Donnerstag, 9. Oktober 2014

Das Ding aus einer anderen Welt (1982)




DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT
(The Thing)
USA 1982
Dt. Erstaufführung: 22.10.1982
Regie: John Carpenter

Was kann man über Das Ding aus einer anderen Welt noch erzählen, was dem Cinephilen nicht schon längst bekannt ist? Das Remake des Genreklassiker von 1951, seinerseits basierend auf der Kurzgeschichte Who goes there? (Wer da?) von John W. Campbell, gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Vertretern des Science-Fiction-Horrors, er ist zudem eine bis heute beeindruckende Zurschaustellung der tricktechnischen Möglichkeiten und eine Leistungsschau in der kunstvollen Deformation von menschlichen Körpern. Gerade aufgrund letzteren Aspekts war der Film lange Zeit in Deutschland indiziert, inzwischen kann die ungeschnittene Fassung mit dem Siegel „ab 16“ frei verkauft werden. Allein dieser Umstand lädt zu einer rezeptionsgeschichtlichen Betrachtung ein. Das Ding aus einer anderen Welt kann durchaus als fordernder Film angesehen werden, nicht nur im Hinblick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen des Jugendschutzes, sondern auch mit Blick auf das Publikum. So kann man tatsächlich darüber streiten, ob eine Freigabe ab 16 nicht etwas tief gestapelt ist, denn John Carpenters Film stellt den Zuschauer vor die Herausforderung, mit der hoffnungslosen und düsteren Atmosphäre zurechtzukommen. Bis dato Carpenters dichtester Film, ist Das Ding sicherlich kein Wohlfühlfilm, gerade aber für Genrefreunde eine durchaus lohnende Erfahrung.

Eine US-amerikanische Forschungsstation in der Eiswüste der Antarktis: als ein norwegischer Helikopter von einer anderen Station auftaucht, versucht, einen fliehenden Husky zu töten und die beiden Insassen dabei ums Leben kommen, gehen die Männer der Sache nach und finden Hinweise darauf, dass die Norweger etwas Außerirdisches im Eis gefunden hatten. Doch die norwegische Einrichtung ist zerstört, die Amerikaner unter der Leitung von Pilot MacReady (Kurt Russell) finden lediglich unheimliche Artefakte vor. Was sie noch auf drastische Art herausfinden werden: ihre europäischen Kollegen haben ein aggressives Alien wieder ins Leben geholt, dass dereinst aus dem All kommend im Eis einfror und jede Gestalt annehmen kann (aber auch gern in amorphen Teilstücken auftritt) – und es hat sich in Form des Husky Zutritt zur Station verschafft…

Das Ding aus einer anderen Welt ist eine tricktechnische Wundertüte. Tentakel wachsen aus Hundekörpern, Köpfe platzen auf, Zähne klaffen in Bauchwunden, Spinnenbeine brechen aus Schädeln – was das Effektteam rund um Rob Bottin geschaffen hat, hat eine geradezu zeitlose Qualität und kann es mit allen modernen Gore-Darstellungen aufnehmen. Doch es bleibt die Frage, ob dies reicht. Das Ding ist eine explizite Geisterbahnfahrt, nach diesem Muster muss hinter jeder Ecke ein noch größerer Schock warten als der Vorangegangene, was selbstredend Abnutzungserscheinungen mit sich bringt. Zudem Carpenter nichts der Fantasie überlässt – meistens sind die Auftritte des Monsters gut ausgeleuchtet und für jedermann sichtbar. Das ist zwar eine weitere Adelung der Effekte, hat mit dem wohligen Grusel des Originals aber nicht mehr viel zu tun. Das Ding ist Terrorkino in Reinkultur.

Ist der Film deshalb zumindest partiell ein Misserfolg, steht seine Sucht nach immer aufwendigeren, erschreckenderen Darstellungen ihm selbst im Weg? Bemerkenswerter Weise nicht und hier profitiert der Film von Carpenters inzwischen äußerst selbstsicherer Regie. Denn Das Ding ist nicht nur in seinen Deformationen wohlkomponiert, sondern auch in seiner gelungenen Darstellung von Paranoia. Da das Wesen jede Gestalt annehmen und sich so nahezu perfekt tarnen kann, ist jeder im Team verdächtig. Dabei fragt man sich zwar schon, warum das Team derartig groß sein muss, so dass kaum Zeit für alle Charaktere bleibt (die meisten sind nur dazu da, vom Alien absorbiert und dann verunstaltet zu werden) oder warum der Aggressor meistens so aufwendige und offensichtliche Manöver gebraucht, anstatt alle Menschen heimlich und still zu infizieren, aber es ist die unheilvolle Atmosphäre, die sich verschiebenden Allianzen in der ausschließlich männliche Gruppe, die Das Ding auch jenseits des Tricks unterhaltsam macht. So kann man den Film auch als Fortschreibung des politischen Subtext von Die Klapperschlange lesen – nichts ist sicher, jeder könnte ein gemeingefährlicher Opportunist sein. Durch den Infizierungscharakter bietet sich Das Ding zudem als Kommentar zur AIDS-Welle an, die, zunächst unerklärbar und unheimlich, Amerika in den frühen 1980er Jahren erfasste.

Nach dem unterhaltsamen, aber unspektakulären The Fog – Nebel des Grauens und der leidlich involvierenden Genre-Travestie Die Klapperschlange ist Das Ding aus einer anderen Welt nicht nur Carpenters Rückkehr zur Klaustrophobie eines Assault – Anschlag bei Nacht, sondern einer seiner wohlkomponiertesten Filme. Dramaturgisch geht er trotz der grellen Effektausbrüche relativ subtil vor, über die handwerkliche Qualität wurde nun bereits genug des Lobes gesagt, die Inszenierung ist kompakt und trotz der Offensichtlichkeit der Deformationen oftmals spannend. Das Ding aus einer anderen Welt ist feinstes Genrekino und nicht zu Unrecht einer von Carpenters bekanntesten und beliebtesten Filmen.




2 Kommentare:

  1. Wie findest du denn die 2011er Anlehnung an diesen Film hier? Ich muss gestehen, dass ich den atmosphärisch durchaus ebenso gelungen finde wie Carpenters 'Original', wenn nicht sogar stellenweise besser.

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    1. Hmmm...ich sollte eine Rezension davon wohl demnächst als Ergänzung hinterher schicken, was? Nur so viel: so ganz überzeugt bin ich nicht, aber auch nicht vollkommen enttäuscht.

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