Donnerstag, 7. November 2013

Bastard (2011)




BASTARD
Deutschland 2011
Dt. Erstaufführung: 18.04.2013
Regie: Carsten Unger

Bastard zu schauen fühlt sich an wie ein leidlich guter Schwimmer in nassen Gefilden zu sein: es wird viel Wasser getreten, man rackert sich ab, um an der Oberfläche zu bleiben und muss sehr viel Kraft für ein bescheidenes Ergebnis aufbringen. Der Debütfilm von Carsten Unger versucht sein Bestes, bleibt aber am Ende auch nicht interessanter als ein durchschnittlicher Tatort. Und da dessen Popularität ziemlich fragwürdig ist, sollte man dies nicht als Aufwertung verstehen. Bastard ist handwerklich souverän inszeniert, in den so wichtigen Nuancen produziert er aber viel zu oft Kopfschütteln.

Der kleine Nikolas (Finn Kirschner) ist verschwunden. Während die Polizei fieberhaft nach dem Jungen sucht, macht sich auch die resolute Polizeipsychologin Claudia Meinert (Martina Gedeck) an die Arbeit. Unterdessen drängt sich ein unheimlicher Junge (Markus Krojer) ohne Namen in das Leben der bangenden Eltern (Beate Maes & Stephan Schad). Als dieser sich auch noch mit dem unberechenbaren Mädchen Mathilda (Antonia Lingemann) zusammentut, entspinnt sich ein Psychospiel mit unbekanntem Ausgang, in dessen Verlauf auch die Motivation des 13jährigen Eindringlings offenbar wird…

Zunächst: das der Plot einige Wendungen nimmt und Begebenheiten voraussetzt, die so in der Realität wohl kaum zugelassen werden würden, ist das Recht eines jeden Films. Wenn die Geschichte fesselnd ist, verzeiht man ja so einige künstlerische Freiheiten. Das Problem mit Bastard ist nun, dass die Charaktere in keinem Verhältnis zu den darstellenden Personen stehen. Will heißen: die Darsteller sind zu gut für ihre distanzlosen Figuren. Beate Maes und Stephan Schad sind effektiv als nervöse Eltern, lassen den plakativ-brütenden Markus Krojer aber beispielsweise zu bereitwillig in ihr Haus. Martina Gedeck hat augenscheinlich sehr viel Freude an der Rolle, auf jeden Fall mehr, als der Film eigentlich verdient hätte. Und an Antonia Lingemanns Figur kann man das generelle Problem von Bastard gut dechiffrieren.

Bastard ist ein „Problemfilm“ und zwar einer, der alle „jugendlichen Probleme“ in einen Film zu unterbringen versucht. Es gibt ein bisschen Medienkritik, vor allem an der breiten, ungefilterten Verfügbarkeit, in erster Linie aber wird die pubertäre Sinnsuche geschildert. Und die führt nach Unger bei Kindern aus Problembehafteten Umkreisen unweigerlich in ein absonderlich-destruktives Verhalten. Während der titelgebende Bastard, dessen Namen sich irgendwann als Leon herausstellt, wohlstandsverwahrlost ist, zeigt sich bei Mathilda die „klassische“ Verwahrlosung mit totem Vater und von Hartz-IV lebender Alkoholikermutter. Nichts Neues im Staate Filmprobleme. Mathilda kompensiert dies mit Lolita-Gehabe, fingerfertigen Diebstählen und dem Wahrnehmen jeder Möglichkeit, die ein klein wenig menschliche Wärme verspricht. Leon, der sich in einer existenziellen Krise befindet, bringt diese durch Verbrechen wie Entführung und Todesandrohungen, Hausfriedensbruch und Stalking zum Ausdruck. Die Motivationen beider Figuren erweisen sich im Verlauf des Films als etwas dürftig, gerade im Hinblick auf den sonst etwas überkonstruierten Plot. Vielleicht mag es manchmal wirklich so einfach sein, eine simple Input-Output-Rechnung, die abwegiges menschliches Verhalten erklärt. Im Film erweist sich diese Simplizität als Stolperstein, erscheint es doch wie eine Ausrede dafür, die Charaktere näher und tiefer zu beleuchten. Bastard plagt somit das gleiche Problem wie der hochgefeierte Neonazi-Film Kriegerin, an dessen Ende und nach vorangegangener intensiver Recherche auch nur die Erkenntnis stand: „Opa ist schuld.“ Das Leben mag manchmal so frustrierend simpel sein, im filmischen Kontext wirkt das wie Küchenpsychologie. Die jungendlichen Protagonisten wirken nicht wie eigenständig denkende Individuen, sondern wie Sklaven ihrer vorgefertigten Wege. Es muss ja so kommen, bei dem Hintergrund. Rationales Denken scheint ihnen auf jeden Fall zu fehlen und dies mit dem Hormongewitter der einsetzenden Pubertät zu erklären hieße, die jungen Figuren sträflich zu unterschätzen. Bastard spricht auch 13jährigen eine Autonomie zu und lässt sie auf Augenhöhe der Erwachsenen agieren, untergräbt dies aber durch die teilweise etwas hanebüchene Darstellung wieder.

So hat der Film zum Zeitpunkt, da Leons Motivation erklärt wird, viel von der Zuschauergeduld bereits verspielt. Ständig bewegt er sich zwischen oberflächlich interessantem Psychoduell und gnadenlos durchschnittlichen TV-Krimi hin und her, beleidigt nebenbei alle türkischstämmigen Menschen in Deutschland mit einer einzigen kurzen Einstellung und irritiert durch nicht nachvollziehbare Handlungen der Charaktere. Die überdurchschnittlichen Darsteller mühen sich ab, aus dem gleichzeitig konzentrierten wie fahrigen Drehbuch etwas zu machen und der Technikstab lässt den Film immerhin nach etwas aussehen. Vieles in Bastard wird sich gut zur pädagogischen Filmarbeit verwerten lassen. Empfehlenswert ist er deshalb noch lange nicht.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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