STOKER – DIE UNSCHULD
ENDET
(Stoker)
Großbritannien/USA 2013
Dt. Erstaufführung: 09.05.2013
Regie: Chan-wook Park
(Stoker)
Großbritannien/USA 2013
Dt. Erstaufführung: 09.05.2013
Regie: Chan-wook Park
Chan-wook Park, der
südkoreanische Regisseur von Oldboy
und Lady Vengeance, wäre so gern
Alfred Hitchcock, das wird bei der Betrachtung seines ersten englischsprachigen
Spielfilms Stoker ziemlich deutlich.
Nicht nur, dass die Parallelen zu Im Schatten des Zweifels von 1943
bereitwillig bestätigt werden, die weiteren inhaltlichen und ästhetischen
Korrespondenzen sind Legion. So ist Stoker
ein sinnliches Fest, voller perfekter Bilder und einer dichten Atmosphäre, wird
aber durch sein volles Vertrauen auf das Nachspielen bekannter Vorbildern
weniger zu einem eigenständigen Werk denn einer hübschen, letztlich aber
müßigen Hommage.
Der Vater von India Stoker (Mia
Wasikowska) stirbt an ihrem 18. Geburtstag bei einem Autounfall, was sie mit
ihrer emotional entfremdeten Mutter Evelyn (Nicole Kidman) allein zurücklässt.
Doch dieser Zustand hält nicht lange an, denn ihr Onkel Charlie (Matthew
Goode), von dessen Existenz sie bisher nicht einmal ahnte, tritt in ihrer
beider Leben und nistet sich in ihrem herrschaftlichen Haus ein. Der charmante,
aber auch undurchsichtige Mann fasziniert India, auch wenn sie zusehends
vermutet, dass er ein doppeltes Spiel spielt…
Ein Film der großen
Überraschungen ist Stoker nicht.
Zunächst gibt es ein bisschen Rätselraten darüber, ob der Titel bereits einen
phantastischen Einschlag suggerieren soll (Bram Stoker war der Autor von Dracula, aber mit Vampiren hatte sich
Park schon 2009 in Durst
beschäftigt), was sich aber nicht bewahrheitet. Vielmehr ist dies ein Verweis
auf die Gothik-Ästhetik des Films, der eine eigenartige Mixtur aus moderner
Welt und 1960er-Jahre präsentiert, die den Film auch gestalterisch auf einer
ambivalenten Ebene im Schwebezustand hält. Aber wer in Charlie nicht von der
ersten Minute an einen Schurken erkennt, der sieht mit Stoker wohl seinen ersten Thriller. Verraten wird damit nichts, Park
macht sich keinerlei Mühe, diesen Umstand zu verbergen, es geht nur noch um das
Wie und Wo: Wo hat sich Charlie all die Jahre verkrochen und wie wird seine
Präsenz die junge India beeinflussen? So ist Charlie ein Norman-Bates-Klon, von
Matthew Goode charismatisch gespielt, aber eben wie der Rest eher Hommage als
eigenständige Figur.
Der deutsche Untertitel, der die
englische Tagline für den Film aufgreift, macht es schon deutlich, dass sich Stoker auch als eine Art düstere
Coming-of-Age-Geschichte versteht. India, kurz vor ihren ersten sexuellen
Erfahrungen stehend und in einem schwierigen Prozess mit der Mutter befindlich,
der gleichzeitig Abnabelung und Annäherung erfordert, wird von Charlie in den
Bann gezogen und die gleichermaßen unangenehme wie faszinierende Anziehung
zwischen den beiden gehört zu den besten Elementen des Films. Das englische
Wort creepy bringt es am besten auf
den Punkt, sagt es doch mehr aus als das deutsche „unheimlich“. Es ist ein
lautlos schreiendes Unbehagen, dass Stoker
erfüllt und die Atmosphäre teilweise zum Schneiden dick werden lässt. Was der
Film letztenendes damit macht, ist aber ähnlich seltsam wie die Auffassung, die
egoistische Selbstermächtigung mittels Schwangerschaft in 17 Mädchen hätte etwas mit teenage
empowerment zu tun. Im Grunde vertritt Stoker
die Auffassung, Gewalt ist erblich, die Lust am Morden ist in manchen Familien
schlicht genetisch einprogrammiert. Und eine junge Frau, die einmal Blut
geleckt hat (gar nicht mal so sehr im übertragenden Sinne gemeint), wird diesen
Pfad weiter verfolgen.
Die Pubertät, beziehungsweise deren langsames Ende, wird hier als Befreiungsschlag gesehen. Nicht falsch, aber warum es quasi zwangsläufig mit Gewalt einhergehen muss, bleibt vage. Wie bei so vielen anderen Filmen in diesem Jahr liegen die Hauptprobleme von Stoker im dritten Akt, der eine fragwürdige Auflösung bietet. Mord als Initiationsritus, als erleichterndes Mittel zum Zweck, an dem man auch schnell Gefallen finden kann. Fast wirkt es so, als wäre Park im letzten Moment eingefallen, dass er nicht ohne explizite Gewalt in seinen Filmen leben kann. Stoker ist zwar zahmer als seine früheren Werke, aber so ganz wollen die finalen Minuten nicht zum Rest passen.
Die Pubertät, beziehungsweise deren langsames Ende, wird hier als Befreiungsschlag gesehen. Nicht falsch, aber warum es quasi zwangsläufig mit Gewalt einhergehen muss, bleibt vage. Wie bei so vielen anderen Filmen in diesem Jahr liegen die Hauptprobleme von Stoker im dritten Akt, der eine fragwürdige Auflösung bietet. Mord als Initiationsritus, als erleichterndes Mittel zum Zweck, an dem man auch schnell Gefallen finden kann. Fast wirkt es so, als wäre Park im letzten Moment eingefallen, dass er nicht ohne explizite Gewalt in seinen Filmen leben kann. Stoker ist zwar zahmer als seine früheren Werke, aber so ganz wollen die finalen Minuten nicht zum Rest passen.
Als überraschungsarmer,
ästhetisch aber exzellenter Hitchcock-Klon funktioniert Stoker – Die Unschuld endet recht gut, auch auf die unheimliche
Atmosphäre will man sich zu Gunsten der milden Spannung einlassen. Unterm
Strich ist Stoker aber ein Film eines
fanboys: genau beobachtet, mit viel
Liebe zur Vorlage gemacht, aber etwas mehr Individualität und etwas weniger
Zitat hätten dem Ganzen durchaus gut zu Gesicht gestanden.
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