HANNAH ARENDT
Deutschland/Luxemburg/Frankreich 2012
Dt. Erstaufführung: 10.01.2013
Regie: Margarethe von Trotta
Deutschland/Luxemburg/Frankreich 2012
Dt. Erstaufführung: 10.01.2013
Regie: Margarethe von Trotta
Mit einem Namen wie Kuleschow-Effekt erwartet man eigentlich
unvorhergesehene Parallelen in der Art und Weise, wie Besprechungen in diesem
Blog verknüpft werden. Vor allem aber erlaubt die Art des hier vollführten
Posting ein gewisses Maß an Anachronismen. So bietet sich durchaus an, in
punkto Hannah Arendt zwei weitere
selbsternannte Biopic-Filme zu nennen, auch wenn sie später in die deutschen
Kinos kamen: Lincoln und Hitchcock. Letzterer ist eher ein
cinephiler Liebesbrief denn eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit dem
Regisseur Alfred Hitchcock. Erster verengt seinen Blick so sehr auf die große
Leistung Lincolns in den letzten Monaten seines Lebens, dass der Film eher
unausgewogen daher kommt. Dies könnte man auch Hannah Arendt anlasten, interessiert sich der Film doch
hauptsächlich für die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess und die
daraus resultierenden Kontroversen über Arendts Sichtweisen, aber insgesamt
gelingt Margarethe von Trotta ein stimmigeres Bild einer historischen
Persönlichkeit als Spielberg mit Lincoln,
indem sie das Bild durch Details und einer sicheren Inszenierung zu einem
großen Ganzen zusammenführen kann.
Hannah Arendt (Barbara Sukowa), einst unter den Nazis
interniert, in die USA geflohen und zu einer geschätzten politischen
Theoretikerin geworden (dem Begriff Philosophin stand sie kritisch gegenüber),
bietet dem Magazin The New Yorker im
Jahr 1961 an, nach Jerusalem zu gehen und dort über den Prozess gegen Adolf
Eichmann zu berichten. Diesen untergetauchten SS-Obersturmbannführer hatte der
Mossad in Argentinien aufgespürt und nach Israel entführt. Im Laufe des
Prozesses wird Arendt Zeugin von etwas, dass sie später die „Banalität des Bösen“
nennen sollte: Eichmann entpuppt sich nicht als Monster, sondern als
kleingeistiger Bürokrat, offenbar unfähig, über die Konsequenzen seines
Handelns nachzudenken. Zwei Jahre nach dem Prozess veröffentlicht Arendt eine
Serie von Artikeln, die nicht nur viel Publicity, sondern auch viele
Schmähungen beziehen. Besonders ihre Aussagen zu den Judenräten, die mit den
Nazis zusammengearbeitet haben sollen, stoßen auf heftige Gegenwehr. Arendts
berufliche wie private Zukunft geraten zunehmend in Bedrängnis…
Wenn Hannah Arendt
ein Film über das Denken ist, so gelingt es ihm vorzüglich, die Lust daran dem
Zuschauer zu vermitteln. Neben all den kleinen Misstönen, die man anbringen
kann (die erfundene Szene, in der der Mossad Arendt bedroht; die den Fluss
etwas störenden Einschübe mit Martin Heidegger; die im Film wenig in ihrem Kern
diskutierten Argumente, die Arendt bezüglich der Judenräte ins Feld führt), ist
dies womöglich die größte Stärke des Films: er weckt das Interesse nicht nur an
der Person Hannah Arendt (wenn dies nicht von vornherein vorhanden war) und
wirkt als starkes Plädoyer für eigenständiges, vor allem aber reflektiertes
Denken, nach. Indem von Trotta die Eichmann-Originalaufnahmen verwendet und auf
Nachstellung verzichtet, kann auch der Zuschauer anno 2013 ihre Argumentation
von der „Banalität des Bösen“ nachvollziehen.
Eichmann erscheint nicht als blutrünstiges Ungeheuer, sondern als pedantischer Beamter, dessen Hörigkeit der Obrigkeit gegenüber ihn immun machte zu sehen, was er tat. Menschen in den Tod schicken oder Formulare abheften – für Eichmann schien dies ein und dasselbe zu sein. Wer einen uneinsichtigen Schlächter erwartete, der wurde zwangsläufig enttäuscht und Arendt traf in ihrer Analyse genau diesen wunden Punkt, den man sich nicht eingestehen mochte. Das die Taten und ihre Konsequenzen nicht banal sein können, der Mensch, der dahintersteht aber schon, ist ein Gedanke, der Hinterbliebene schmerzen muss, ihn aber nicht weniger wahr macht. Von Trotta gelingt es, dieses Gegensatzpaar, die hochkochenden Emotionen auf der einen und die nüchterne Analyse, die zu erklären versucht, aber darum noch lange nicht beschwichtigt, prägnant unter einen Hut zu bringen.
Eichmann erscheint nicht als blutrünstiges Ungeheuer, sondern als pedantischer Beamter, dessen Hörigkeit der Obrigkeit gegenüber ihn immun machte zu sehen, was er tat. Menschen in den Tod schicken oder Formulare abheften – für Eichmann schien dies ein und dasselbe zu sein. Wer einen uneinsichtigen Schlächter erwartete, der wurde zwangsläufig enttäuscht und Arendt traf in ihrer Analyse genau diesen wunden Punkt, den man sich nicht eingestehen mochte. Das die Taten und ihre Konsequenzen nicht banal sein können, der Mensch, der dahintersteht aber schon, ist ein Gedanke, der Hinterbliebene schmerzen muss, ihn aber nicht weniger wahr macht. Von Trotta gelingt es, dieses Gegensatzpaar, die hochkochenden Emotionen auf der einen und die nüchterne Analyse, die zu erklären versucht, aber darum noch lange nicht beschwichtigt, prägnant unter einen Hut zu bringen.
Ebenso zwangsläufig scheint es zu sein, dass der Film den
Gegensatz Arendt als Mensch und Arendt in der Öffentlichkeit nicht ebenso kongenial
in Szene zu setzen weiß. Von Trotta ist auf der Seite ihrer Figur, der
Zuschauer ebenso, weshalb all die harschen Reaktionen von Freunden und
Bekannten manchmal, bei allem Wahrheitsgehalt, zu sehr nach
Spielfilmdramaturgie riechen. Das Bild von der unterkühlten Denkerin vermag Hannah Arendt nur bedingt zu vermitteln,
wir erfahren es eher über die Exposition und auch diesem Umstand gebietet von
Trotta Einhalt, in dem sie etwa die Beziehung zwischen Arendt und ihrem zweiten
Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg) ausgesprochen liebevoll schildert. Man
kann nur Arendt-Fan nach diesem Film sein, ambivalente Zwischentöne werden kurz
gehalten. Man mag dies kritisieren, anderseits würde wohl auch von Trotta
keinen Film über eine ihr unliebsame Person drehen.
So mag Hannah Arendt
all jene enttäuschen, die einen mehr dokumentarischen Ansatz favorisiert hätten.
Alle anderen finden in diesem den Namen wirklich verdienenden Biopic
gleichermaßen spannend aufbereitete Geschichte wie auch viele Denkansätze. Hannah Arendt gelingt der Spagat
zwischen gutem und intelligentem Kino hervorragend und setzt einer
außergewöhnlichen Persönlichkeit ein würdiges Denkmal.
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