PREMIUM RUSH
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 18.10.2012
Regie: David Koepp
Dt. Erstaufführung: 18.10.2012
Regie: David Koepp
Kinetik sollte das oberste Gebot eines
jeden Actionfilms sein. Denn, wie die Genrebezeichnung schon andeutet, Adrenalin
soll beim Zuschauer fließen. Allzu oft hindern generische Verfolgungsjagden,
zumeist per Auto, aber das Aufkommen der gewünschten Spannung. Es gibt positive
Ausnahmen wie Ronin, der durch die
schiere Variationsbreite des Auto-Standards das Interesse wachhält, oder Speed, einem der besten Genrefilme
überhaupt. Premium Rush kann sich
glücklich schätzen, nicht zu den Verlierern des Actionfilms zu gehören. In
punkto Story erfindet er das Rad (no pun
intented) nicht neu, aber er geht mit solchem Spaß, Innovationswillen und
eben Kinetik ans Werk, dass der Film von David Koepp (Das geheime Fenster, Drehbuch für Jurassic Park) neunzig Minuten herrlich inkonsequente Unterhaltung
bietet.
Wilee (Joseph Gordon-Levitt) hat nicht nur namentlich eine
frappierende Ähnlichkeit mit dem Kojoten aus den Road Runner-Cartoons. Als Fahrradkurier in Manhattan rast er bei
Rot über die Ampel, analysiert in Sekundenbruchteilen jeden möglichen Fahrweg
und ist stets in time da, um seine
Lieferungen auszuhändigen. Als er eines Tages von der jungen Studentin Nima
(Jamie Chung) nach Chinatown geschickt wird, glaubt er an einen Job wie jeden
anderen auch – bis ihm ein Polizist namens Bobby Monday (Michael Shannon) nach
dem Leben trachtet. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, in dessen Verlauf Wilee
nicht nur mehr über den Hintergrund seiner Lieferung erfährt, sondern auch
ständig neue Tricks aufbringen muss, um Monday eine Reifenlänge voraus zu sein.
Premium Rush ist
ein Film, der großflächig die bekannte Warnung „Don’t try this at home“ über
sich plakatiert hat. Wie jeder Actionfilm hält er sich in den entscheidenden
Details nicht an die Realität. So wird Wilee als Running Gag von nur einem
einzigen Polizisten (Christopher Place) verfolgt, während Manhattan voll mit
ihnen sein dürfte und die waghalsigen Aktion der Kuriere, die auch andere
Verkehrsteilnehmer gefährden, nicht lange ungetadelt bleiben würden.
Glücklicherweise zieht der im wahrsten Sinne temporeiche Film den Zuschauer
schnell in seinen Bann, so dass man über die Handlungslöcher (von denen es
einige gibt) erst später nachdenken kann. Premium
Rush ist sich bewusst, dass er vom Zuschauer viel suspension of disbelief verlangt, also den Glauben an Dinge
innerhalb der Filmlogik, die in der schnöden Realität so nicht vorkommen.
Dieses Wissen und der Ansatz, dies auch gar nicht übermäßig zu verschleiern, machen
den Film durchaus sympathisch.
Das Kernstück sind die Actionsequenzen per Fahrrad, die in
vielerlei Hinsicht interessant sind. Zum einen sind sie spannend, schnell und
durchaus innovativ was sowohl die verschiedenen Blickwinkel als auch die
narrativen Elemente (Wilees Analyse des Verkehrs mit drei verschiedenen
Möglichkeiten des Durchschlängelns) anbelangt. Zum anderen ist das Fahrrad im
amerikanischen Kino ein eher randständiges Verkehrsmittel. Es wird von Kindern
und Jugendlichen benutzt, aber sobald der Führerschein in Reichweite ist, wird
das Fahrrad negiert. Filme wie Transformers
sind im Kern nichts anderes als die Fortschreibung des Mythos Auto als Symbol
grenzenloser Freiheit. Auch deshalb fallen Sequenzen wie Ewan McGregor, der
sich in Der Ghostwriter auf ein
Fahrrad schwingt, fast wie Fremdkörper – die motorisierte Fortbewegung ist das
Maß aller Dinge, Fahrräder sind in den Filmbildern eher Ausdruck von Kuriosität
und subkultureller Verweigerung, der auch gern finanzielle Engpässe zugrunde
gelegt werden. Auch diesem Umstand ist sich Premium
Rush bewusst. Nicht nur werden die Fahrräder bei aller Glorifizierung von
Waghalsigkeit (die sich selbstverständlich nicht als alltagstaugliche Blaupause
versteht) als dem Auto letztlich überlegen dargestellt, die Fahrradkuriere
werden in der Tat als bunte Subkultur portraitiert, die das Fahrrad als Freiheit
versteht, trotz (oder gerade wegen) der finanziellen Engpässe und desr daraus
resultierenden Autoverzichts. So ist die Konfrontation zwischen Wilee und dem
spielsüchtigen, korrupten Cop Monday auch der Zusammenprall zwischen
aggressiv-bequemen Establishment und flink-innovativen Marginalisierten.
Am Ende ist Premium
Rush eine erfreuliche Überraschung und als Actionfilm eine Empfehlung wert.
Wie gesagt, die Geschichte reißt niemanden vom Hocker, aber die gekonnte
Inszenierung und der pure Spaß, den die Produktion versprüht, machen aus der
Prämisse „Actionfilm-mit-Fahrrädern“ einen diebisch vergnüglichen Zeitvertreib.
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