Freitag, 15. November 2013

Blackfish (2013)




BLACKFISH
USA 2013
Dt. Erstaufführung: 07.11.2012
Regie: Gabriela Cowperthwaite

Blackfish ist nach Sharkwater – Wenn Haie sterben und Die Bucht bereits der dritte Film innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit, der sich mit der Ausbeutung von Meereslebewesen beschäftigt und neben dem hervorragenden Unter Menschen auch schon der zweite Dokumentarfilm, der sich kinowirksam 2013 mit den Rechten von nicht-menschlichen Tieren auseinandersetzt. Der Vorwurf des „Gutmenschentums“, ohnehin eine an sich verquere Kritik oder des Wiederholungscharakters muss sich Blackfish aber nicht gefallen lassen. Im Gegenteil, vielmehr kann man ihn als Fortsetzung, als Bereicherung zu Die Bucht verstehen. Prangerte dieser noch die Verhältnisse in Japan an, kehrt Regisseurin Gabriela Cowperthwaite diesmal vor der eigenen Haustür der USA, deren Attraktion SeaWorld in Die Bucht erwähnt wurde und hier als Haupt-Antagonist auftritt.

Tilikum ist ein Orca, der als Zweijähriger von seiner Familie getrennt und an einen heruntergekommenen SeaWorld-Abklatsch verlauft wurde. Nachdem er dort für den Tod einer Aushilfskraft verantwortlich war, wurde die Einrichtung geschlossen und Tilikum, der bereits diverse Symptome einer Psychose aufwies, als Zuchtbulle und Attraktion nach SeaWorld geholt. Blackfish dokumentiert nicht nur das Umdenken, das nach dem Tod der erfahrenen Trainerin Dawn Brancheau bei einigen Mitarbeitern einsetzte, sondern auch die Kontroversen und Katastrophen, die sich einstellen, wenn man Tiere wie Orcas in zu kleinen Bassins hält und von ihnen Tag ein, Tag aus die gleichen entwürdigenden Kunststückchen verlangt.

Die Tierrechtsbewegung hat keinen guten Ruf. Mit militantem Auftreten und Methoden, die an die RAF erinnern verbinden viele das an sich noble Sujet mit links angehauchtem Terror. Blackfish appelliert aber nicht an jene, die die Rechte von anderen Lebewesen mit Gewalt durchsetzen wollen, sondern präsentiert trotz des verständlich ärgerlich-verzweifelten Grundtons eine ganze Armada von vernünftigen Gründen, warum eine Institution wie SeaWorld keine Meeressäugetiere wie Tilikum halten sollte.
Wie Die Bucht verlangt der Film vom Zuschauer, Orcas (wie alle Walartigen) als intelligente Wesen anzusehen und zwar nicht im Sinne von „Der Hund findet seinen Stock wieder“ sondern im Sinne echter Geistesstärke inklusive kreativer Problemlösungsstrategien und einer schier unerschöpflichen emotionalen Intelligenz. Diese Grundvoraussetzung sollte für aufgeklärte Menschen kein Problem darstellen, auch wenn es noch bemerkenswert viele Aversionen gegen die Vorstellung gibt, als Menschen nicht die einzige intelligente Spezies auf dem Planeten zu sein.
Hat man aber diesen Fakt akzeptiert, erscheinen die Dinge, die Blackfish zeigt, in einem noch tiefer gehenden Licht. Und auch die drei Toten, die auf Tilikums Konto gehen, lassen plötzlich das Ausmaß der Grausamkeit erkennen, die den Orcas in Gefangenschaft angetan wird. Als hochentwickelte, soziale Wesen dürfte es auch für einen Orca eine Überwindung sein, einen Menschen zu töten, kann man doch davon ausgehen, dass sie Menschen in eine andere Kategorie einteilen als andere Tiere. Wie hoch muss also das Frustpotenzial sein, die Depressionen, die Psychosen, die sich in ihm aufstauen? In einem der zahlreichen TV-Ausschnitte, die in Blackfish zu Collagen zusammengeschnitten werden, fragt eine Frau provozierend: „Wenn Sie 25 Jahre in einer Badewanne zugebracht hätten, würden Sie dann nicht auch etwas psychotisch werden?“ Mehr muss man kaum hinzufügen.

Blackfish ist eine parteiliche Dokumentation, wütend, traurig, entschlossen, hilflos und stark. SeaWorld hat die Chance verpasst, ihre Sicht der Dinge darzustellen, weil man fürchtete, in keinem guten Licht portraitiert zu werden. Schlimmer als das, was man auf der Leinwand sieht, kann es allerdings kaum werden. Blackfish entwickelt sich wie ein Thriller, eine Ungeheuerlichkeit jagt die Nächste, aber er präsentiert auch Lösungsansätze. Dass diese im Anblick der mächtigen wirtschaftlichen Interessen auf absehbare Zukunft wohl Träume bleiben werden, dass ist dem Film in jeder Minute schmerzlich bewusst. Es sei denn, seine Appelle für einen gerechteren, ethischeren Umgang mit anderen intelligneten Tieren werden von mehr Menschen gehört. Cowperthwaite setzt auf den Schneeballeffekt, es bleibt abzuwarten, ob sie damit Erfolg hat. Zu wünschen wäre es ihr, schließlich will niemand seine Familie abgeschlachtet sehen, um danach jahrelang im Zirkus der Peiniger aufzutreten, warum also sollten noch mehr Wale genau das ertragen?
Noch ein Wort zum Titel: Natürlich sind Orcas keine Fische. Der Name stammt von den indigenen Völkern der amerikanischen Küste, die den Orcas in Zeiten ohne zoologische Kategorien große spirituelle Kraft beimaßen. Dass man ihn auch als Kommentar zur fortgesetzten Ignoranz gegenüber diesen Wesen lesen kann, ist sicherlich nur ein Beiprodukt…


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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