BLANK CITY
USA 2010
Dt. Erstaufführung: 24.01.2013
Regie: Celine Danhier
Dt. Erstaufführung: 24.01.2013
Regie: Celine Danhier
Dokumentarfilme sind eine hohe Kunst.
Im Kino werden sie oft übersehen, auch wenn das deutsche Kino voll mit ihnen
ist. Die meisten laufen aber nur verstreut in einigen wenigen Programmkinos.
Zwölf Kopien oder weniger sind für ein Land mit über 80 Millionen Einwohnern
doch verschwindend gering. Blank City
brachte es auf immerhin 15 Kopien und schaffte es drei Jahre nach seiner
Entstehung auch ins deutsche Kino. Eine reife Leistung für den deutschen
Verleih, muss man wohl sagen. Nun ist eine Doku über die „No Budget“-Filmszene
von New York in den späten 70ern vielleicht nicht das massenkompatibleste
Thema, dass man sich vorstellen kann, aber darum geht es ja nicht. Auch nicht
darum, dass Blank City mit einigen
inneren Problemen zu kämpfen hat. Es geht, wie man so schön sagt, ums Prinzip.
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre stand New York City
am Abgrund. Der Ruin drohte, ganze Stadtteile zerfielen, die Mieten waren
lächerlich im Vergleich zur Größe der Apartments. Dies kam vielen de facto
mittellosen Künstler zugute, wenn sie keine Angst hatten, ihr Heim mit Ratten
und Kakerlaken zu teilen. In dieser „wilden Zeit“ florierte in New York das „wahre“
Independent-Kino. Filme wurden mit einem nicht existenten Budget gedreht,
Filmmaterial mitunter gestohlen, Rohmaterial unter Zuhilfenahme von Drogen innerhalb
von 24 Stunden zu einem fertigen Film geschnitten. Regisseure wie Amos Poe,
Susan Seidelman, Beth & Scott B und Jim Jarmusch experimentierten mit
Stilen und Aussagen, es war egal, wie dilettantisch das fertige Produkt auch
anmutete, Hauptsache man hatte es getan. Musik und Film, im weitesten Sinne
auch Malerei und Graffiti, bedingten sich gegenseitig, immer auf der Suche nach
dem nächsten großen Ding. Aus der No Wave
genannten Filmbewegung wurde schließlich das aggressivere Cinema of Transgression, das explizierter auch gesellschaftliche Missstände
zum Gegenstand der oft sehr experimentellen Arbeiten machte. Als dann in den
80ern das Geld Einzug hielt, zerbrach der kurzlebige Trend allmählich…
…zumindest ist das die Quintessenz, die Regisseurin Celine
Dahier dem Zuschauer in ihrem Filmdebüt präsentiert. Dies mag nicht gänzlich
falsch sein, trägt aber auch den Beigeschmack von allzu kurz gegriffener Hipster-Kapitalismuskritik,
frei nach dem Motto „Geld tötet die Kreativität“. Die meisten Interviewpartner
werden auf stilvollen Sofas sitzend gefilmt, im Hintergrund gern ein prall
gefülltes Bücherregal. Wer mag diesen Menschen denn verübeln, dass sie nicht
auf Ewigkeiten ihre Behausungen mit Kakerlaken teilen wollten, auch wenn man
sie zum Gegenstand eines Kurzfilms machen kann? Zumal die Interviewten zum
größten Teil recht entspannt damit umgehen, dass die Zeit des No Wave/Cinema of Transgression vorbei
ist. Dahier will vielmehr durch Montage und die wenigen wirklich zornigen
Stimmen ein Gefühl des Verlorenen inszenieren, dass gar nicht wirklich da ist.
So fällt dieser Aspekt des Films sehr flach, ebenso wie die atemlose Montage. Blank City hat ein für filminteressierte
durchaus interessantes Sujet und schafft es auch, ehrliches Interesse an jener
Art von Film zu wecken, die im Internet für Gelächter sorgt (ich denke da an
die Filme, die vom Cinema Snob
seziert werden), aber Dahier lässt nie zu, dass der Zuschauer für länger als
ein paar Sekunden in der portraitierten Filmwelt versinken kann. Dies ist ein
gängiges Problem bei dieser Art von Dokumentation und der selbstauferlegte
Drang, möglichst viel in die 90 Minuten Lauflänge hineinzustopfen, macht den
Film streckenweise mehr irritierend als involvierend.
Doch trotz der mitunter schwächelnden Inszenierung kann Blank City, auch und gerade durch seine
Interviewpartner, ein Stimmungsbild jener kurzen Jahre zeichnen, in denen heute
erfolgreiche Filmer wie Jim Jarmusch mit ihren Erstlingen sich aufmachten, das
Kino von einer anderen Seite zu betrachten. Es verwundert nicht, dass Jarmusch
als interessantester talking head aus dem Film hervorgeht. Wer hätte zum
Beispiel gedacht, dass der früh verstorbene Künstler Jean-Michel Basquiat beim
Dreh von Permanent Vacation dabei war
– schlafend unter der Kamera, außerhalb des Bildes, weil er in Jarmuschs
Apartment gestrandet war? So ist es auch Jarmusch, der der verklärenden
Rücksicht, verbunden mit Dahiers These vom kommerziellen Kreativitätskill,
einen deutlichen Dämpfer verpasst: „Forget about the past and bring on the
future.“ Das Kino des No Wave und Transgression ist Geschichte, seine
Teilnehmer größtenteils noch in der Welt und kreativ tätig. Und das auch der
Mainstream-Film immer von solchen Randbewegungen lernen kann, ist Konsens, auch
wenn damit zwangsläufig mehr Geld ins Spiel kommt. Blank City ist durchaus interessant, seine Quintessenz aber zu
oberflächlich und der Schnitt manchmal zu epileptisch. Aber nur 15 Kopien, dass
hat er wahrlich nicht verdient.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen