Freitag, 3. Oktober 2014

Halloween - Die Nacht des Grauens (1978)




HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS
(Halloween)
USA 1978
Dt. Erstaufführung: 06.07.1979
Regie: John Carpenter

Arthur C. Clarke, bekannter Science-Fiction-Autor, unter anderem verantwortlich für die Vorlage zu 2001 – Odyssee im Weltraum, hat einmal auf die Frage nach seinen Lieblingsgenrefilmen neben der Liste zu Protokoll gegeben: „Es wäre wohl sinnvoll, zwei Listen zu erstellen, eine für die ‚besten Filme‘ und eine für die ‚wichtigsten‘“. Dieses Statement passt bemerkenswert gut zu John Carpenters drittem und erfolgreichsten Kinofilm, Halloween – Die Nacht des Grauens. Abgesehen von seinem Einfluss als Blaupause für kommende Slasher-Filme, für seinen Gebrauch der subjektiven Kamera und auch der ziemlich konservativen Verbindung von Promiskuität und den Überlebenschancen in Horrorfilmen, ist Halloween als Film selbst recht unspektakulär. Kurioserweise ist Halloween weniger als die Summe seiner zum Teil ja durchaus ansehnlichen Teile. Als Gesamtpaket ist er aber, ähnlich wie Steven Spielbergs Der weiße Hai, ein Genrefilm, der filmhistorisch relevanter daherkommt anstatt in Form durchweg empfehlenswerter Unterhaltung.

Als Kind hatte Michael Myers seine Schwester an Halloween erstochen und kam dafür in eine Nervenheilanstalt, wo sein Arzt, Dr. Sam Loomis (Donald Pleasence) jahrelang vergeblich versuchte, eine Verbindung zu dem völlig apathischen Menschen aufzubauen. 15 Jahre später kann Michael entkommen und macht sich auf den Weg in seine alte Heimatstadt, Haddonfield, Illinois. Es ist die Nacht vor Halloween und Dr. Loomis hat wenig Zeit, um seinen Patienten wieder aufzuspüren, der sich anschickt, echten Tod und Terror in der gruseligsten Nacht des Jahres nach Haddonfield zu bringen…

Halloween ist John Carpenters erster reiner Horrorfilm. Viele der Elemente, die Fans so sehr am seiner Arbeit schätzen, sind bereits hier angelegt und gerade im Vergleich zu den heutigen Genreexzessen ist der Film erfreulich blutarm. Carpenter interessiert sich mehr für Schockmomente als für Kunstblut. Einzig, die Schocks sind verhältnismäßig vorhersehbar und in ihrer berechenbaren Kalkulation nicht wirkungsvoll. Zum Teil mag dies auch daran liegen, dass der Killer Michael Myers eine zu bemühte Figur ist. Man erfährt nie, warum er eigentlich mordet, es gibt ein paar Hinweise darauf, dass er womöglich das personifizierte Böse, der „Boogeyman“ ist, aber wenn man den Film ohne diesen forcierten mythologischen Überbau betrachtet, dann ist Michael schlicht ein Wahnsinniger mit einem Messer, dessen größte Leistung es ist, alles, was man gegen ihn auffährt, zu überleben. Das wirkt denn auch manchmal etwas unfreiwillig komisch. Halloween hat sehr damit zu kämpfen, dass er als Horrorfilm nicht so gut gealtert ist wie andere Genrebeiträge. Dass der Film 1978 eine andere Wirkung hatte als heute, in einer Welt, die Halloween bereits unzählige Male unter anderen Vorzeichen neu aufgelegt hat, ist eine Sache, dass seine spezifischen Qualitäten nicht mehr standhalten, eine andere. Rosemaries Baby ist auch heute noch erschreckend, spätere Carpenter-Filme haben ebenso wenig von ihrer Wirkung verloren. Halloween kann sich mit seinem Maske-tragenden Verrückten nicht einreihen.

Anders verhält es sich mit der handwerklichen Qualität. Inhaltlich ist der Film nicht bemerkenswert, wie er sich präsentiert schon eher. Carpenter weiß, wo er die Kamera platzieren und wie er sie bewegen muss, um organische Aufnahmen zu generieren, wie ein kalter Beobachter dokumentiert er unheilsschwanger, wie das Grauen in die selbsternannte Idylle des amerikanischen Vororts einbricht. Visuell ist Halloween ein gelungener Film, und auch die Musik ist hervorragend, wenn auch im Film etwas inflationär und manchmal schlicht unpassend eingesetzt. Doch gerade mit dem Theme hat Carpenter einen Klassiker geschaffen, dessen mannigfaltiger Einsatz in anderen Medien die Frage aufwirft, ob sein Schöpfer inzwischen von den Tantiemen nur dieses einen Stückes leben kann.

Halloween ist ein Klassiker, keine Frage, und als Cineast und gerade als Genrefan kommt man kaum um ihn herum. Doch neben der beneidenswert souveränen Handwerkskunst, die Carpenter bei seinem dritten Film demonstriert, ist der Film weit weniger spannend, als es die Spatzen von den Dächern pfeifen. So versagt der Film bis auf einige kleinere Ausnahmen auf dem wichtigsten Gebiet des Horrorfilms. Solange Halloween – Die Nacht des Grauens besonders von US-Kritikern immer wieder als besonders gelungener Genrefilm ins Feld geführt wird, werden auch noch weitere Generationen mit der Enttäuschung fertig werden müssen, die der Satz „Don’t believe the Hype“ mit sich bringt.



3 Kommentare:

  1. Als jemand für den "Halloween" zu den Lieblings-Horrorfilmen gehört, sehe ich das natürlich völlig anders, zumal sich Carpenmter nicht auf die Schocks konzentriert, sondern auf einen durchgehend hochspannenden Grundton. Viel trauriger bin ich allerdings darüber, dass Du (wahrscheinlich weil nur TV-Film?) den tollen "Das unsichtbare Auge" ausgelassen hast, den man als eine Art Fingerübung Carpenters zu "Halloween" betrachten kann. Der ist leider viel zu unbekannt, weswegen das Nachreichen einer Besprechung ganz toll wäre! :)

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    1. Ja, ich habe mir schon gedacht, dass die "Halloween"-Rezension Unmut auslösen würde. Tut mir leid, aber ich habe wirklich versucht, das in dem Film zu sehen, was alle anderen sehen. Aber es ist mir nur bedingt gelungen. Ich halte Slasher-Filme allgemein für etwas problematisch, auch wenn Carpenters Handwerk natürlich vorbildlich ist.

      Und ja auch dazu, dass "Das fliegende Auge" nicht im #Carpentober vertreten sein wird, da ich mich zunächst nur auf die Kinofilme beschränken werde. Aber da ich meine treuen Leser nicht enttäuschen möchte, könnte ich mir vorstellen, den als "Bonus" noch nachzuschieben... ;-)

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    2. ..."Das unsichtbare Auge"... "Das fliegende Auge" ist was anderes... :-D

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