THE EAST
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Zal Batmanglij
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Zal Batmanglij
The
East ist ein Film über Grauzonen. Zwar lehnt er sich in den finalen Minuten
deutlich in eine Richtung und identifiziert damit seine Sympathien, aber über
weite Teile ist er ein intelligentes Spiel über Macht, deren Missbrauch,
Umweltzerstörung und die Untiefen, in denen Menschen operieren, um einem „höheren
Gut“ gerecht zu werden. Dabei changiert der Film ständig zwischen den
Sympathiewerten und fordert den Zuschauer aktiv auf, selbst Stellung zu
beziehen. The East ist ein
durchgehend fesselnder Politthriller.
Der Titel ist der Name einer kleinen, aber entschlossenen
Gruppe von Öko-Terroristen, die schwerwiegende Umweltsünden großer Konzerne
aufdecken und den Verantwortlichen die Folgen ihres Handelns am eigenen Leib
spüren lassen, indem sie beispielsweise dem Vorstandsvorsitzenden eines Konzerns,
dessen Firma eine Ölpest verursacht hat, Öl in seine Klimaanlage einfließen
lassen, das dann sein Haus unbewohnbar macht – so wie den Lebensraum von
Millionen Tieren im Meer. Jane (Brit Marling) soll als Undercoveragentin eines
elitären Sicherheitsunternehmens die Gruppe infiltrieren, um zukünftige
Aktionen gegen die Klienten zu verhindern. Unter den Decknamen Sarah gelingt es
ihr schnell, das Vertrauen der kleinen Gruppe zu gewinnen und lernt die
Mitglieder, vor allem die zornige Izzy (Ellen Page), den unter den Nebenwirkungen
eines als sicher geltenden Medikaments leidenden Doc (Toby Kebbell) und den
charismatischen Anführer Benji (Alexander Skarsgård), kennen und nach einiger
Zeit auch schätzen. Sie beginnt, hin und hergerissen zu sein zwischen Loyalität
ihrer resoluten Chefin (Patricia Clarkson) gegenüber und Verständnis für die
Aktionen der Gruppe. Doch Unschuldslämmer gibt es auf beiden Seiten nicht…
Wie sehr The East
auch in Zukunft Bestand haben wird, darüber lässt sich momentan noch keine
Aussage treffen. Vieles, was Regisseur Zal Batmangliji und seine
Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Brit Marling (in beiden Funktionen auch
für den faszinierenden Another Earth verantwortlich)
auffahren, entspringt aktuellen Debatten. Zugutehalten muss man ihnen aber
unbedingt, dass sie diese Dinge nicht ausstellen. So wird das sogenannte „Deep
Web“, welches im Zuge der WikiLeaks-Affäre mehr in den Fokus des Öffentlichkeit
gelangt ist, zwar erwähnt, nicht aber durch langwidrige Erklärungen ins
Scheinwerferlicht gezerrt. The East
ist ein Film am Puls der Zeit, nicht aber, um sich damit hip in der Gegenwart
zu verordnen. Man kann ihm nur wünschen, dass er sich auch über die unmittelbare
Welt seiner Entstehungszeit hinaus behaupten wird. Zumal die Fragen, die er
diskutiert, recht zeitlos sind.
Es ist eine schwierige moralische Grauzone, die The East betritt. Einfache Antworten
kann es hier nicht geben. Ist es gerechtfertigt, mit illegalen Mitteln große
Verbrechen aufzudecken? Im Hinblick auf die aktuelle WikiLeaks-Debatte scheinen
die meisten Menschen eher positiv gestimmt zu sein: Edward Snowdon hat richtig
gehandelt, deckte er doch Ungeheuerlichkeiten auf, die sonst womöglich nie ans
Licht der Öffentlichkeit gekommen wären. Doch wie verhält es sich, wenn man
Mittel einsetzt, die Menschen aktiv schaden können? Ist es vertretbar, wenn
Verantwortliche zum Bad in von ihren Firmen versuchtem Wasser gezwungen werden,
was unabsehbare gesundheitliche Probleme bis hin zum Tod nach sich ziehen
könnte? Oder wenn Pharmafirmen mit den Nebenwirkungen ihrer für das schnelle
Geld hastig auf den Markt geworfenen Produkte konfrontiert werden? Batmangliji
und Marling sind schlau genug, darauf keine abschließenden Antworten zu geben.
So mag man Sarahs Chefin als Feindbild ausmachen, handelt sie doch genauso skrupellos
wie die Konzerne, von denen sie engagiert wird, wenn es nicht um ihre Klienten
geht. Doch auch die in ihrer Zusammensetzung zunächst durchaus
sympathisch-verschroben gezeichnete Aktivistengruppe aus Cyber-Hippies und
reichen Aussteigern schreckt nicht vor äußerst fragwürdigen Mitteln zurück, um
ihre Ziele durchzusetzen. Die Konzerne nehmen den potentiellen Tod ihrer „Kunden“
in Kauf, The East den Tod derer, die so handeln. Wo bleibt da die Gerechtigkeit
auch für jene, die unzweifelhaft Schuld auf sich geladen haben? Gibt sich eine
Formation wie die titelgebende Gruppe nur demokratisch und ist es nicht? Am
Ende bezeugt der Film unmissverständlich seine Sympathien für alle
Whistelblower dieser Welt, deren Gewissen groß genug ist, um sich mit den
Mächtigen anzulegen und womöglich Wege zu finden, die Gerechtigkeit herstellen,
ohne auf terroristische Mittel zurückzugreifen.
The East ist
spannend inszeniert und dank der prägnanten Brit Marling macht der Zuschauer
ihren Entwicklungsprozess erfahrbar mit. Komplexer und viel mehr an den
Hintergründen interessiert als der durchschnittliche Thriller ist dies eine der
leisen Überraschungen des Kinojahres. The
East stellt Fragen, verweigert sich einfachen Antworten und unterschätzt
vor allem nicht sein Publikum. Dies ist intelligente, diskussionswürdige
Unterhaltung.
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