KONFERENZ DER TIERE
Deutschland 2010
Dt. Erstaufführung:07.10.2010
Regie: Reinhard Klooss & Holger Tappe
Deutschland 2010
Dt. Erstaufführung:07.10.2010
Regie: Reinhard Klooss & Holger Tappe
Normalerweise findet sich an dieser
Stelle eine Besprechung zum oben genannten Film und am Ende ein Trailer zur
Ansicht. Für Konferenz der Tiere, dem
ersten 3D-Animationsfilm aus deutschen Landen, muss anders verfahren und die
Struktur aufgebrochen werden. Denn es dürfte schwer fallen, ein anderes
Beispiel zu finden, bei dem Teaser Trailer und der endgültige Film (eher repräsentiert
durch die Hauptvorschau am Ende der Besprechung) ein so eklatantes Gefälle in
Qualität und Aussage aufweisen. Darum hier zunächst die erste Vorschau für den
Film:
Trotz des Botschafters des Untergangs, dem Erdmännchen am
Ende der Vorschau, ist dieser Trailer eine jener Gänsehaut-Vorschauen, die
einen gänzlich anderen Film versprechen als jenen, der letztlich auf die
Leinwand gebracht wurde.
Konferenz der Tiere beruht auf dem gleichnamigen Buch von
Erich Kästner, auch wenn außer dem Titel nicht viel aus dem hochpolitischen
Buch in den Film gerettet wurde. Es gibt einige Reminiszenzen (die Motten, die
die Kleidung der Konferenzteilnehmer fressen, die Wale als Transportmittel),
aber sonst hat der Film nicht nur wenig mit dem Buch zu tun, er interessiert
sich – und das ist viel schlimmer – auch kaum für die eigentlichen Ideen
Kästners interessiert. Die Konferenz der
Tiere war sein erstes Buch nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Kritik an
der menschlichen Politik, ein Plädoyer für ganzheitliche Entscheidungen und
Abrüstung. Die Verfilmung, die natürlich auch nichts mit der Curt Linda-Version
von 1969 gemein hat, verkleinert nicht nur den Konflikt (um die größeren
Dimensionen dann in einer kurzen Abschlusssequenz nur anzudeuten anstatt
auszuspielen), er interpretiert ihn auch noch einseitig. Natürlich ist die
Zerstörung der natürlichen Ressourcen ein Thema, der damit einhergehende
Verlust von Lebensraum für nicht-menschliche Lebewesen ebenso, aber Kästners
Vision war si viel größer als alles, was sich Konferenz der Tiere vorstellen kann. Anstatt die Chance zu
ergreifen, der starken Vorlage zu vertrauen und ein ehrliches Wagnis
einzugehen, biedert sich der Film derartig penetrant dem Massengeschmack,
sowohl inhaltlich als auch ästhetisch, an, dass er zwischenzeitlich hart an der
Grenze zum nicht mehr ertragbaren schrammt.
Das Wasser versiegt in der afrikanischen Savanne, zurück
bleibt nur ein hart umkämpftes Wasserloch. Das Erdmännchen Billy und der Löwe
Sokrates machen sich auf den Weg, das Wasser zu suchen und finden es
eingeschlossen in einem riesigen Staudamm, der einem Hotel als Wasser-, Stromzufuhr
und ökologisches Vorzeigemodell dient und auch noch eine Umweltkonferenz der
Menschen beherbergt. Die Tiere wollen diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen und
beschließen auf einer Konferenz, sich gegen die seltsamen, haarlosen Affen zu wehren…
Die Liste der offensichtlichen gestalterischen Vorbilder für
diesen Film ist lang: Der König der Löwen,
Madagascar, Ice Age, Tierisch wild, Könige der Wellen, Warner-Brothers-Cartoons.
Mit seinem Kopieren bekannter Vorbilder ohne Generierung von Eigenständigkeit
zerrt Konferenz der Tiere von der ersten Minute an den Nerven. Hinzu kommen
schlicht dämliche Einfälle, wie z.B. den Löwen Sokrates als Vegetarier zu charakterisieren
und den tasmanischen Teufel ständig furzen zu lassen. Großer Spaß für jeden
unter vier Jahren… Überhaupt beleidigt der Film durch seine Infantilität nicht
nur den erwachsenen Zuschauer, auch seine jüngeren Besucher nimmt er nicht ernst
bzw. reproduziert nur dumme Klischees und schlichte Ärgerlichkeiten. Die
Australier sind trinkfeste Proleten – natürlich, es sind ja auch harte
Outback-Typen. Männliche Känguruhs haben Beutel – natürlich, es sind doch auch Beuteltiere.
Tasmanische Teufel leben auch auf dem australischen Festland – natürlich, es
gibt ja keinen Unterschied zwischen Australien und Tasmanien. Weibliche Figuren
sind entweder Heimchen am Herd, zu schwach, um die Handlung einzugreifen oder
so alt, dass sie aus der Handlung verschwinden müssen – natürlich, denn nur
männlich kodifizierte Figuren dürfen einen wirklichen Beitrag leisten. Es sei
denn, weibliche Figuren werden von Männern gesprochen – wie die Elefantenkuh
Angie, deren Stimme von Bastian Pastewka stammt und einen der irritierendste
und wenig funktionale Gag des Films darstellt. Selbst das menschliche Mädchen,
Tochter des Hotelbesitzers, tendiert vom Design eher den männlichen Klischees
zu und fungiert nur als Stichwortgeberin, die beliebig in die Szenerie platzt,
die Moral der Stunde erläutert und dann verschwindet. Ähnlich verhält es sich
mit dem Jäger Hunter (welch einfallsreicher Name), der eine von Szene-zu-Szene-Hüpffähigkeit
unter Beweis stellt, die Nightcrwaler von den X-Men neidisch machen dürfte.
Neben den langweiligen Figuren löst sich auch jedes
dramaturgische Mittel in Wohlgefallen aus. Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen
Billy und seinem Sprössling, der sinnfreie Subplot mit dem Leopard, die
Ermordung von Sokrates‘ Bruder, die Konferenzen der Menschen, die
Thematisierung von Rassismus („Dein Vater hat gar nicht so weißes Fell wie alle
anderen Erdmännchen!“) – Konferenz der
Tiere fängt viel an, ohne es dann weiterzuverfolgen. Auch die Belagerung
von New York am Ende des Films wird nicht zu Ende gedacht und wirkt nur wie
eine halbherzige Entschuldigung gegenüber dem Buch. Die Konsequenzen aus dem
Zusammentreffen der Menschheit mit anderen Tieren und dem daraus erwachsenen
Sinn für Verantwortung wurde intelligenter und vor allem emotional
befriedigender in Happy Feet gelöst.
Man könnte sogar argumentieren, dass George Millers Film Erich Kästner näher
stand als der Film, der den Namen seines Buches im Titel trägt.
Konferenz der Tiere
ist hübsch animiert und einige der Hintergründe sind schlicht spektakulär, aber
die souveräne Technik kann nicht über das katastrophale Drehbuch
hinwegtäuschen. Erich Kästner bot seine Geschichte dereinst Disney zur
Verfilmung an, was aber mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Geschichte
zu politisch sei. 61 Jahre nach dem Erscheinen des Buches hat man es auch in
Deutschland geschafft, der Vorlage fast jeglichen Biss und Relevanz zu nehmen,
das politische Plädoyer für eine gerechte Welt gegen eine platt ausgeführte
Ökobotschaft (an sich nicht schlecht, aber bitte mit mehr Fingerspitzengefühl)
einzutauschen und das Ganze mit langweiligen Figuren aus dem Baukasten der Trickfilmklischees
zu besetzen. Nicht nur hat weder Erick Kästner dies verdient, noch haben
Zuschauer egal welchen Alters solche Filme verdient. Konferenz der Tiere ist selbsternannte Familienunterhaltung auf dem
allerkleinsten gemeinsamen Nenner, ohne Mut, Esprit oder sonst etwas, das Kino
unterhaltsam macht.
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