HITCHCOCK
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Sacha Gervasi
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 14.03.2013
Regie: Sacha Gervasi
Hitchcock
als Biopic, also als biografisch zu verstehenden Film zu sehen wird der
Sache nicht gerecht. Ähnlich wie Lincoln
geht es nicht um ein ausgewogenes Portrait einer bekannten Persönlichkeit,
schon gar nicht um die Darstellung eines ganzen Lebens. Hitchcock ist ein Liebesbrief an alle cinephilen Menschen, an alle,
die an die Macht und –ja, auch das- die Magie der bewegten Bilder glauben.
Nach dem Erfolg von Der
unsichtbare Dritte macht sich der master
of suspense, Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) auf die Suche nach einem
neuen Stoff für einen Film. Müde von den repetitiven Tendenzen der Filmstudios
wünscht er sich einen „kleinen, dreckigen“ Film und findet die Vorlage im Roman
Psycho von Robert Bloch, dessen
mörderische Hauptfigur dem realen Serienmörder Ed Gein nachempfunden ist.
Hitchcock ist so fasziniert, dass er Psycho gegen alle Widerstände des
produzierenden Paramount-Studios durchsetzen will. Schließlich beginnt er
sogar, eigenes Geld in den Film zu investieren, während ihm die Sittenwächter
ob der beabsichtigten Duschszene und der Aufnahme einer spülenden Toilette
Probleme mit den restriktiven Zensurbestimmungen der Filmwirtschaft vorhersagen.
Nebenbei leidet Hitchcock auch noch unter der angespannten Beziehung zu seiner
nicht minder genialen Frau Alma Reville (Helen Mirren), die er in Verdacht hat,
eine Affäre mit dem Drehbuchautor Whitfield Cook (Danny Huston) zu haben…
Hitchcock mag
manchem zu weich gezeichnet sein. Der übermäßige Alkoholgenuss und die
Fressattacken des Regisseurs werden ebenso angesprochen wie seine Vorliebe für
junge, blonde Darstellerinnen und seine sadistischen Tendenzen am Set, aber am
Ende behält man doch ein recht positives Bild zurück. Doch es geht hier eben
weniger um den wirklichen Menschen Alfred Hitchcock, sondern um die Liebe zum
Kino. Und um Alma Reville, die es nicht verdient hat, in den Fußnoten der
Filmgeschichte zu verschwinden – immerhin wäre die Welt sonst nicht nur um die
meisterlich geschnittene Duschszene in Psycho
ärmer. Nicht umsonst steht Reville auf dem US-Filmplakat vor Hitchcock und die
Tagline lautet „Behind every Psycho is a great woman“. So bezieht sich der
Titel auf beide Personen, besteht nach dieser willkommenen Leseart die
Kunstfigur Hitchcock doch aus Alfred UND Alma. Auch Alfreds Aufforderung „Nennen
Sie mich Hitch, lassen die das Cock weg“ wird so zu mehr. Wenn Alfred Hitch
ist, ist Alma der zweite Part, Cock, der umgangssprachliche Penis, also der
potente Part des Duos Hitchcock. Regisseur Sacha Gervasi lässt keinen Zweifel
daran, dass dieses Duo nur als solches existieren konnte, als Gemeinschaft, in
der die kreativen und emotionalen Potenzen durchaus unterschiedlich verteilt
sind.
Dass es Gervasi mit dem Biopic-Ansatz nicht allzu ernst
meinte, lässt sich auch an Anthony Hopkins erkennen. Hopkins hat auch in
Make-Up und Kostüm eher entfernte Ähnlichkeit mit Hitchcock und wirkt rein
optisch eben genau so – wie ein Darsteller in Verkleidung. Dennoch bringt er
die Essenz des Regisseurs (mit weniger scharfen Kanten in den besonders heiklen
Details, wie bereits angemerkt) gut herüber, ebenso wie Helen Mirren, die
sicherstellt, dass niemand nach Hitchcock
den Namen Alma Reville mehr vergessen wird. Scarlett Johansson als Janet Leigh
und James D’Arcy als Anthony Perkins wirken derweil erstaunlich nahe an den „Originalen“.
Dennoch, wirklich biografisch will der Film nicht sein. Hitchcock ist vielmehr ein augenzwinkernder Kommentar auf die
Filmlandschaft einerseits (das Lamentieren über Studios, die lieber auf Nummer
Sicher gehen wollen und innovative Stoffe lieber nicht finanzieren ist auch
über fünfzig Jahre nach Psycho noch
ein großes Thema) und anderseits ein schon fast kindlich-faszinierter Blick auf
die Möglichkeiten des Kinos. So gehört die Sequenz, die Hitchcock beim leidenschaftlichen
dirigieren der Duschszene vor der Kinotür zeigt, während innen die Menschen vor
Schreck, Panik und Überraschung aufschreien, zu den Schönsten des gesamten
Werks. Hitchcock schämt sich nicht,
dass ein gewisses Maß an Manipulation immer zum Film dazugehört, und sei es
auch nur, dass wir Hopkins als Hitchcock akzeptieren. Und der süffisante
Verweis darauf, dass Hitchcock in einer Zeit, in der Horror zum Schund zählte,
einen Horrorfilm drehen wollte, ist nur eins der vielen cineastischen
Ostereier, die Gervasi versteckt hat.
Letztlich ist Hitchcock eine Liebeserklärung ans Kino, anekdotenreich vorgetragen
und so etwas wie ein Feel-Good-Film für Cineasten. Man kann hier sehr viel
Freude haben, wenn man nicht darauf hofft, tiefergehend über die Person Alfred
Hitchcock informiert zu werden. Wer sich jedoch zu den Cinephilen zählt, dessen
Spaß summiert sich nochmals auf.
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