Montag, 8. Juli 2013

Konferenz der Tiere (2010)



KONFERENZ DER TIERE
Deutschland 2010
Dt. Erstaufführung:07.10.2010
Regie: Reinhard Klooss & Holger Tappe

Normalerweise findet sich an dieser Stelle eine Besprechung zum oben genannten Film und am Ende ein Trailer zur Ansicht. Für Konferenz der Tiere, dem ersten 3D-Animationsfilm aus deutschen Landen, muss anders verfahren und die Struktur aufgebrochen werden. Denn es dürfte schwer fallen, ein anderes Beispiel zu finden, bei dem Teaser Trailer und der endgültige Film (eher repräsentiert durch die Hauptvorschau am Ende der Besprechung) ein so eklatantes Gefälle in Qualität und Aussage aufweisen. Darum hier zunächst die erste Vorschau für den Film:




Trotz des Botschafters des Untergangs, dem Erdmännchen am Ende der Vorschau, ist dieser Trailer eine jener Gänsehaut-Vorschauen, die einen gänzlich anderen Film versprechen als jenen, der letztlich auf die Leinwand gebracht wurde.
Konferenz der Tiere beruht auf dem gleichnamigen Buch von Erich Kästner, auch wenn außer dem Titel nicht viel aus dem hochpolitischen Buch in den Film gerettet wurde. Es gibt einige Reminiszenzen (die Motten, die die Kleidung der Konferenzteilnehmer fressen, die Wale als Transportmittel), aber sonst hat der Film nicht nur wenig mit dem Buch zu tun, er interessiert sich – und das ist viel schlimmer – auch kaum für die eigentlichen Ideen Kästners interessiert. Die Konferenz der Tiere war sein erstes Buch nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Kritik an der menschlichen Politik, ein Plädoyer für ganzheitliche Entscheidungen und Abrüstung. Die Verfilmung, die natürlich auch nichts mit der Curt Linda-Version von 1969 gemein hat, verkleinert nicht nur den Konflikt (um die größeren Dimensionen dann in einer kurzen Abschlusssequenz nur anzudeuten anstatt auszuspielen), er interpretiert ihn auch noch einseitig. Natürlich ist die Zerstörung der natürlichen Ressourcen ein Thema, der damit einhergehende Verlust von Lebensraum für nicht-menschliche Lebewesen ebenso, aber Kästners Vision war si viel größer als alles, was sich Konferenz der Tiere vorstellen kann. Anstatt die Chance zu ergreifen, der starken Vorlage zu vertrauen und ein ehrliches Wagnis einzugehen, biedert sich der Film derartig penetrant dem Massengeschmack, sowohl inhaltlich als auch ästhetisch, an, dass er zwischenzeitlich hart an der Grenze zum nicht mehr ertragbaren schrammt.

Das Wasser versiegt in der afrikanischen Savanne, zurück bleibt nur ein hart umkämpftes Wasserloch. Das Erdmännchen Billy und der Löwe Sokrates machen sich auf den Weg, das Wasser zu suchen und finden es eingeschlossen in einem riesigen Staudamm, der einem Hotel als Wasser-, Stromzufuhr und ökologisches Vorzeigemodell dient und auch noch eine Umweltkonferenz der Menschen beherbergt. Die Tiere wollen diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen und beschließen auf einer Konferenz, sich gegen die seltsamen, haarlosen Affen zu wehren…

Die Liste der offensichtlichen gestalterischen Vorbilder für diesen Film ist lang: Der König der Löwen, Madagascar, Ice Age, Tierisch wild, Könige der Wellen, Warner-Brothers-Cartoons. Mit seinem Kopieren bekannter Vorbilder ohne Generierung von Eigenständigkeit zerrt Konferenz der Tiere von der ersten Minute an den Nerven. Hinzu kommen schlicht dämliche Einfälle, wie z.B. den Löwen Sokrates als Vegetarier zu charakterisieren und den tasmanischen Teufel ständig furzen zu lassen. Großer Spaß für jeden unter vier Jahren… Überhaupt beleidigt der Film durch seine Infantilität nicht nur den erwachsenen Zuschauer, auch seine jüngeren Besucher nimmt er nicht ernst bzw. reproduziert nur dumme Klischees und schlichte Ärgerlichkeiten. Die Australier sind trinkfeste Proleten – natürlich, es sind ja auch harte Outback-Typen. Männliche Känguruhs haben Beutel – natürlich, es sind doch auch Beuteltiere. Tasmanische Teufel leben auch auf dem australischen Festland – natürlich, es gibt ja keinen Unterschied zwischen Australien und Tasmanien. Weibliche Figuren sind entweder Heimchen am Herd, zu schwach, um die Handlung einzugreifen oder so alt, dass sie aus der Handlung verschwinden müssen – natürlich, denn nur männlich kodifizierte Figuren dürfen einen wirklichen Beitrag leisten. Es sei denn, weibliche Figuren werden von Männern gesprochen – wie die Elefantenkuh Angie, deren Stimme von Bastian Pastewka stammt und einen der irritierendste und wenig funktionale Gag des Films darstellt. Selbst das menschliche Mädchen, Tochter des Hotelbesitzers, tendiert vom Design eher den männlichen Klischees zu und fungiert nur als Stichwortgeberin, die beliebig in die Szenerie platzt, die Moral der Stunde erläutert und dann verschwindet. Ähnlich verhält es sich mit dem Jäger Hunter (welch einfallsreicher Name), der eine von Szene-zu-Szene-Hüpffähigkeit unter Beweis stellt, die Nightcrwaler von den X-Men neidisch machen dürfte.

Neben den langweiligen Figuren löst sich auch jedes dramaturgische Mittel in Wohlgefallen aus. Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Billy und seinem Sprössling, der sinnfreie Subplot mit dem Leopard, die Ermordung von Sokrates‘ Bruder, die Konferenzen der Menschen, die Thematisierung von Rassismus („Dein Vater hat gar nicht so weißes Fell wie alle anderen Erdmännchen!“) – Konferenz der Tiere fängt viel an, ohne es dann weiterzuverfolgen. Auch die Belagerung von New York am Ende des Films wird nicht zu Ende gedacht und wirkt nur wie eine halbherzige Entschuldigung gegenüber dem Buch. Die Konsequenzen aus dem Zusammentreffen der Menschheit mit anderen Tieren und dem daraus erwachsenen Sinn für Verantwortung wurde intelligenter und vor allem emotional befriedigender in Happy Feet gelöst. Man könnte sogar argumentieren, dass George Millers Film Erich Kästner näher stand als der Film, der den Namen seines Buches im Titel trägt.

Konferenz der Tiere ist hübsch animiert und einige der Hintergründe sind schlicht spektakulär, aber die souveräne Technik kann nicht über das katastrophale Drehbuch hinwegtäuschen. Erich Kästner bot seine Geschichte dereinst Disney zur Verfilmung an, was aber mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Geschichte zu politisch sei. 61 Jahre nach dem Erscheinen des Buches hat man es auch in Deutschland geschafft, der Vorlage fast jeglichen Biss und Relevanz zu nehmen, das politische Plädoyer für eine gerechte Welt gegen eine platt ausgeführte Ökobotschaft (an sich nicht schlecht, aber bitte mit mehr Fingerspitzengefühl) einzutauschen und das Ganze mit langweiligen Figuren aus dem Baukasten der Trickfilmklischees zu besetzen. Nicht nur hat weder Erick Kästner dies verdient, noch haben Zuschauer egal welchen Alters solche Filme verdient. Konferenz der Tiere ist selbsternannte Familienunterhaltung auf dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner, ohne Mut, Esprit oder sonst etwas, das Kino unterhaltsam macht.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen