Mittwoch, 23. Oktober 2013

No! (2012)




NO!
(¡No!)
Chile/USA/Frankreich/Mexiko 2012
Dt. Erstaufführung: 07.03.2013
Regie: Pablo Larraín

Als erster chilenischer Film, der für den Fremdsprachen-Oscar nominiert war, ist No! allein deshalb ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit sicher. Verdient hat es der von Pablo Larraín inszenierte Film auf jeden Fall, auch wenn seine fiktive Geschichte recht konventionell erzählt ist und als solche wenig Überraschendes bietet. Was den Film aber über den Durchschnitt hebt, ist seine Form. No! besteht zu 30% aus originalem Archivmaterial aus den 1980er Jahren. Doch die Übergänge zwischen diesem und den knapp 30 Jahren später entstandenen Spielszenen sind so gut wie unsichtbar, dank eines genial einfachen Kniffs.

Ende der 1980er Jahre in Chile: Im Hinblick auf den zunehmenden internationalen Druck auf die Militärdiktatur in Chile unter Augusto Pinochet gewährt der Alleinherrscher der Opposition jeden Tag 15 Minuten Sendezeit im staatlichen Fernsehen – ein Referendum soll darüber entscheiden, ob Pinochet weitere 8 Jahre im Amt bleiben soll. Eine einfache „Ja oder Nein“-Wahl steht dem Land bevor und für die „No“-Kampagne wird der Werbefachmann René (Gael García Bernal) verpflichtet. Mit ebenso respektlosen wie zeitgemäßen Ideen rückt er der Regierung werbewirksam auf den Pelz und macht sich damit nicht nur Freunde…

Gedreht wurde der Film mit U-matic-Videokameras im Format 4:3, um den reibungslosen Übergang zwischen den Originalwerbespots der Zeit und dem neuen Material zu ermöglichen. Das Ergebnis mag auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig sein, entpuppt sich aber bald als ziemlich kluger Schachzug, erlaubt er dem Zuschauer doch so nicht nur eine emotionale, sondern auch eine ästhetische Annäherung an das Thema. Das Originalmaterial hat in seiner Aktualität wenig an Relevanz verloren, was an sich schon diskussionswürdig ist, No! kann man nicht nur als unterhaltsame Geschichtsstunde, sondern auch als augenzwinkernder Kommentar auf heutiges Ringen um die Demokratie werten.

Unter diesem Gesichtspunkt hat womöglich auch die dramaturgisch konventionelle Geschichte ihre Berechtigung: als bösartiger Fingerzeig. René nimmt den Job an, ohne so recht zu wissen, worauf er sich einlässt. Er und seine Familie werden bedroht, es gibt Schmähanrufe, Einbrüche in seine Wohnung. Vom Standpunkt des routinierten Cineasten mag man meinen, dies wäre vorauszusehen gewesen. Wenn du dich mit den Mächtigen anlegst wirst du nicht in Lenor gehüllt. Der Subtext, dass sich die Mechanismen, wie Menschen miteinander umgehen, stetig wiederholen, ist böse, wird aber wenig ausgespielt. Larraín inszeniert altbekannte Versatzstücke des politischen Thrillers neu, was ihm formal so hervorragend gelingt, dass man über den klischeehaften Charakter weniger nachdenkt. Also: das Drehbuch von Pedro Peirano erfindet das Rad nicht neu, ihn sind in dieser Hinsicht geradezu die Hände gebunden. Darin mag man eine subtile Stärke erkennen, muss es aber nicht.

No! eröffnet einen erstaunlich vergnüglichen Blick auf eine Zeit südamerikanischer Geschichte, die vom Rest der Welt schnell vergessen wird. Larraín bricht Kontexte auf, um sie für seinen Film neu zu verknüpfen, die Webespots erfüllen so sowohl narrative als auch ästhetische Aufgaben, No! ist gleichermaßen Satire wie Drama, Geschichtsrekonstruktion wie augenzwinkernder Kommentar. Das scheinbare Gegensatzpaar Mediensatire und Geschichtsstunde werden so auf unterhaltsame, formal in seiner Einfachheit bestechenden Art und Weise vermählt. Zu diesem Nein kann man nur Ja sagen.



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