwollend als „eher
wahr denn gefälscht“ aufgenommen. Inzwischen hat Santilli zugegeben, die
Autopsie so gefälscht zu haben, wie es hier gezeigt wird, beteuert aber, der
Film enthalte auch restaurierte Originalframes ebene jenes echten Films, den er
1992 gesehen haben will. Mit anderen Worten: Santilli behauptet, dass das
Autopsievideo wirklich existierte, die gesamte Alien-Geschichte also im Kern
wahr ist und er lediglich ein „Remake“ gedreht hat. Allein diese Tatsache ist
so unglaublich, dass es manchmal schwer fällt, Alien Autopsy seinen fast schon dokumentarischen Wahrheitsgehalt
abzukaufen. Allen Anschein nach, sprich durch die Aussagen des echten Ray und
des echten Gary, die auch als Produzenten fungierten, sind aber gerade die
schrägsten Begebenheiten, die der Film portraitiert, wahr (beispielsweise die
Verpflichtung eines Obdachlosen für ein gefälschtes Interview). Ob der
Laszlo-Subplot der Realität entspricht, ist eine andere Sache. Und damit wäre
man auch beim größten Problem des Films: seiner Figurenzeichnung.
Weder Ray noch Gary sind besonders sympathische Charaktere.
Ray ist ein komödientypischer Hitzkopf, der niemals nachdenkt und dennoch
gewinnt und seinen hölzernen Freund Gary schlecht bzw. rücksichtslos behandelt,
dieser aber nie wirklich ein Gegengewicht zu den Anwandlungen seines Freundes
entwickelt. Hier möchte man gerne Screwball-Komödie sein, aber Alien Autopsy schafft es nicht, seine
beiden Protagonisten so zu zeichnen, dass sie nicht nur als Aufhänger für die
Geschichte dienen. Sehr viel besser ist da Omid Djalili als Melik, einem
verkannten Stanley Kubrick, der die gefakte Autopsie auf Film bannt. Götz Otto
als Laszlo Voros darf seltsam sein, aber der Film weiß so wenig mit ihm
anzufangen, dass er ihn nach der Hälfte sehr holprig aus der Handlung entfernt.
Harry Dean Stanton bekommt als Harvey immerhin die besten, weil trockensten,
Oneliner in den Mund gelegt.
Herzstück ist natürlich die nachgestellte Autopsie, bei der
alles schief geht, was nur schief gehen kann und die dementsprechend gelungen
und witzig ist. Was Alien Autopsy
aber über das absurd-komische interessant macht, ist die Tatsache, dass man mit
diesem gefälschten Video die Welt für einen kurzen Moment an der Nase herumführen
konnte. Der massenmediale Hunger nach Sensationen und die sehnliche Hoffnung
darauf, endlich einen Beweis für die Existenz von Leben außerhalb der Erde zu
erhalten, ist eine hochpotente Mischung und Alien
Autopsy hat sichtlich Freude daran, diesen Mechanismus geradezu lakonisch
einzufangen. Dabei kommentiert er auch nicht die tiefergehenden Implikationen,
die so eine Entdeckung mit sich bringen würde. Nicht nur Ray bleibt ziemlich
gelassen ob der Tatsache, dass er als einer der wenigen Menschen auf dem
Planeten einen Außerirdischen gesehen hat (zumindest in der Logik des Films –
ob der echte Ray die Wahrheit sagt oder nicht, sei dahingestellt), auch die
Öffentlichkeit, die das Video ja durchaus wohlwollend goutierte, scheint sich
eher für den Nervenkitzel des Augenblicks zu interessieren. Alien Autopsy ist so auch ein kluger
Kommentar über die Nachteile der Massenmedien. Wenn alles in immer wieder neuen
Variationen unbegrenzt vorhanden ist, verliert das Einzelne, ob gefälscht oder
nicht, seinen Wert. YouTube ist so
ein Beispiel. Würde jemand eine wirklich authentische Aufnahme eines Aliens,
Bigfoots oder sonst etwas mystischem auf die Plattform stellen, würde sie
wahrscheinlich in der schieren Fülle aus offensichtlichen Fälschungen, albernen
Streichen und ironischen Kommentaren untergehen. Die unablässige Flut von
Inhalten lässt eine detaillierte Untersuchung eines einzelnen Sujets kaum noch
zu. Somit ist es nur konsequent, dass der Film den „realen“ Autopsiebericht in
nur wenigen, kaum erkennbaren Bildern ganz zum Schluss des Films ins Szene
setzt. Allen Beteiligten dürfte klar gewesen sein, dass sie sonst nur hätten
verlieren können. So bewahrt sich der Film einen Rest an Mystik – auch so ein
Phänomen der Medien: Beraube niemanden gänzlich seiner Illusionen.
Alien Autopsy ist ein etwas unausgegorener Mix aus clever
Satire und generischer Komödie, die auch vor Geschmacklosigkeiten nicht
zurückschreckt (Beispiel Laszlos Kofferraum), auf der anderen Seite aber auch
die (Ohn)Macht der Medien gekonnt ins Bild zu setzen weiß. Emotional wird man
nicht sonderlich involviert, aber größtenteils gut unterhalten, was auch am gut
aufgelegten Soundtrack liegt. Sweet
Harmony von The Beloved wurde
noch niemals so gut eingesetzt.
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