WERDEN SIE DEUTSCHER
Deutschland 2013
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Britt Beyer
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Britt Beyer
Zehn Monate
hat die Regisseurin Britt Beyer (Der
junge Herr Bürgermeister) die Schüler eines Integrationskurses an einer
Berliner Volkshochschule begleitet. Die Bilder aus dem
Deutsch-als-Fremdsprache-Kurs bleiben aus dem Off unkommentiert, erzählen aber
dennoch ziemlich viel über die nationale Mentalität, mit der sich die Menschen
aus Japan, Uruguay, Palästina, Frankreich, Bangladesch und andere Nationen
konfrontiert sehen. Werden Sie Deutscher
erzählt genauso viel über die Personen, die in diesem Land leben wollen wie
über die „Eingeborenen“.
Der Tonfall des Films wird gleich
zu Beginn deutlich: durch die Distanz des Films wirft er einen regelrechten
Suchscheinwerfer auf die Grotesken, mit denen die Integrationsschüler
konfrontiert werden. Sie können noch nicht erahnen, dass sie in dem Kurs mit
bemerkenswert vielen Klischees über Deutschland in Berührung kommen, die
innerhalb des Unterrichts auch relativ unkommentiert reproduziert werden. „Wenn
abends ein guter Krimi im Fernsehen kommt, bin ich glücklich“, tönt es
beispielsweise von einer CD. Prostitution ist gut organisiert und was es mit
dem Punktesystem in Flensburg auf sich hat, will sich den Teilnehmern auch
nicht ganz erschließen. Manches entfaltet eine ganz eigene Komik, andere
Beispiele sind subtil beleidigend. Das Beispiel für einen Anruf auf Deutsch
schallt von der CD und die dort vorgestellte fiktive Einwanderin fragt nach
einem Job als Putzfrau bei einem Bäcker für zwei Stunden pro Tag. Dass die
beiden Frauen im anschließenden Spiel daraus Webdesignerin und Deutsche Bank
machen, darf man wohl getrost als Aufzeigen von Stereotypen werten.
Der Klassenraum wird öfters
verlassen, um einigen Einwandern bei ihren individuellen Bestrebungen zu
folgen, Deutschland besser zu verstehen und heimisch zu werden. Dabei entfaltet
nur die Geschichte von Shipon Chowdhury die nötige emotionale Anteilnahme. Der
aus Bangladesch eingewanderte Chowdhury ist mit einer Deutschen verheiratet,
die er gleich an seinem ersten Tag im Land kennenlernte. Sie hilft ihm geduldig
bei seinem Lernprozess, er kümmert sich liebevoll um die Tochter aus erster
Ehe. An Chowdhury exerziert der Film auch exemplarisch die bürokratischen
Schwierigkeiten durch, mit denen sich Einwanderer auseinandersetzten müssen.
Dabei erfährt der Zuschauer Misstrauen und schlichte Unverschämtheiten seitens
der Behörden ungefiltert mit. Wenn Chowdhury kaum noch in die Kamera schauen
kann, weil ihm ob der Behandlung in der Ausländerbehörde die Tränen in die
Augen steigen, er und seine Familie wartend in der winterlichen Kälte
hingehalten werden oder auch die Einwanderin aus Palästina berichtet, dass sie
20 Jahre Hängepartie mit maximal sechs Monaten Aufenthaltsrecht hinter sich
hat, bis man sich erbarmte und es auf zunächst drei Jahre hinaufsetzte, dann
muss Werden Sie Deutscher nicht mehr
viel dazutun, um den Zuschauer schwer schlucken zu lassen. Dabei portraitiert
der Film doch gerade jene Menschen, die so gern als „nützliche Einwanderer“
bezeichnet werden, die hier leben, arbeiten, wählen wollen und denen dennoch
diverse Hürden aufgebaut werden, die durchaus zur Disposition stehen könnten.
Die „Deutschwerdung“ ist vor allem ein Ungeheuer aus Formularen und einer
Pervertierung der „deutschen Gründlichkeit“, über die die Integrationswilligen
im Kurs so viel lernen.
Dennoch hätte man auch diese
Probleme womöglich im Mikrokosmos des Klassenzimmers verhandeln können. Shipon
kommt uns menschlich sehr nahe, die Inserts mit den anderen Einwanderern kommen
manchmal dagegen regelrecht störend daher, wahrscheinlich, weil die
Beobachtungen im Kurs so unterhaltsam und aufschlussreich sind. Dort wird das
Wesen von nationalen Identitäten ernsthaft besprochen, auf jeden Fall
ernsthafter, als es das Unterrichtsmaterial dies oft zu tun scheint. Der
Zuschauer sieht teils absurde Aufgabenstellungen, die aber genauso gewissenhaft
bearbeitet werden wie eine Vorbereitung auf die liberale Debattenkultur. Dass
das auch im Integrationskurs schon nach Günther Jauchs Talkshow aussieht, wirkt
dabei ziemlich süffisant.
Werden Sie Deutscher ist ein unaufdringlicher Blick auf das Einwanderungsland Deutschland. Man schmunzelt über die grotesken Blüten, die im Kurs manchmal sprießen und bangt mit Chowdhury im Angesicht einer wenig freundlich erscheinenden Ausländerbehörde, die prinzipiell eher gegen Einwanderung zu sein scheint. So legt Beyer ohne viel Aufhebens Paradoxien frei – und wahrt gleichzeitig einen zutiefst menschlichen Blick. Ein sehenswerter Beitrag zur Integrationsdebatte, die manchmal ähnliche Stilblüten hervorbringt wie das Unterrichtsmaterial an der Berliner VHS, nach der alle Deutsche offenbar pünktliche Tatort-Fans sind.
Werden Sie Deutscher ist ein unaufdringlicher Blick auf das Einwanderungsland Deutschland. Man schmunzelt über die grotesken Blüten, die im Kurs manchmal sprießen und bangt mit Chowdhury im Angesicht einer wenig freundlich erscheinenden Ausländerbehörde, die prinzipiell eher gegen Einwanderung zu sein scheint. So legt Beyer ohne viel Aufhebens Paradoxien frei – und wahrt gleichzeitig einen zutiefst menschlichen Blick. Ein sehenswerter Beitrag zur Integrationsdebatte, die manchmal ähnliche Stilblüten hervorbringt wie das Unterrichtsmaterial an der Berliner VHS, nach der alle Deutsche offenbar pünktliche Tatort-Fans sind.
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