Donnerstag, 21. November 2013

Paulette (2012)




PAULETTE
Frankreich 2012
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Jérôme Enrico

Paulette (Bernadette Lafont) hat jahrzehntelang mit ihrem Mann ein erfolgreiches Restaurant geführt. Doch als dieser dem Alkohol verfiel und vor zehn Jahren verstarb, läuft es in Paulettes Leben nicht mehr so rund. Ihre schmale Rente reicht hinten und vorne nicht, ihr Viertel zerfällt zusehends und in ihrem Restaurant befindet sich nun ein asiatisches Etablissement – eine zusätzliche Schmach für die leidenschaftlich gegen alles „Fremde“ wetternde Rassistin, was ihren eigenen Enkel (Ismael Dramé), Sohn ihrer Tochter und des schwarzen Polizisten Ousmane (Jean-Baptiste Anoumon) miteinschließt. Als ein Großteil ihrer Möbel gepfändet werden, fasst Paulette einen Plan: um wieder an Geld zu kommen will sie sich als Drogenverkäuferin für den Großdealer in ihrem Viertel, Vito (Paco Boublard), verdingen, nachdem sie erfahren hat, wie viel Geld damit zu machen ist. Denn wer verdächtigt schon ein altes Mütterchen?!

Wer von Paulette eine ausgeklügelte Dramaturgie erwartet, der wird enttäuscht. Der Plot bewegt sich vorhersehbar und an dieser Front reichlich überraschungsarm dahin. Doch das tut dem Spaß, den der Film macht, keinen Abbruch. Paulette mag viel Formelhaftes an sich haben, aber die gut aufgelegten Darsteller und der Schwung der Inszenierung, die um die wenig aufregenden Kniffe der Handlung weiß und sie nicht umständlich zu kaschieren versucht, machen den Film letztlich sehenswert. Paulette erfindet das Rad bei weitem nicht neu, weiß aber souverän damit umzugehen.

Der regieführende Filmprofessor Jérôme Enrico hat unzweifelhaft Inspiration aus den momentanen Verhältnissen in Frankreich gezogen. Renten, die nicht zum Leben reichen, ethnische Spannungen, vor allem in den Vororten, ein Klima des Misstrauens unter den Bürgern, die gern und schnell in „Franzosen“ und „Nicht-Franzosen“ eingeteilt werden. Die wunderbare Bernadette Lafont, die wenige Tage nach der Deutschlandpremiere von Paulette verstarb, spielt die garstige Rentnerin mit einem bemerkenswerten Elan. Auch hier gilt: die Wandlung von der mürrisch-rassistischen Alten zur sogar Schwarze akzeptierenden Drogenoma ist zwar von der ersten Minute an vorauszusehen, aber dank Lafont trotzdem unterhaltsam. Ansonsten bleibt vor allem noch André Penvern als liebestrunkener Nachbar Walter im Gedächtnis, der seine cartoonartige Rolle mit einer ähnlichen Freude ausfüllt wie Lafont. Die drei Freundinnen Maria (Carmen Maura), Lucienne (Dominique Labvanant) und die als wandelnder Alzheimer-Witz missbrauchte Renée (Francoise Bertin) sind dagegen eher Stichwortgeberinnen als vollständig realisierte Charaktere.

Der harschen Lebenswirklichkeit in Teilen Frankreichs ringt  Enrico genügend heitere Elemente ab, so dass sein Film trotz der trostlosen Ausgangssituation nicht in Schwermut ertrinkt, ganz anders als beispielsweise die deutsche Komödie Jetzt oder nie – Zeit ist Geld, die ebenfalls ältere Damen in ungewöhnlichen Situationen portraitierte. So lassen sich auch erstaunlich böse Szenen wie der Überfall seitens der jugendlichen Kleindealer im Viertel ertragen, die unter anderen Umständen ziemlich düster hätten werden können. Und das Ende ist in seiner logischen Konsequenz ziemlich clever.

So empfiehlt sich Paulette als kurzweilige Komödie und gleichzeitig als entspannte Aufforderung zu mehr interpersoneller Gelassenheit. Man kann noch argumentieren, ob Enrico den Drogenkonsum nicht verherrlicht, auch wenn Paulette klar stellt, dass sie mit harten Drogen nichts am Hut hat und ihre Haschkekse auch nicht, wie irgendwann von einem Drogenbaron verlangt, an Schulkinder verkaufen will. Doch brav will dieser Film ohnehin nicht sein und das steht ihm, vor allem dank Lafont, auch gut zu Gesicht.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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