Montag, 15. Juli 2013

Immer Ärger mit 40 (2012)




IMMER ÄRGER MIT 40
(This is 40)
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Judd Apatow

Judd Apatow ist eine Marke für sich. Auf den ersten Blick ist er der Fachmann für derbe, zotige Komödien. Auf den zweiten Blick offenbaren seine Filme aber auch den durchaus klugen, pointierten Beobachter von zwischenmenschlichem Wahnsinn. Immer Ärger mit 40 macht da keine Ausnahme, denn trotz diverser Schwächen ist der Film eine sehenswerte Autopsie einer Paarbeziehung, deren Mitglieder ihren vierzigsten Geburtstag feiern.

Zuerst ist Debbie (Leslie Mann) dran, auch wenn auf ihrer Geburtstagstorte die 38 thront. Zwei Wochen später wird ihr Mann Pete (Paul Rudd) die 40 erreichen. Der Film schaut mit sezierendem Blick in diese kurze Zeitspanne, in der die beiden Protagonisten nicht nur mit ihrem Alter hadern, sondern auch versuchen, ihr Leben auf gesunde Ernährung und ein ohne Viagra auskommendes Sexleben umzustellen. Die beiden Töchter Sadie (Maude Apatow) und Charlotte (Iris Apatow) streiten sich ständig, Petes Label für besondere Musik steht kurz vor dem Aus, in Debbies Boutique gibt es Probleme mit den zwei Angestellten Desi (Megan Fox) und Jodi (Charlyne Yi), ganz zu schweigen von den Querelen mit den jeweiligen Vätern. Dabei heißt es doch immer, dass die Lebensphase, in der sich Debbie und Pete befinden, wäre so entspannt und einfach wie keine andere davor oder danach…

Wie erwähnt, Judd Apatow ist eine Marke für sich. Und eine, die nie komplett eingeschätzt werden kann. So hat er als Drehbuchautor Schrott wie Dick und Jane – Zu allem bereit, zu nichts zu gebrauchen und Leg dich nicht mit Zohan an verbrochen, als Produzent aber auch verdiente Erfolge wie Superbad und Fast verheiratet betreut (ja, auch den massiv überschätzten Brautalarm, aber es heißt ja im Zweifel für den Angeklagten…). Als Regisseur ist er bisher lediglich für vier Spielfilme verantwortlich, von denen nur das Adam-Sandler-Vehikel Wie das Leben so spielt als gänzlich misslungen angesehen werden muss. Der Rest, Jungfrau (40), männlich, sucht, Beim ersten Mal und dieser Film, dürfen als gelungene Beiträge auf Apatows Vita angesehen werden.

Immer Ärger mit 40 hat kein Interesse an einer stringenten Geschichte, vielmehr fühlt sich der Film beizeiten wie eine Revuenummer an, deren Teile von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Die Gespräche zwischen Pete und Debbie, während er auf der Toilette sitzt und die elektronischen Varianten von bekannten Brettspielen wie Scrabble spielt? Hervorragend. Eine forcierte Anusbetrachtung, die mit der Erkenntnis endet, dass Pete Hämorrhoiden hat? Weniger gelungen, zumal gerade diese Art von Einschüben den Film auf knapp über zwei Stunden verlängern, was ihn monströser macht, als er sein müsste (die meisten Komödien fahren besser mit einer 90-Minuten-Lauflänge). Außerdem bringen sie dramaturgisch keinerlei Zugewinn, weder für die Figuren, noch in punkto Mehrwert für den Zuschauer. Vulgär, nur um des Zustands willen – wer dies sucht, der wird auch bei Immer Ärger mit 40 belohnt.

Auf der anderen Seite steht die treffsichere Auseinandersetzung mit den Tücken des Lebens. Ich verwende bewusst nicht das Wort „Alltag“, denn Apatow ist sich sehr sicher darüber, dass so etwas nicht existiert. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen mit sich, Wiederholungen sind vom Leben gar nicht vorgesehen. So schafft es der Film innerhalb der zwei Wochen seiner Narrative alle Höhen und Tiefen, die der sogenannte Alltag mit sich bringt, zu illustrieren. Man mag dies vermessen und überambitioniert nennen, aber die organische Art, mit der Apatow seine Figuren durch die Situationen dirigiert, lässt den Film nicht ins artifizielle abgleiten. Selbst in insgesamt weniger gelungenen Subplots wie die Onlinebeleidigung von Sadie durch einen Mitschüler und die anschließende Konfrontation der Eltern mit der Mutter, Catherine (Melissa McCarthy), des Jungen findet Apatow noch Momente, die diesen organischen Fluss unterstreichen. Pete und Debbie mögen sich oft streiten und sich manchmal gegenseitig die Pest an den Hals wünschen, aber als Catherine Debbie beleidigt, springt Pete sofort in die Bresche und verteidigt sie. Immer Ärger mit 40 ist im Grunde ein Film über die Kunst des Zusammenlebens, ein Familienfilm, in dem sich viele Eltern und wahrscheinlich auch ihre Kinder ab einem bestimmten Alter wiedererkennen. Dass Apatow dabei nichts beschönigt und auch schon mal die Fetzen fliegen, macht ihn ehrlicher als man erwarten durfte.
Denn unter der rauen Schale aus teilweise wirklich dämlichen und flachen Gags ist Immer Ärger mit 40 ein warmherziger, unterhaltsamer Film, der sich mehr menschlichen Tiefgang erlaubt als Komödien, die es nur bei den Zoten belassen.



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