KON-TIKI
Norwegen/Großbritannien/Dänemark/Schweden/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 21.03.2013
Regie: Joachim Rønning & Espen Sandberg
Dt. Erstaufführung: 21.03.2013
Regie: Joachim Rønning & Espen Sandberg
Das norwegische Kino fällt auf: Egal ob mit
typisch-skandinavischen Spleen-Geschichten (Ein
Mann von Welt), dem Update der eigenen Mythologie (Troll Hunter), gekonnten Kinderfilmen (S.O.S. – Ein spannender Sommer) oder den Verfilmungen von
landeseigenen Krimi-Exportschlagern (Headhunters),
das Land im hohen Norden bringt, gemessen an der Einwohnerzahl, erstaunlich viele
sehenswerte Produktionen heraus, die sich zunehmend den Weg auf die großen
Bühnen des internationalen Marktes freiboxen. Kon-Tiki macht da keine Ausnahme, als aufwendigster norwegischer
Film aller Zeiten wurde er nicht nur für den Oscar nominiert, er ist in seiner
ganzen Gestaltung auch sehr auf den weltweiten Markt zugeschnitten. Simultan
wurde gar eine norwegische und eine englischsprachige Version erstellt, um vor
allem den USA lästige Untertitel zu ersparen. Kon-Tiki ist ein Abenteuerfilm alter Schule, der zwar Bilder von
ungeahnter Schönheit zeigt, dramaturgisch aber einige geradezu groteske
Entscheidungen präsentiert.
Als junger Gelehrter auf den polynesischen Inseln verfällt
Thor Heyerdahl (Pål Sverre Hagen) 1937 der Idee, die Menschen der abgelegenen
Inseln könnten von Südamerika aus eingewandert sein und nicht, wie die gängige
Lehrmeinung suggeriert, von Asien aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg will er dies
mit einer waghalsigen Aktion beweisen: mit einem nach alten Vorbildern exakt
nachgebauten Floß und einer abenteuerlustigen Crew aus fünf weiteren Männern
sticht Heyerdahl von Lima aus in See, um den Weg zu nehmen, den seiner Meinung
nach Menschen bereits vor tausenden Jahren nahmen…
Als Schilderung einer der berühmtesten Seereisen der Welt
und der Initialzündung der modernen experimentellen Archäologie ist Kon-Tiki im Besonderen Maße der Wahrheit
verpflichtet und den Regisseuren Rønning und Sandberg gelingt es auch über
weite Teile, sich an die wahren Begebenheiten zu halten. Wo der Film aber massiv
irritiert ist die Seereise selbst, die sich mitunter dramatischer zugetragen
hat als es der Film schildert. Ein Sturm, der in der Realität fünf Tage wütete,
wird im Film zur Vignette und auch das Floß nahm in der letzten Etappe der
Reise weit mehr Schaden, als es die Dramatisierung zeigt (auch wenn es sich
letztlich als bemerkenswert stabil erwiesen hat). Es bleibt rätselhaft, warum
der Film viele dieser filmisch potenten Einzelheiten zugunsten einer
vergleichsweise ereignislosen Dramaturgie nicht nutzt. Hatte man Angst, sich
dem Vorwurf der Über-Dramatisierung auszusetzen und ist darum lieber den
anderen Weg gegangen? Die filmische Reise der Kon-Tiki ist auf jeden Fall irgendwann zu Ende und hinterlässt ein
Gefühl des Verschweigens, als nutzten die Regisseure das Understatement etwas zu sehr.
Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass die Reise
langweilig inszeniert wäre. Sie lässt „nur“ zu viel weg, aber an großartigen
Momenten mangelt es dennoch nicht. Lakonischer Humor paart sich beispielsweise
mit einer sanft-schönen Begegnung mit einem Walhai, die eine in Kitsch
versinkende ähnliche Szene in Life of Pi
locker in den Schatten stellt. Die Rauheit mancher Ereignisse korrespondiert
mit Szenen von erhabener Schlichtheit und universeller Schönheit. Kon-Tiki ist eine gute Illustrierung des
Ausspruchs „Der Weg ist das Ziel.“ Handwerklich bemerkenswert verfällt der Film
immerhin auch nicht der Versuchung, an anderer Stelle mehr Dramatik in die
Handlung einzubauen, die er anderswo weglässt. Will heißen: die sechs Männer an
Bord des Floßes erleiden keinen Thriller-tauglichen Koller, sondern arbeiten,
von kleineren Reibereien abgesehen, gut zusammen. Vielleicht ist es letztlich
auch gerade die dadurch entstehende meditative Kraft, die Kon-Tiki sehenswert macht.
So ist Kon-Tiki in
seiner tiefsten Seele auch ein Abenteuerfilm für Zuschauer, denen die Eskapaden
von Indiana Jones zu albern sind. Der Ausspruch Old School knirscht zwar etwas, aber ist hier wohl angebracht. Die
Dramaturgie mag etwas zu gradlinig sein, die Gestaltung dürfte eingefleischte
Fans des skandinavischen Films laut „Mainstream!“ schreien lassen, aber dennoch
ist Kon-Tiki eine würdige
Spielfilm-Adaption jener Reise, die Heyerdahl seinerzeit ebenfalls filmisch
dokumentierte und die 1950 einen Oscar als bester Dokumentarfilm gewann. Da
fällt es kaum noch ins Gewicht, dass sich Heyerdahls These letztlich als doch
falsch herausstellte. Einen wichtigen Beitrag zur Wertschätzung der Seefahrer
in einer Zeit weit vor Seekarten und GPS hat er dennoch geleistet.
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