CAPTAIN PHILLIPS
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 14.11.2013
Regie: Paul Greengrass
Dt. Erstaufführung: 14.11.2013
Regie: Paul Greengrass
Captain
Phillips ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich ein intelligentes
Drehbuch, nervenzerreißende Thrills und minuziöse Action nicht gegenseitig
ausschließen müssen. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Thriller (diese
Behauptung ist hier sehr viel ernster zu nehmen, als wenn sie einem Horrorfilm
vorangestellt wird) ist spannend von Anfang bis Ende und bietet darüber hinaus
noch eine unaufdringliche Metaebene als Globalisierungskommentar mit sich.
Regisseur Paul Greengrass (Flug 93)
wertet nicht und entzieht sich auch der meisten gängigen Actionklischees. Hier
sind die Antagonisten genauso wichtig und menschlich wie die titelgebende
Hauptfigur und alle sind in einem Spiel gefangen, dass schlussendlich nur
Verlierer kennt.
Basierend auf den Ereignissen, die der echte Richard
Phillips (im Film gespielt von Tom Hanks) in seinem passend zum Film auch auf
Deutsch erschienenen und hierzulande reichlich plakativ betitelten Buch Höllentage auf See: In den Händen von
somalischen Piraten – gerettet von Navy Seals niedergeschrieben hat,
erzählt der Film vom Handelsschiff Maersk
Alabama. Unter US-Flagge unterwegs soll es im Jahr 2009 Hilfsgüter nach
Mombasa transportieren und muss dabei das Horn von Afrika passieren. In diesen
Gewässern wird das Schiff von einer vierköpfigen Gruppe Piraten angegriffen,
denen es unter der Führung von Muse (Barkhad Abdi) schließlich auch gelingt,
den Frachter zu kapern. Es entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, in dessen
Verlauf die Piraten mit einem Rettungsboot fliehen wollen, nicht aber ohne den
Kapitän zu entführen. Die Navy wird zur Hilfe gerufen, unterdessen die Piraten
mit ihrer wertvollen Fracht verzweifelt versuchen, dass Festland zu erreichen.
Während sich draußen ein Kampf David gegen Goliath anbahnt, werden die
Spannungen zwischen Phillips und der sehr heterogenen Gruppe der Entführer
stetig mehr…
Captain Phillips
ist dann am besten, wenn es Tom Hanks‘ Everyman-Qualitäten
dem erstaunlichen Spiel von Newcomer Barkhad Abdi gegenüberstellt. Wie schön,
dass sich ein Großteil des Film auch genau daraus zusammensetzt. Captain Phillips ist ein Psychoduell,
fast minütlich verschiebt sich das subtile Gefüge, das sich innerhalb der Enge
des Rettungsbootes herausbildet. Dabei sind die vorher allesamt unbekannten
Darsteller der Piraten ein Erlebnis, bilden sie ihre Figuren doch gänzlich
unbeeindruckt von den Statuten aus, die sonst gemeinhin die Prämisse
„amerikanische Geisel – ausländische Aggressoren“ prägen. Neben dem besonnenen
Anführer Muse (Abdi) setzt sich die Gruppe aus dem jungen, durchaus
altruistischen Bilal (Barkhad Abdiranhman), dem ruhigen Elmi (Mahat M. Ali) und
dem einzig wirklich gemeingefährlichen Mitglied, dem zornigen Najee (Faysal
Ahmed), zusammen. Die Vier stehen unter der Knute eines Warlords, der sie quasi
zum Überfall auf die Maersk Alabama
zwingt, Somalia erscheint, durchaus der Realität entsprechend, als Ort, der
Menschen wie Muse geradezu zwangsläufig produziert. Sie sind nicht schlecht,
sie sind Opfer der Umstände und durch die grausame Hand im Hintergrund wird
auch ihr Handlungsraum, ihre Eigenständigkeit, empfindlich eingeschränkt.
Sollen Muse und die Seinen das Schiff überfallen und ihr Leben riskieren? Wohl
kaum. Sie sind Getriebene, dass sie bei ihrer Verzweiflungstat ausgerechnet ein
amerikanisches Schiff kapern, ist fast schon schwärzeste Realsatire. Die USA
und Somalia, das ist kein schönes Kapitel der Geschichte, auch wenn Ridley
Scott noch so heroisierend an die Sache herangeht (siehe Black Hawk Down).
Der Globalisierungsaspekt ist offenkundig, auch wenn man
Greengrass‘ Film auch schlicht als handwerklich perfekten Thriller goutieren
kann. Doch wenn im Vergleich gigantische US-Flugzeugträger und –Zerstörer ein
winziges Rettungsboot umkreisen, in dem vier Piraten aus einem der ärmsten
Länder der Welt sich in eine Situation manövriert haben, die sie nicht gewinnen
können, dann ist klar, wie die Machtverhältnisse verteilt sind; in dieser
Situation und auf globaler Ebene. Das Ende ist unvermeidlich und
dementsprechend als Tragödie inszeniert, in dem Hanks sein gesamtes
schauspielerisches Können entfaltet. So superb die vorangegangenen zwei Stunden
auch sind, es sind diese verhältnismäßig kurzen Minuten gegen Ende, die Captain Phillips nachhallen lassen.
Eine Mini-Kontroverse hat sich darüber entsponnen, ob Captain Phillips nicht einfach nur die
US-Version des dänischen Film Kapringen
ist, der ebenfalls das Thema Piraterie im somalischen Becken behandelt.
Angeblich Greengrass‘ Version überlegen, lief der Film bereits vor über einem
Jahr in Dänemark und konnte hierzulande bisher nur im Sommer 2013 auf dem
Internationalen Filmfestival München bewundert werden. Es wird interessant
sein, die beiden Filme irgendwann der thematischen Nähe gegeben miteinander zu
vergleichen. Bis dahin bleibt Captain
Phillips einer der besten Filme des Jahres: mitreißend inszeniert (auch
wenn Greengrass am Beginn die Close-Ups übertreibt) und vor allem hervorragend
gespielt ist dies ein weiterer Grund, den Regisseur auch weiterhin Stoffe aus
der Realität fürs Kino aufbereiten zu lassen. Einmal mehr entpuppt sich Paul
Greengrass als zutiefst besonnener, humanistischer Auteur.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen