Mittwoch, 9. Oktober 2013

Hitchcock (2012)




HITCHCOCK
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Sacha Gervasi

Hitchcock als Biopic, also als biografisch zu verstehenden Film zu sehen wird der Sache nicht gerecht. Ähnlich wie Lincoln geht es nicht um ein ausgewogenes Portrait einer bekannten Persönlichkeit, schon gar nicht um die Darstellung eines ganzen Lebens. Hitchcock ist ein Liebesbrief an alle cinephilen Menschen, an alle, die an die Macht und –ja, auch das- die Magie der bewegten Bilder glauben.

Nach dem Erfolg von Der unsichtbare Dritte macht sich der master of suspense, Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) auf die Suche nach einem neuen Stoff für einen Film. Müde von den repetitiven Tendenzen der Filmstudios wünscht er sich einen „kleinen, dreckigen“ Film und findet die Vorlage im Roman Psycho von Robert Bloch, dessen mörderische Hauptfigur dem realen Serienmörder Ed Gein nachempfunden ist. Hitchcock ist so fasziniert, dass er Psycho gegen alle Widerstände des produzierenden Paramount-Studios durchsetzen will. Schließlich beginnt er sogar, eigenes Geld in den Film zu investieren, während ihm die Sittenwächter ob der beabsichtigten Duschszene und der Aufnahme einer spülenden Toilette Probleme mit den restriktiven Zensurbestimmungen der Filmwirtschaft vorhersagen. Nebenbei leidet Hitchcock auch noch unter der angespannten Beziehung zu seiner nicht minder genialen Frau Alma Reville (Helen Mirren), die er in Verdacht hat, eine Affäre mit dem Drehbuchautor Whitfield Cook (Danny Huston) zu haben…

Hitchcock mag manchem zu weich gezeichnet sein. Der übermäßige Alkoholgenuss und die Fressattacken des Regisseurs werden ebenso angesprochen wie seine Vorliebe für junge, blonde Darstellerinnen und seine sadistischen Tendenzen am Set, aber am Ende behält man doch ein recht positives Bild zurück. Doch es geht hier eben weniger um den wirklichen Menschen Alfred Hitchcock, sondern um die Liebe zum Kino. Und um Alma Reville, die es nicht verdient hat, in den Fußnoten der Filmgeschichte zu verschwinden – immerhin wäre die Welt sonst nicht nur um die meisterlich geschnittene Duschszene in Psycho ärmer. Nicht umsonst steht Reville auf dem US-Filmplakat vor Hitchcock und die Tagline lautet „Behind every Psycho is a great woman“. So bezieht sich der Titel auf beide Personen, besteht nach dieser willkommenen Leseart die Kunstfigur Hitchcock doch aus Alfred UND Alma. Auch Alfreds Aufforderung „Nennen Sie mich Hitch, lassen die das Cock weg“ wird so zu mehr. Wenn Alfred Hitch ist, ist Alma der zweite Part, Cock, der umgangssprachliche Penis, also der potente Part des Duos Hitchcock. Regisseur Sacha Gervasi lässt keinen Zweifel daran, dass dieses Duo nur als solches existieren konnte, als Gemeinschaft, in der die kreativen und emotionalen Potenzen durchaus unterschiedlich verteilt sind.

Dass es Gervasi mit dem Biopic-Ansatz nicht allzu ernst meinte, lässt sich auch an Anthony Hopkins erkennen. Hopkins hat auch in Make-Up und Kostüm eher entfernte Ähnlichkeit mit Hitchcock und wirkt rein optisch eben genau so – wie ein Darsteller in Verkleidung. Dennoch bringt er die Essenz des Regisseurs (mit weniger scharfen Kanten in den besonders heiklen Details, wie bereits angemerkt) gut herüber, ebenso wie Helen Mirren, die sicherstellt, dass niemand nach Hitchcock den Namen Alma Reville mehr vergessen wird. Scarlett Johansson als Janet Leigh und James D’Arcy als Anthony Perkins wirken derweil erstaunlich nahe an den „Originalen“. Dennoch, wirklich biografisch will der Film nicht sein. Hitchcock ist vielmehr ein augenzwinkernder Kommentar auf die Filmlandschaft einerseits (das Lamentieren über Studios, die lieber auf Nummer Sicher gehen wollen und innovative Stoffe lieber nicht finanzieren ist auch über fünfzig Jahre nach Psycho noch ein großes Thema) und anderseits ein schon fast kindlich-faszinierter Blick auf die Möglichkeiten des Kinos. So gehört die Sequenz, die Hitchcock beim leidenschaftlichen dirigieren der Duschszene vor der Kinotür zeigt, während innen die Menschen vor Schreck, Panik und Überraschung aufschreien, zu den Schönsten des gesamten Werks. Hitchcock schämt sich nicht, dass ein gewisses Maß an Manipulation immer zum Film dazugehört, und sei es auch nur, dass wir Hopkins als Hitchcock akzeptieren. Und der süffisante Verweis darauf, dass Hitchcock in einer Zeit, in der Horror zum Schund zählte, einen Horrorfilm drehen wollte, ist nur eins der vielen cineastischen Ostereier, die Gervasi versteckt hat.

Letztlich ist Hitchcock eine Liebeserklärung ans Kino, anekdotenreich vorgetragen und so etwas wie ein Feel-Good-Film für Cineasten. Man kann hier sehr viel Freude haben, wenn man nicht darauf hofft, tiefergehend über die Person Alfred Hitchcock informiert zu werden. Wer sich jedoch zu den Cinephilen zählt, dessen Spaß summiert sich nochmals auf.



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