Samstag, 25. Oktober 2014

Flucht aus L.A. (1996)




FLUCHT AUS L.A.
(John Carpenter’s Escape from L.A.)
USA 1996
Dt. Erstaufführung: 31.10.1996
Regie: John Carpenter

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass dieser Rezensent hier kein Fan von John Carpenters Die Klapperschlange ist, trotz seiner loyalen und offensichtlich stetig wachsenden Fanbasis. Die wütende Allegorie auf die Reagan-Ära ist mehr ein obskurer Genremix mit einem Helden, dessen Coolness zu unlegitmiert daherkommt. Doch Die Klapperschlange ist ein Kultfilm und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch John Carpenter in den unkreativen Vermarktungssog der Filmwirtschaft hineingezogen werden würde. Bereits der vorangegangene Film, Das Dorf der Verdammten, war ein unnötiges Remake, Flucht aus L.A. ist nun eine unnötige Fortsetzung. Doch eins muss man Carpenter und allen, die an diesem dreisten Versuch der Geldschinderei beteiligt gewesen waren, lassen: sie hatten durchaus Spaß an der Sache, der sich – zumindest partiell – auf den Zuschauer überträgt.

Neben New York ist nun auch Los Angeles zu einem Gefängnis für die von der Regierung unerwünschten Personen geworden. Nach einem verherrenden Erdbeben eine vom Festaland abgetrennte Insel regiert hier die Anarchie – in die wieder einmal der Outlaw Snake Plissken (Kurt Russell) deportiert werden soll. Doch da die Präsidententochter hat ein Gerät (sprich: McGuffin) gestohlen, dass die Zivilisation technologisch in die Steinzeit zurückwerfen könnte, um es einem Rebellenführer in L.A. zu überbringen, wird Snake einmal mehr rekrutiert, um, durch die Injektion eines zeitversetzt tödlichen Virus entsprechend motiviert, für die faschistische Regierung einen Auftrag unter den von der Gesellschaft ausgestoßenen zu erledigen…

Flucht aus L.A. ist ein einziger Trashfilm und er weiß sehr gut um diese Existenz, was ihn vor einem Totalausfall bewahrt. Gewiss kann man immer noch die Sinnfrage stellen, auch im Hinblick darauf, dass der Film narrativ doch sehr nah am Original bleibt – sprich: er ist im Grund nur eine Kopie. Doch die kruden, bizarren und schlicht bekloppten Einfälle häufen sich, so darf Plissken sich beispielsweise als Surfer betätigen und am Ende die verlotterte Gesellschaft endgültig ins Aus katapultieren. Die Effekte sind fast durchweg mies, die Computeranimationen auf dem Niveau eines schnell zusammengerechneten Computerspiels (inklusive eines sagenhaft schlechten Hais), einzig die physischen Effekte entbehren nicht einer gewissen Handwerkskunst. Flucht aus L.A. münzt seinen Schrott-Appeal auf dreiste, aber irgendwie auch liebenswerte Weise zu seinem Vorteil um. Im Gegensatz zu Die Klapperschlange funktioniert der humoristische Aspekt, weil sich der Film eindeutiger positioniert.

So sind gerade die poltischen Seitenhiebe einmal mehr besonders gelungen. Der Präsident ist ein religiöser Fanatiker, der kurzerhand sein Heimatnest zur Hauptstadt der USA ernennt und Atheismus per Gesetzt verbieten lässt. Der Staatsapparat wird noch deutlicher zum faschistischen Regime, dass seine eng definierten Moralgesetzte den Menschen aufzwingt – ob sie nun wollen, oder nicht. Deutlicher als in Die Klapperschlange ist das großflächige Gefängnis nicht nur von „wirklichen“ Kriminellen bevölkert, sondern auch von Leuten, die sich nicht den rigiden Vorstellungen der Herrschenden unterwerfen wollten. In gewisser Weise ist L.A. hier ein riesiges Konzentrationslager, was den Exploitation-Charakter der ganzen Produktion nur weiter unterstreicht.

Es dürfte kein Universum existieren, in dem Flucht aus L.A. als großes Kino durchgehen würde (es sei denn, in diesem Universum existieren ansonsten nur Filme von Michael Bay und Uwe Boll). Und trotz aller Wiederholungen, trotz des unübersehbaren Versuchs, an den Erfolg alter Zeiten anzuknüpfen, hat der Film einen ganz eigenen Charme, der ihn zwar nicht über den Durchschnitt erhebt, ihm aber zumindest eine rudimentäre Berechtigung verschafft. Flucht aus L.A. hat genug Energie und Wahnsinn, um den Zuschauer vor dem Einschlafen zu bewahren. Kein guter Carpenter-Film, kein gutes Genrewerk, aber sich seines eigenen Trashfaktors derartig bewusst, dass man ihm nicht nachhaltig böse sein kann.




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