PAULETTE
Frankreich 2012
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Jérôme Enrico
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Jérôme Enrico
Paulette (Bernadette Lafont) hat jahrzehntelang
mit ihrem Mann ein erfolgreiches Restaurant geführt. Doch als dieser dem
Alkohol verfiel und vor zehn Jahren verstarb, läuft es in Paulettes Leben nicht
mehr so rund. Ihre schmale Rente reicht hinten und vorne nicht, ihr Viertel
zerfällt zusehends und in ihrem Restaurant befindet sich nun ein asiatisches Etablissement
– eine zusätzliche Schmach für die leidenschaftlich gegen alles „Fremde“
wetternde Rassistin, was ihren eigenen Enkel (Ismael Dramé), Sohn ihrer Tochter
und des schwarzen Polizisten Ousmane (Jean-Baptiste Anoumon) miteinschließt.
Als ein Großteil ihrer Möbel gepfändet werden, fasst Paulette einen Plan: um wieder
an Geld zu kommen will sie sich als Drogenverkäuferin für den Großdealer in
ihrem Viertel, Vito (Paco Boublard), verdingen, nachdem sie erfahren hat, wie
viel Geld damit zu machen ist. Denn wer verdächtigt schon ein altes Mütterchen?!
Wer von Paulette
eine ausgeklügelte Dramaturgie erwartet, der wird enttäuscht. Der Plot bewegt
sich vorhersehbar und an dieser Front reichlich überraschungsarm dahin. Doch
das tut dem Spaß, den der Film macht, keinen Abbruch. Paulette mag viel Formelhaftes an sich haben, aber die gut
aufgelegten Darsteller und der Schwung der Inszenierung, die um die wenig
aufregenden Kniffe der Handlung weiß und sie nicht umständlich zu kaschieren
versucht, machen den Film letztlich sehenswert. Paulette erfindet das Rad bei weitem nicht neu, weiß aber souverän
damit umzugehen.
Der regieführende Filmprofessor Jérôme Enrico hat
unzweifelhaft Inspiration aus den momentanen Verhältnissen in Frankreich
gezogen. Renten, die nicht zum Leben reichen, ethnische Spannungen, vor allem
in den Vororten, ein Klima des Misstrauens unter den Bürgern, die gern und
schnell in „Franzosen“ und „Nicht-Franzosen“ eingeteilt werden. Die wunderbare
Bernadette Lafont, die wenige Tage nach der Deutschlandpremiere von Paulette
verstarb, spielt die garstige Rentnerin mit einem bemerkenswerten Elan. Auch
hier gilt: die Wandlung von der mürrisch-rassistischen Alten zur sogar Schwarze
akzeptierenden Drogenoma ist zwar von der ersten Minute an vorauszusehen, aber
dank Lafont trotzdem unterhaltsam. Ansonsten bleibt vor allem noch André
Penvern als liebestrunkener Nachbar Walter im Gedächtnis, der seine
cartoonartige Rolle mit einer ähnlichen Freude ausfüllt wie Lafont. Die drei
Freundinnen Maria (Carmen Maura), Lucienne (Dominique Labvanant) und die als
wandelnder Alzheimer-Witz missbrauchte Renée (Francoise Bertin) sind dagegen
eher Stichwortgeberinnen als vollständig realisierte Charaktere.
Der harschen Lebenswirklichkeit in Teilen Frankreichs
ringt Enrico genügend heitere Elemente
ab, so dass sein Film trotz der trostlosen Ausgangssituation nicht in Schwermut
ertrinkt, ganz anders als beispielsweise die deutsche Komödie Jetzt oder nie – Zeit ist Geld, die
ebenfalls ältere Damen in ungewöhnlichen Situationen portraitierte. So lassen
sich auch erstaunlich böse Szenen wie der Überfall seitens der jugendlichen
Kleindealer im Viertel ertragen, die unter anderen Umständen ziemlich düster
hätten werden können. Und das Ende ist in seiner logischen Konsequenz ziemlich
clever.
So empfiehlt sich Paulette
als kurzweilige Komödie und gleichzeitig als entspannte Aufforderung zu mehr
interpersoneller Gelassenheit. Man kann noch argumentieren, ob Enrico den
Drogenkonsum nicht verherrlicht, auch wenn Paulette klar stellt, dass sie mit
harten Drogen nichts am Hut hat und ihre Haschkekse auch nicht, wie irgendwann
von einem Drogenbaron verlangt, an Schulkinder verkaufen will. Doch brav will
dieser Film ohnehin nicht sein und das steht ihm, vor allem dank Lafont, auch
gut zu Gesicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen