Donnerstag, 4. Juli 2013

God Bless America (2011)




GOD BLESS AMERICA
USA 2011
Dt.
Erstaufführung: 14.02.2013 (DVD-Premiere)
Regie: Bobcat Goldthwait

God Bless America ist ein Film für düstere Tage. Für Tage, an denen man, beispielsweise, exzessiv RTL geschaut hat – warum auch immer. Oder nach einem Germany’s Next Topmodel-Matathon. Oder nach zu viel Berlin – Tag und Nacht. Wie auch immer, das Bild sollte klar werden. God Bless America ist eine wütende Anklage gegen alles, was medial falsch läuft in der Welt, gegen dumme Fernsehsendungen, gegen Verblödung des Zuschauers, gegen reaktionäre Weltbilder. Dabei lotet der Film unter der Regie von Bobcat Goldthwait (ja, genau: Zed aus drei Police Academy-Filmen) aus, wie weit man als pechschwarze Satire gehen darf und zeigt, dass es doch kein alter Hut ist, das Mantra von der Grenzenlosigkeit der Satire zu wiederholen. So kommt es, dass man die Intention des Film durchaus nachvollziehen kann – es gibt halt solche Tage und wer kann sich im Angesicht der Dummheit der Welt schon von gelegentlichen Gewaltphantasien freisprechen? Letztlich bleibt aber ein seltsamer Beigeschmack zurück, der dem Film viel von dem bitterbösen Unterhaltungswert nimmt, der eigentlich in ihm wohnt.

Frank (Joel Murray) leidet unter Schlaflosigkeit und Migräne und versucht sich jeden Abend vor dem Fernseher in den Schlaf zu bringen. Doch nicht nur seine tumben, lauten Nachbarn halten ihn davon ab, auch das ihm dargebotene Programm aus Reality-TV, Pseudo-Nachrichten und anderen zwischenmenschlichen und intellektuellen Abscheulichkeiten sorgen nicht gerade für Entspannung. Als Frank dann auch noch seinen Job verliert und bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert wird, ist er bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Wieder vor dem TV-Gerät hat er die Waffe schon im Mund, als er beschließt, vorher noch den besonders widerlichen Teenie-Star (Maddie Hasson) einer jener Reality-TV-Sendungen umzubringen, einfach, weil er deren dreiste Dummheit und die durch die Medien auch noch gefeierte Zurschaustellung dergleichen nicht mehr ertragen kann. Der Mordanschlag glückt und Frank hat gleich seinen ersten Fan an seiner Seite: die 16-jährige Roxy (Tara Lynne Barr), die ihn überredet, vor seinem Selbstmord doch noch mehr Widerlinge ins Jenseits zu befördern. So begibt sich das ungleiche Paar auf einen Tötungsfeldzug, dem allerlei Tea-Party-Mitglieder, christliche Fundamentalisten, TV-Persönlichkeiten und rüde Kinobesucher zum Opfer fallen. Und dann gibt es da noch Franks Hauptziel: eine American Idol-nachempfundene Castingshow, die einen behinderten Jungen zur Witzfigur macht…

Sieht man God Bless America als eine schwarze Komödie, gibt es durchaus witziges Material – vorausgesetzt natürlich, man hat kein Problem mit der portraitierten Gewalt im Namen der Satire. Die Sequenz im Kino dürfte so manchem Cinephilen durchaus aus der Seele sprechen, ebenso der Seitenhieb, den Goldthwait danach zum Thema „Erzeugen gewalthaltige Medien Gewalt in der Realität?“ einbaut. Ebenso effektiv ist die „Urlaubsmontage“, in der Frank und Roxy uninformierte, aggressive Tea-Party-Mitglieder, die gegen die Gesundheitsreform geifern und Angehörige der Westboro Baptist Church töten, die Schilder mit solchen Sprüchen wie „God hates Jews“ in die Höhe halten. Jeder, der über beide Gruppierungen schon die eine oder andere Information bekommen hat, dürfte sich zumindest ein Grinsen nicht verkneifen können. Immer gegenwärtig ist der mediale Aspekt, wenn die Morde als Schlagzeilen auftauchen, während im Untertitel hanebüchene Vermutungen über die Hintergründe gleich mitgeliefert werden. Dabei sind Frank und Roxy bemerkenswert immun gegen die Staatsgewalt – trotz der Tatsache, dass sie ein schreiend auffälliges Auto fahren und von Überwachungskameras aufgenommen werden, ja sogar Augenzeugen zurücklassen, spielt die Polizei erst in den letzten Minuten eine Rolle. Auch das Konzept der suspension of disbelief muss sich der Satire unterordnen.

Der Film bekommt dann massive Probleme, wenn man ihn von einem Standpunkt jenseits der Komödie betrachtet. God Bless America setzt auf den gesunden Menschenverstand, unverkennbar. Franks moralischer Kompass lässt ihn „nur“ solche Menschen töten, die sich auf irgendeine Weise destruktiv verhalten. Dabei ist es dann auch egal, ob jemand mit seinem Geländewagen zwei Parkbuchten zuparkt oder jemand rechtes Gedankengut verbreitet. Dem Konzept wohnt nun naturgegeben die Gefahr inne, den Bogen zu weit zu spannen. Man mache aus Frank einen Menschen, der gegen Abtreibung ist oder eine bestimmte ethnische Gruppe nicht mag – und schon wäre kein Raum für Witz mehr gewesen. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich der Film entlang balanciert und während Frank es insgesamt schafft, auf einer Seite zu bleiben, ist es bei Roxy nicht der Fall.
Roxy ist psychopathisch, gemeingefährlich und ohne Franks Anleitung würde sie wahllos töten – da sie niemanden wirklich mag, wäre der Body Count ungleich höher. God Bless America ist ein Fest des schwarzen Humors bis Roxy voll in die Handlung einsteigt – eine unangenehme Kreation, der immerhin ein solch graphisches Ende wie Ellen Page in Super erspart bleibt – einem Film, der thematisch und von der Figurenkonstellation erstaunlich ähnlich gelagert ist (nur mit einem Superhelden-Element), aber noch gewalttätiger daher kommt.

So bleibt der Film letztlich unausgegoren, Roxy eine furchtbare Figur und das ganze Unterfangen etwas zu lang – das Konzept kann die 105 Minuten nicht vollständig tragen, Straffung hätte an mancher Stelle gutgetan. Man kann die Satire hinter God Bless America verstehen, stellenweise auch unterhaltsam finden und mit vielem, was Goldthwait seinen Figuren in den Mund legt hat er schlicht recht, aber der Film verheddert sich etwas in seinem eigenen moralischen Gespinst. Als Ganzes funktioniert er besser in der komprimierten Form des Trailers, aber immerhin taugt God Bless America dazu, Diskussionen zu entfachen. Und manchmal kann man sich des Gefühls kaum erwehren, dass Goldthwait auch nicht mehr vorhatte.




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