BEFORE MIDNIGHT
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 06.06.2013
Regie: Richard Linklater
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 06.06.2013
Regie: Richard Linklater
Mit dem Erscheinen von Before Midnight ist Richard Linklaters
Chronologie einer Liebe nicht nur zur Trilogie herangereift, sondern auch
endgültig zu einem der stimmigsten, konstant hochqualitativen Kinoexperimente
geworden. Das einzige, was wirklich negativ ins Gewicht fällt, ist die
Tatsache, dass man nun wieder neun Jahre auf eine Fortsetzung warten muss. Before Midnight ist schlicht ein
überragender Film.
Neun Jahre sind seit den Ereignissen aus Before Sunset vergangen und wie wir
erfahren, haben sich Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy) diesmal nicht
getrennt, sondern sind zusammengeblieben. Jesse hat seine Frau und seinen Sohn
(Seamus Davey-Fitzpatrick) verlassen und der erste ungeschützte Sex mit Celine
brachte den Beiden Zwillinge (Jennifer & Charlotte Prior) ins Haus. Die
Zwei sind nicht verheiratet, leben aber zusammen in Paris und sind im
Sommerurlaub bei einem Autorenkollegen von Jesse in Griechenland eingeladen
gewesen. Als sich der Urlaub dem Ende neigt, Jesses Sohn von seinen Stippvisite
wieder zurück in die Staaten aufbricht und Celine und Jesse den letzten Abend
mal ohne Kinder in einem Hotel verbringen wollen, beginnen sie ihr gemeinsames
Leben zu verhandeln. Ist es wirklich so gut, wie sie es sich vor knapp 18
Jahren bei ihrer ersten Begegnung in Wien ausgemalt haben?
Wieder schafft es das Trio Linklater/Delpy/Hawke, den
Jesse/Celine-Kosmos sinnvoll und nachvollziehbar zu erweitern. Und wieder ist
der Film wunderbar weit entfernt von den gängigen Kinokonventionen. Es wird
fast ausschließlich geredet in Before
Midnight und es ist eine Freude, dabei zuzuhören. Die Dialoge sind gewohnt
nah am echten Leben, die Figuren glaubwürdig, ihre Reaktionen mitunter geradezu
unheimlich bekannt. Das Herzstück des Films ist diesmal ein Streit, keine
romantisierte Verhandlung der gegenseitigen Liebe und reflektiert damit wieder
einmal genial-einfach die fortgeschrittene Beziehung zwischen den Figuren. Wie
schnell aus einer erotischen Stimmung ein alles in Frage stellender Streit
werden kann, dass konnten sich weder Jesse und Celine anno 1995 vorstellen,
noch ihre damals ungefähr im gleichen Alter befindlichen Zuschauer. 2013 sieht
die Sache ganz anders aus. Die Before-Filme
zu sehen ist wie einen emotionalen Zeitraffer zu erleben.
Dementsprechend ist der Ton gesetzter als in den
vorangegangenen Filmen. Before Sunrise –
Zwischenstopp in Wien war ein Liebesfilm über den Zauber der ersten
Begegnung, Before Sunset handelte von
dem unglücklichen Pragmatismus, der sich ins Leben einschleichen kann und aus
dem ein Ausweg gesucht wird, während Before
Midnight ein gewisses Gefühl von „Pass auf, was du dir wünschst“ versprüht.
Celine und Jesse haben das, was sie sich neun Jahre lang wünschten und nun
steht ihre Beziehung mehr zu Disposition als jemals zuvor. Der Zuschauer wird
lange Zeit in der Schwebe gehalten, ob das großartigste Leinwandpaar aller
Zeiten überhaupt eine Zukunft hat. Wieder krachen Vorstellungen und Realität
aufeinander, nur anders als in Before
Sunrise hat dies diesmal Konsequenzen. Die Beiden stehen nicht mehr für
sich allein, ihre Verantwortungen sind größer und mit ihnen die Ängste und
Nöte. Eindeutige Postionen beziehen die Protagonisten ohnehin nicht. Ist Jesse
unverantwortlich, weil er für Celine seine Familie im Stich gelassen hat, auch
wenn die Mutter seines Sohns emotionale Probleme hat und ihn verachtet? Ist
Celine unflexibel, wenn sie einen potenziellen Umzug nach Chicago ausschließt?
Die Fragen, mit denen sie sich herumschlagen müssen, sind keine Lappalien. Before Midnight ist ein Film über die
tragikomische Schönheit des ganz normalen Lebens.
Zudem ist Before
Midnight sich seiner Selbst geradezu süffisant bewusst. Der Film räumt ein,
dass das Kennenlernen seines Paares in der heutigen Zeit dank Internet und
Smartphones nicht mehr in dieser Form möglich wäre und auch, dass die
Protagonisten älter geworden sind. Wenn Jesse seinen Sohn am Beginn des Films
zum Flughafen bringt und sich über alle Maßen bemüht, mit dem Teenager ein
Gespräch zu führen, dann kollidiert der im Selbstverständnis immer noch
jugendlich-coole Jesse mit der harschen Realität aus der Sicht seines Sohnes.
Er ist einfach nur ein leicht nerviger Vater, dem man Verrücktheiten wie in Before Sunrise niemals zutrauen würde. Before Midnight ist voller solchen
kleinen, wunderbaren Momenten.
Was wird aus Celine und Jesse? In neun Jahren sind sie 50,
der Sohn erwachsen, die Töchter in ihren letzten Teenagerjahren. Die Kinder
werden das Alter ihrer Eltern in Before
Sunrise erreichen, was wird das für alle Beteiligten bedeuten? Chicago oder
Paris? Trennung oder Durchhalten? Before
Midnight endet zwar versöhnlich, nicht aber ohne eine ungewisse Grundnote.
Alles ist möglich in dieser Liebesgeschichte und es erscheint ausgeschlossen,
dass das Niveau absacken könnte. Dies ist ein intimer, ein subtiler, ein großer
kleiner Film. Und Teil einer der besten Filmreihen aller Zeiten. Wer davon nach
den ersten zwei Teilen noch nicht restlos überzeugt war, der wird es nach Before Midnight sein.
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