FUCK FOR FOREST
Polen/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 13.06.2013
Regie: Michal Marczak
Dt. Erstaufführung: 13.06.2013
Regie: Michal Marczak
Was soll man bei einem Titel wie Fuck for Forest noch groß erzählen? Ja,
genau darum geht es: Ficken für den Regenwald. Der Film portraitiert die
norwegisch-schwedische Aktivistengruppe mit dem sprechenden Titel, die auf
ihrer Webseite pornographisches Material anbietet, um mit dem Erlös
Wiederaufforstungsprojekte und andere Umweltaktionen zu unterstützen. Fast eine
halbe Million Euro sind nach Aussage im Film damit bereits generiert worden.
Die Aktivisten, deren Epizentrum Berlin ist, nachdem sie in Norwegen wegen
Livesex auf Bühnen zu Geldstrafen verurteilt wurden, sprechen auch unbedarfte
Passanten an und bitten sie um Mitarbeit, schließlich will die Sucht nach
frischen Gesichtern bei den nach eigenen Angaben um die 1000 Mitgliedern der
Seite befriedigt werden. Jeder Zehnte erklärt sich angeblich bereit dazu, sich
für den guten Zweck zu entblößen oder gar Sex vor der Kamera zu haben. So weit,
so kurios. Sex sells und warum diesem
Umstand nicht mit einem ehrenvollen Ziel verknüpfen?
Die Ziele der Aktivisten entpuppen sich aber im Laufe des
Films als naive Wunschträume, was nicht unerheblich mit der unorganisierten Art
der Mitglieder und ihrem selbstverliebten Habitus zu tun hat. Tommy Hol
Elligsen, Leona Johansson, Dany DeVero und die anderen FFF-Mitglieder sind eine
schwer zu ertragende Mischung aus Neo-Hippie und Hipster, die sich laufend
selbst konterkarieren. Da lehnt DeVero einmal synthetische Drogen ab, um sich
dann ständig mit Hasch zu berauschen, da stößt der Freund einer gerade 18 Jahre
alt gewordenen Aktivistin an seine Grenzen, als sie sich zum Geburtstag von
ihren Gästen befingern lässt. Sympathisch werden die Mitglieder nie, zu sehr
gefallen sie sich in ihren Rollen als einzig progressive
Gesellschaftsmitglieder, die mit Traditionen brechen, hip, modern und bewusst
sind. Jeder Student kennt solche Leute: vermeidlich politisch besonders
Interessierte, die jeden von oben herab behandeln, der nicht wie sie seine
Ziele verfolgt und für die pseudo-philosophische Diskurse zum guten Ton in
vernebelter Atmosphäre gehören. Der Film identifiziert nur einen klaren Moment,
einen Augenblick, in dem die Aktivisten unsanft auf den Boden der Tatsachen
geholt werden: als sie einem indigenen Volk im Amazonas anbieten, 800 Hektar
Land für 30.000 € zu kaufen, reagieren diese unwirsch und lehnen das Geld ab. Was
hilft es, wenn die Menschen dort keine Perspektive haben? Mit Getöße bricht das
Luftschloss der Gruppe zusammen und Regisseur Michal Marczak versäumt, die
Auswirkungen zu zeigen. Texttafeln informieren kurz über die unterschiedlichen
Wege, die die Mitglieder danach gingen und endet den Film dann mit einer Szene,
in der DeVero palästinensischen Flüchtlingen vorschlägt, nackt zu
demonstrieren. „Überall auf der Welt geschehen Katastrophen und du redest über
das Nacktsein?“, fragt daraufhin einer der Anwesenden. Schöner kann man die
Groteske, die Fuck for Forest und
seine Mitglieder darstellen, nicht zusammenfassen.
Natürlich fühlten sich die Aktivisten im Nachhinein nicht
gut von Marczak portraitiert und manchmal fühlt sich der Film schon etwas wie scripted reality an, so weltfremd
verhalten sich die Protagonisten. Eine Liveshow vor einem Berliner
Hipster-Publikum, das auf Plastikstühlen in einem Keller sitzt und die mit dem
Verzehr eines Mix aus Sperma und Menstruationsblutes endet grenzt auch schon
arg an eine besonders krude Selbstparodie. Es sei dahingestellt, wie groß der
reine dokumentarische Anspruch war, gänzlich aus der Luft gegriffen scheint
vieles nicht zu sein, beispielsweise die unsensible Nutzung eines Berliner Slut Walks zur Werbung für die Aktion. So
verbringt man schlussendlich etwas unter 90 Minuten mit unsympathischen
Menschen, die nie aus dem Rahmen der Gruppe heraustreten, nie als „wirkliche“
Personen erfahrbar werden. Stattdessen viele Wolkenkuckucksheime und ein
Ausbleiben von Informationen genau an den Stellen, an denen sie so dringend
benötigt gewesen wären. Und das Ganze auch noch in ästhetisch wenig
ansprechenden Bilder festgehalten. Fuck
for Forest handelt nicht nur von einem Kuriosum, es ist auch selbst eins:
ein Dokumentarfilm, dessen Mehrwert sich durch das bloße Ausstellen von
bizarren Personen und Situationen kaum einstellt. Die wenigen Momente, die als
Aufhänger für eine tiefergehende Analyse prädestiniert gewesen wären, lässt
Marczak ungenutzt verstreichen. So bleibt wenig, was eine Empfehlung
rechtfertigen würde außer der Erkenntnis, dass man eine wahnwitzige Idee wie
Sex für den Umweltschutz in fähigeren Händen wissen wollen möchte als in jenen
von DeVero, Ellingsen und Co.
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