CHRISTINE
USA 1983
Dt. Erstaufführung: 16.03.1984
Regie: John Carpenter
Dt. Erstaufführung: 16.03.1984
Regie: John Carpenter
Der junge
Mann und sein Auto. Gerade in der US-amerikanischen Kultur ist dieses Bild tief
verankert, bedeutet das Auto doch die Verheißung von Freiheit und
Unabhängigkeit, einen nicht zu unterschätzenden Prestigegewinn und die
Schenkung eines Wagens durch die Eltern geht in der Moderne schon fast als
Initiationsritus durch. In Deutschland ist die mythische Aufladung des
Automobils gerade unter jungen Menschen weit weniger stark ausgeprägt, doch man
muss nur aus einem Flächenland wie etwa Niedersachsen stammen, um zu verstehen,
dass man nicht alle Ziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.
Dennoch fällt das endgültige Verständnis für die Fetischisierung eines
Fortbewegungsmittels wie dem Auto vielen Menschen, die sich außerhalb der
Liebhaberkreise bewegen, schwer, und ein Stück weit ist dies auch ein Problem
bei Christine, John Carpenters
Version eines amerikanischen Mythos. Selbstredend hat das Auto bei ihm nicht
nur das Potenzial eines Freiheitskatalysators, sondern ihm wohnt auch eine
dämonische Kraft inne. Bei Carpenter ist der Geist zu Gast in der Maschine und
es ist keine freundliche Entität.
Arnie Cunningham (Keith Gordon) ist
die Art Jugendlicher, wie man sie aus Filmen kennt: schmächtig, bebrillt, sanft
und intellektuell – kurzum: das perfekte Opfer für die Anfeindungen und
Demütigungen des lokalen Rowdys Buddy (William Ostrander) und seiner
Spießgesellen. Doch alles soll sich ändern, als Arnie durch Zufall auf ein altes
Auto auf dem Grundstück des Bruders des verstorbenen Erstbesitzers stößt und
sich Hals über Kopf in das Gefährt verliebt. Er kauft dem alten Mann den
Plymouth ab, der auf den Namen Christine „hört“ und restauriert ihn in
liebevoller Kleinarbeit. Der Besitz des Autos macht Arnie selbstsicherer, aber
auch arroganter und gerade Buddy kann mit dieser Veränderung nicht umgehen. Er
und seine Freunde demolieren Christine, haben die Rechnung aber ohne die
jenseitige Kraft gemacht, die den Wagen beseelt. Schon bald regeneriert sich
der Plymouth wie durch Geisterhand und macht unter Arnies Absegnung Jagd auf
die tumbe Truppe…
Christine, basierend auf dem Roman von Stephen King und in
Produktion gegangen, bevor das Buch überhaupt veröffentlicht wurde, ist ein
handwerklich superber Film, der mit verblüffenden Effekten (Christines
Regeneration ist schlicht atemberaubend) und einer äußerst liebevollen
Kameraarbeit aufwarten kann. Was ihm allerdings fehlt ist eine inhaltliche
Tiefe wie etwa der ebenfalls auf King basierende Carrie – Des Satans jüngste Tochter, auch eine Verbindung von
pubertärer Rachefantasie und übernatürlichen Elementen. Die unerfreuliche
Verquickung von Bigotterie und aufkeimender Sexualität, Mobbing und
unkontrollierter Rache wird hier durch einen bewusst männlich konnotierten
Materialfetischismus ersetzt. Man kann natürlich die Beziehung von Arnie und
dem dämonischen Auto mit dem Frauennamen als sublimiert sexuelle lesen, das
Auto als ganz persönliche Amazone, die nicht nur die körperlichen Gelüste (in
diesem Fall das Fahren und das erotisierte Schrauben am Objekt), sondern auch
die Gewaltfantasien befriedigt. Für diese „perfekte Frau“ vernachlässigt Arnie
sogar die lange umworbene Leigh (Alexandra Paul). Der Film selbst interessiert
sich für diese Sichtweisen allerdings nur peripher. Vielmehr teilt er Arnies
tiefgehende Bewunderung für das Auto als solches und die zerstörerische Kraft,
die die Beziehung entfaltet, wird nur bedingt als negativ angesehen. So ganz
kann sich Christine nicht durchringen,
die Geschehnisse als komplett negativ zu schildern. Sehr viel mehr als bei
Carrie frönt er der Lust an der Rache, in der das Auto, trotz einer
selbsttätigen Mordlust, die bereits ab Werk begann, als exekutive Verlängerung
von Arnie begriffen wird.
So ist einer der größten
Minuspunkte, die der elegant inszenierte Film einheimst, die menschliche
Hauptfigur selbst. Arnie ist ein 80er-Nerd, allerdings gibt ihn Carpenter in
dieser Rolle nicht der Lächerlichkeit preis, sondern wahrt einen geradezu
liebevollen Blick auf den sozial Marginalisierten. Umso abrupter kommt die
Wandlung, vom Paulus zum Saulus sozusagen, daher. Der Film gibt sich kaum die
Muße einer Transition, einer subtilen und konstanten
Persönlichkeitsveränderung, Arnie ist fast auf Knopfdruck ein arroganter Idiot,
bei dem man sich fragen muss, ob man in dieser Erscheinung noch das nötige
Quäntchen Verständnis aufbringen kann, wenn es an den Racheplot geht. Denn im
Grunde kämpft so ein „Jock“ gegen andere „Jocks“. Der moralische Konflikt, der
hätte entstehen können, wenn sensibler Teenager auf dämonische Maschine trifft,
die für ihn ein ungeahntes Gewaltmonopol mit sich bringt, wird recht achtlos
ignoriert.
Nach dem zunächst durchgefallenen
Das Ding aus einer anderen Welt ist Christine ein sehr viel zurückhaltender
Film ohne gerade die Effekt-Extravaganzen des Vorgängers. Dafür ist er auch
atmosphärisch weit weniger dicht und vor allem in der Geschichte holpriger,
trotz der traumwandlerisch-sicheren Regie Carpenters. Der Film sieht gut aus,
entbehrt selbstredend nicht eines befriedigenden Unterhaltungswertes und hätte
doch, ganz so wie ein Auto für den Liebhaber, mehr sein können als die Summe
seiner Teile.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen